VwGH vom 18.05.2006, 2003/21/0211
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des I, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Dr. Herwig Mayrhofer und Dr. Manuela Schipflinger, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Am Rathauspark, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom , Zl. Fr-4250a-81/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 8 des Fremdengesetzes 1997 (FrG) ein mit drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 36 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 36 Abs. 2 Z 8 FrG gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn ein Fremder von einem Organ der Zollbehörde, der regionalen Geschäftsstellen oder der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen.
Die belangte Behörde legte dem in Beschwerde gezogenen Aufenthaltsverbot die Annahme zugrunde, im vorliegenden Fall sei der in dieser Bestimmung umschriebene Tatbestand verwirklicht worden. Das begründete sie im Wesentlichen wie folgt:
Aus einer Mitteilung eines Organs des Hauptzollamtes Feldkirch gehe hervor, dass der Beschwerdeführer am gegen 10.50 Uhr am Zollamt Lustenau bei einer unselbständigen Erwerbstätigkeit - er habe einen auf die Firma H. in Bludesch zugelassenen LKW-Zug mit österreichischem Kennzeichen von der Schweiz nach Österreich gelenkt - betreten worden sei, für die er keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung besessen habe.
Den Einwand des Beschwerdeführers, der LKW-Zug sei von der österreichischen Firma H. an ihr italienisches Tochterunternehmen in Verona, bei dem der Beschwerdeführer mit entsprechender Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung für Italien ordnungsgemäß beschäftigt sei, vermietet worden, erachtete die belangte Behörde für nicht stichhältig. Es bestehe zwar die Möglichkeit, einen LKW "mit österreichischer Zulassung" (ohne Lenker) an nicht in Österreich niedergelassene Unternehmen zu vermieten und der Beschwerdeführer habe auch einen entsprechenden "augenscheinlich gültigen" Mietvertrag vorgelegt, doch sei der betreffende LKW "aufgrund eines derartigen Mietvertrages" (nur) "aus güterbeförderungsrechtlicher Sicht" dem ausländischen Unternehmen zuzuordnen. Für die "ausländerbeschäftigungsrechtliche Beurteilung" sei gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG der "wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend". Wenn zwar ein Mietvertrag "vorgewiesen" werde, aber der LKW weiterhin in Österreich zugelassen bleibe, dann sei "grundsätzlich" davon auszugehen, dass der LKW weiterhin dem "inländischen Unternehmen (als dessen Arbeitsplatz) zuzurechnen" sei. In diesem Fall benötige ein Lenker aus einem "Nicht-EU bzw. Nicht-EWR-Mitgliedstaat" eine Beschäftigungsbewilligung und einen Aufenthaltstitel.
Der LKW sei nur dann - so begründete die belangte Behörde weiter - dem ausländischen Unternehmen "nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz" zurechenbar, wenn die erforderlichen güterbeförderungsrechtlichen Genehmigungen des mietenden Unternehmens (Gemeinschaftslizenz, Kontingentgenehmigung oder CEMT-Genehmigung) mitgeführt würden. Gemäß Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten unterliege der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz. Eine solche Gemeinschaftslizenz des Tochterunternehmens in Verona habe der Beschwerdeführer bei der durchgeführten Kontrolle nicht vorweisen können und auch im Verfahren - trotz hiezu unter Fristsetzung ergangener Aufforderung - nicht vorgelegt. Weiters hätten die vom Beschwerdeführer bei der Kontrolle vorgewiesenen Frachtpapiere auf den Namen des österreichischen Unternehmens H. gelautet und der Beschwerdeführer habe den Auftrag gehabt, Waren von (der Zweigstelle des italienischen Tochterunternehmens in) Como in die Zentrale nach Bludesch zu bringen.
Aufgrund dieser "Gesamtumstände" - so folgerte die belangte Behörde - werde davon ausgegangen, dass der gegenständliche LKW weiterhin dem inländischen Unternehmen H. in Bludesch zuzurechnen sei und der Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung für Österreich sowie einen Aufenthaltstitel benötigt hätte. Im Hinblick auf das durch die "zuständigen arbeitsmarktrechtlichen Behörden" festgestellte "illegale Beschäftigungsverhältnis" und die "vorig angeführten Umstände" bestünden bei der belangten Behörde keine Zweifel am Vorliegen einer Beschäftigung entgegen dem Ausländerbeschäftigungsgesetz.
Es sei daher der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 8 FrG erfüllt und eine Gefährdungsprognose im Sinne des § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Aufgrund der - von der belangten Behörde näher begründeten - großen Bedeutung der Verhinderung von Schwarzarbeit werde von der Möglichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Gebrauch gemacht. Da sich der Beschwerdeführer immer nur kurzfristig zum Transport von Waren in Österreich aufgehalten habe, sei mit dem Aufenthaltsverbot kein relevanter Eingriff in sein Privat- oder Familienleben verbunden.
Dieser Bescheid leidet deshalb an Begründungsmängeln, weil weder die zugrundeliegenden beweiswürdigenden noch die rechtlichen Überlegungen in nachvollziehbarer und schlüssiger Weise dargetan wurden. In der zuletzt genannten Hinsicht ist zunächst zu kritisieren, dass sich den Rechtsausführungen der belangten Behörde nicht entnehmen lässt, aufgrund welcher Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in der vorliegenden Konstellation vom Erfordernis einer Beschäftigungsbewilligung ausgegangen wurde. Zu Recht rügt die Beschwerde in diesem Zusammenhang, die belangte Behörde habe sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner ordnungsgemäßen Beschäftigung bei dem genannten Unternehmen in Verona und den dazu (in der Berufung vorgelegten) Beweismitteln nicht auseinandergesetzt.
Sollte diese Unterlassung darauf beruhen, dass die belangte Behörde eine solche Beschäftigung als gegeben unterstellte, dann bliebe aber im Dunkeln, aufgrund welcher Überlegungen sie zur Annahme der Ausübung von "Schwarzarbeit" in Österreich durch den Beschwerdeführer gekommen ist. Ausführungen in die Richtung, der Beschwerdeführer sei als überlassene Arbeitskraft (iSd § 2 Abs. 2 lit. e AuslBG iVm den Bestimmungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes) vom Unternehmen H. in Bludesch beschäftigt worden oder dieses Unternehmen habe die Arbeitsleistungen des Beschwerdeführers als "betriebsentsandter" Kraftfahrer (iSd § 18 Abs. 1 AuslBG) in Anspruch genommen, sind dem angefochtenen Bescheid nämlich nicht zu entnehmen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/09/0182, mit weiteren Hinweisen). Für derartige Überlegungen hätte es aber unter anderem konkreterer Feststellungen zum Inhalt der Frachtpapiere und zur Abwicklung des gegenständlichen Transportauftrages bedurft (vgl. zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/09/0027).
Sollte die belangte Behörde aber davon ausgegangen sein, der Beschwerdeführer sei beim österreichischen Mutterunternehmen H. in Bludesch beschäftigt, ist auch das nicht nachvollziehbar begründet. Abgesehen davon, dass konkrete Feststellungen hinsichtlich einer Eingliederung in diesen Betrieb (im Sinn von persönlicher bzw. wirtschaftlicher Abhängigkeit) nicht getroffen wurden, hätte auch das einer Bedachtnahme und beweiswürdigenden Einbeziehung der für eine Beschäftigung des Beschwerdeführers beim italienischen Tochterunternehmen sprechenden Umstände bedurft. Darüber hinaus fehlt eine schlüssige Begründung dafür, dass die als "augenscheinlich gültiger Mietvertrag" bezeichnete Vereinbarung über die Überlassung des LKW an das Tochterunternehmen in Verona zur Umgehung ausländerbeschäftigungsrechtlicher Bestimmungen, somit nur zum Schein abgeschlossen und die mit Urkunden belegten Mietzinszahlungen tatsächlich nicht oder auch nur zum Schein geleistet worden seien (vgl. insoweit anders der dem hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2003/09/0025, 0028, zugrundeliegende Fall). Auf die fehlende Gemeinschaftslizenz allein ließe sich im vorliegenden Fall - sollte die belangte Behörde das beabsichtigt haben - eine solche Annahme tragfähig aber nicht gründen, sagt doch das Fehlen der güterbeförderungsrechtlichen Genehmigung für sich genommen noch nichts über die tatsächlichen Vertragsbeziehungen zwischen dem österreichischen Unternehmen H. und dem italienischen Tochterunternehmen in Bezug auf den in Rede stehenden Transportauftrag aus. Dem hätte im Rahmen einer alle hiefür maßgeblichen Umstände einbeziehenden Beweiswürdigung nur Indizcharakter zukommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher angesichts der aufgezeigten Begründungsmängel wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003 und erfolgte im ausdrücklich verzeichneten Umfang.
Wien, am