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VwGH vom 26.05.1999, 97/09/0179

VwGH vom 26.05.1999, 97/09/0179

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des B D, vertreten durch Dr. Benno Wageneder und Dr. Claudia Schoßleitner, Rechtsanwälte in 4910 Ried/Innkreis, Adalbert Stifter Straße 16, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Oberösterreich des Arbeitsmarktservice vom , Zl. B3/13117/Nr.003/97 B ABA Nr. 750 635, betreffend Feststellung gemäß Art. 6, 7 und 9 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landesgeschäftsstelle Oberösterreich des Arbeitsmarktservice (belangte Behörde) vom gerichtet, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsbürgers, vom auf Feststellung gemäß Art. 7 Abs. 1 (Satz 1) erster und zweiter Gedankenstrich des Beschlusses vom , Nr. 1/80, des nach dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom eingerichteten Assoziationsrates (ARB Nr. 1/80) abgewiesen wurde. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer, der am im Wege der "Familienzusammenführung" in das Bundesgebiet eingereist und nach der Aktenlage von diesem Zeitpunkt an bis bei seinem seit 1. Feber 1991 Invaliditätspension beziehenden Vater F D wohnhaft gewesen sei, sich seit mangels Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis illegal in Österreich aufhalte, daher die Tatbestandsvoraussetzung des "ordnungsgemäßen Wohnens" nicht vorliege. Als "Familienangehörige" seien nicht auch Seitenverwandte zu verstehen, weshalb seine in Österreich wohnenden und beschäftigten Geschwister (Bruder und Schwester) nicht als Bezugspersonen in Frage kämen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass sich die Beschwerdeausführungen nur auf die von der belangten Behörde - auch - herangezogene Bestimmung des Art. 7 des Beschlusses des Assoziationsrates vom , Nr. 1/80 (ARB Nr. 1/80), beziehen, nicht jedoch auf die amtswegig von der belangten Behörde aufgegriffenen und zutreffend ausgelegten Bestimmungen der Art. 6 und 9 leg. cit. Prüfungsgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist daher lediglich das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach Art. 7 leg. cit. Art. 7 Satz 1 (Abs. 1) ARB Nr. 1/80 lautet:

"Artikel 7

Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,


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-
haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;
-
haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben."
Diese Bestimmung ist unmittelbar anwendbar und räumt subjektive Rechte ein. Die Betroffenen haben das Recht auf Erlassung eines Feststellungsbescheides durch das Arbeitsmarktservice (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 96/09/0088, und vom , Zl. 96/09/0334, und vom selben Tage, Zl. 97/09/0152).
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass sein Vater, von dem er in seinem Antrag auf Feststellung sein Recht gemäß Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80 hergeleitet hat, seit dem Invaliditätspension bezieht und damit dem regulären österreichischen Arbeitsmarkt nicht mehr angehört. In der Beschwerde verweist er jedoch auf sein Berufungsvorbringen, wonach er mit seinem Bruder J und seiner Schwester D, die beide 1989 nach Österreich gekommen sind und sich in aufrechten Beschäftigungsverhältnissen befinden, sohin dem regulären österreichischen Arbeitsmarkt angehören, in Familiengemeinschaft lebe. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, dass seinem Verlängerungsantrag auf Aufenthaltsbewilligung mit Berufungsentscheidung vom nicht stattgegeben worden ist, beruft sich jedoch in diesem Zusammenhang auf die ihm aus Art. 7 Satz 1ARB Nr. 1/80 unmittelbar erfließenden Rechte.
Dass der Beschwerdeführer die zeitlichen Voraussetzungen des Art. 7 Satz 1 erster und zweiter Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 erfüllt, ist unstrittig.
Der Beschwerdeführer behauptet im Einklang mit der Aktenlage nicht, dass er eine Berufsausbildung in Österreich abgeschlossen habe, wodurch die Anwendung der Bestimmung des Art. 7 Satz 2 ARB Nr. 1/80 von vornherein ausgeschlossen ist. Demnach war zu prüfen, inwieweit der Beschwerdeführer allenfalls die Tatbestandsvoraussetzung des Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80 erfülle.
Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80 hat den Zweck, die Beschäftigung und den Aufenthalt des türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, dadurch zu fördern, dass ihm in diesem Staat die Aufrechterhaltung seiner familiären Bande garantiert wird; durch die Bestimmung sollen somit günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat geschaffen werden (vgl. das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom , in der Rechtssache C-351/95 (Selma Kadiman), Slg. 1997, I-2133, Rand Nr. 34 und 36). Die im ersten Satz des Art. 7 ARB Nr. 1/80 den Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer eingeräumten Rechtsstellung ist nur den Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers eingeräumt, sie ist also davon abhängig, dass diese Bezugsperson dem regulären Arbeitsmarkt aktuell angehört. Dadurch unterscheidet sich der erste Satz des Art. 7 leg. cit. vom - hier mangels in Österreich abgeschlossener Berufsausbildung nicht anwendbaren - zweiten Satz dieser Bestimmung, wonach für bestimmte, den Kindern türkischer Arbeitnehmer eingeräumte Rechte ausreichend ist, dass ein Elternteil in der Vergangenheit ordnungsgemäß beschäftigt war (vgl. das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom in der Rechtssache C-210/1997 (Haydar Akman), Rand Nr. 30). Der Beschwerdeführer kann sich daher im Rahmen des Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80 nicht darauf berufen, dass sein Vater im Zeitpunkt seiner Einreise in das Bundesgebiet noch dem regulären österreichischen Arbeitsmarkt angehört hat, weil es bei Beurteilung dieser Frage auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ankommt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/09/0235). Dass der Vater als Bezieher einer Invaliditätspension dem regulären österreichischen Arbeitsmarkt auch im Sinne des Art. 6 ARB Nr. 1/80 nicht mehr angehört, hat die belangte Behörde vom Beschwerdeführer nicht bekämpft und zutreffend verneint (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom und die darin zitierte Judikatur des Europäischen Gerichtshofes, insbesondere das Urteil desselben vom in der Rechtssache C-434/93, Ahmed Bozkurt, Slg. Nr. 1995, I1475, Rand Nr. 39). Dies bedeutet für den Beschwerdefall, dass der Vater als "Bezugsperson" im Sinne des Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80 nicht mehr mit Erfolg herangezogen werden kann.
Die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob diese - "ursprüngliche" - Bezugsperson durch eine andere (einen anderen Familienangehörigen) "ersetzt" werden kann, ist nach der Textierung des Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80 zu verneinen. Im Sinne dieser Bestimmung ist nämlich weiters Voraussetzung, dass der betroffene Familienangehörige (hier: der Beschwerdeführer) die Genehmigung erhalten haben muss, zu dem dem regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers zu ziehen, und nur zu diesem, nicht auch zu anderen in Österreich wohnhaften und beschäftigten Familienmitgliedern. Dem Akteninhalt, insbesondere dem Antrag des Beschwerdeführers vom , ist zu entnehmen, dass Bezugsperson in diesem Sinne nur der Vater war, der sich bereits seit dem Juli 1979 in Österreich aufhält. In Anbetracht des Umstandes, dass die Geschwister des Beschwerdeführers nach seinem eigenen Vorbringen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit ihm selbst nach Österreich kamen, nämlich alle im Jahre 1989, scheiden diese Personen als "Bezugspersonen" im Sinne einer Familienzusammenführung aus, sodass hier nicht beantwortet werden muss, inwieweit bei Zutreffen der sonstigen Voraussetzungen mehrere Personen als Bezugspersonen im Sinne des Art. 7 ARB Nr. 1/80 in Frage kommen. Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde erweist sich daher als zutreffend. An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Meinung - bei Vorliegen der Voraussetzungen die Rechte aus Art. 7 Satz 1 dem Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers nach dieser Vorschrift unabhängig davon zustehen, ob die Behörden des Aufnahmemitgliedstaates ein bestimmtes Verwaltungsdokument, wie etwa eine Aufenthaltserlaubnis, ausstellen (vgl. (Kadiman)).
Die Beschwerde war daher als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am