VwGH vom 18.12.1996, 94/15/0162
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der V Gesellschaft m.b.H. & Co KG in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , Zl. B 37-3/93, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1989 und Gewerbesteuer für dieses Jahr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Komplementärin der im Jahr 1984 errichteten Beschwerdeführerin - einer GmbH & Co KG - ist die V-GmbH, welcher laut Gesellschaftsvertrag als Arbeitsgesellschafterin neben dem Geschäftsführergehalt ein Gewinnanteil von 5 % des Jahresgewinnes, mindestens von S 20.000,-- als Vorweggewinn zusteht. Für den Fall, daß sie eine Kapitaleinlage tätigt, "steht der verbleibende Gewinn nach Abzug aller Aufwendungen den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Komplementär- und Kommanditeinlagen zu und werden Verluste im gleichen Verhältnis geteilt." Einziger Kommanditist der Beschwerdeführerin ist der mit 25 % (neben seiner Ehegattin, die 75 % des Stammkapitals hält) an der V-GmbH beteiligte G.K., der im maßgebenden Zeitraum auch Geschäftsführer dieser Kapitalgesellschaft war. G.K. war zugleich Alleingesellschafter und Geschäftsführer der K-GmbH, die ihrerseits Alleingesellschafterin der M-GmbH war. Der von der M-GmbH geführte Verzinkereibetrieb war 1984 von der Beschwerdeführerin unter Übernahme sämtlicher Arbeitnehmer, der Vorräte und des Kundenstockes der M-GmbH weitergeführt worden, wobei die von jener Gesellschaft errichteten Betriebsanlagen (Verzinkungs- und Neutralisationsanlage) einschließlich des Verzinkereigebäudes von der Beschwerdeführerin ursprünglich in Bestand genommen und erst im Wirtschaftsjahr 1988/1989 erworben wurden.
Anläßlich einer die Streitjahre umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, der von der Beschwerdeführerin für das Wirtschaftsjahr 1988/1989 beanspruchte Investitionsfreibetrag in Höhe von S 2,069.000,-- für die Anschaffung gebrauchter Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens der M-GmbH gebühre gemäß § 10 Abs. 5 EStG 1988 deswegen nicht, weil es sich um einen Erwerb von einem Konzernunternehmen innerhalb eines Konzerns im Sinne des § 15 des Aktiengesetzes 1965 handle. Im vorliegenden Fall sei durch die Person des G.K. von einer konzernmäßigen Verbindung der an der Transaktion gebrauchter Wirtschaftsgüter beteiligten Gesellschaften auszugehen.
Das Finanzamt schloß sich in seinem im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO der Rechtsansicht des Prüfers an.
Die belangte Behörde wies die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung mit dem angefochtenen Bescheid ab. Begründend führte sie nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage im wesentlichen aus, Zweck der "Konzernbestimmung" des § 10 Abs. 5 EStG 1988 sei es, die "doppelte" Geltendmachung von Investitionsfreibeträgen für ein und dasselbe Wirtschaftsgut innerhalb eines konzernmäßig verflochtenen Unternehmensverbundes zu verhindern; dies sei erforderlich, soweit Wirtschaftsgüter innerhalb desselben Konzernes bereits Bestandteil des Anlagevermögens gewesen seien. Der Begriff "Konzern" dürfe nicht nach den Bestimmungen des RLG, BGBl. Nr. 475/1990, bzw. des Schrifttums hiezu ausgelegt werden, weil § 10 Abs. 5 EStG 1988 vor und nach dem Inkrafttreten des RLG unverändert auf § 15 des Aktiengesetzes 1965 und nicht auf das RLG Bezug nehme. Hiezu komme, daß das RLG nicht unmittelbar an § 15 AktG anknüpfe und daher auch andere Begriffe, wie z.B. Mutter- und Tochterunternehmen, verwende. Im vorliegenden Fall liege ein "Gleichordnungskonzern" vor, bei dem die Konzernunternehmen in gleicher Stufe verbunden seien. Auch gesamthänderisch organisierte Gesellschaften oder eine GesbR, kämen als Unternehmensrechtsträger im Sinne des § 15 AktG in Betracht. Eine lockere, sich auf Grundsätzliches beschränkende Koordinierung in unternehmenspolitischen Fragen reiche für die Annahme einer "einheitlichen Leitung" aus. Als Mittel hiezu sowie für die Ausübung des beherrschenden Einflusses kämen Beteiligungen (auch Minderheitsbeteiligungen), vertragliche Beziehungen (Unternehmensverträge oder rein schuldrechtliche Verträge), personelle Verpflichtungen und ähnliche Umstände in Betracht, wobei weder in Fragen der einheitlichen Leitung noch in jenen des beherrschenden Einflusses Weisungsrechte nötig seien.
Im vorliegenden Fall seien die Verhältnisse so gelagert, daß durch "das Zusammenspiel rechtlicher und faktischer Elemente eine konzernorientierte Unternehmenspolitik gesichert" gewesen sei, weswegen die für Gleichordnungskonzerne charakteristische einheitliche Leitung vorliege. Die aus dem eingangs dargestellten Sachverhalt ersichtlichen Beteiligungsverhältnisse, Geschäftsführungsfunktionen und Wirtschaftsbeziehungen sprächen ebenso wie der Umstand, daß die V-GmbH noch im Jahr 1986 Umsätze an die M-GmbH gegen ein Entgelt von rund 9,2 Mio ausgeführt habe, was rund 54 % des Gesamtumsatzes entspreche, und beide genannten Firmen eine gemeinsame Verwaltungskostenverrechnung vorgenommen hätten, für eine einheitliche Unternehmenskoordinierung und damit für das Vorliegen einer konzernmäßigen Unternehmenszusammenfassung. Dagegen seien die Voraussetzungen für die Annahme eines Organschaftsverhältnisses im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 5 EStG 1988 darf ein Investitionsfreibetrag u. a. für gebrauchte Wirtschaftsgüter, die von einem Konzernunternehmen innerhalb eines Konzerns im Sinne des § 15 des Aktiengesetzes 1965 erworben werden, weder gewinnmindernd noch durch bestimmungsgemäße Verwendung einer Investitionsrücklage (eines steuerfreien Betrages) geltend gemacht werden.
§ 15 AktG 1965 lautet:
"§ 15. (1) Sind rechtlich selbständige Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt, so bilden sie einen Konzern; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen.
(2) Steht ein rechtlich selbständiges Unternehmen auf Grund von Beteiligungen oder sonst unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluß eines anderen Unternehmens, so gelten das herrschende und das abhängige Unternehmen zusammen als Konzern und einzeln als Konzernunternehmen."
§ 15 AktG bedeutet eine allgemeine (nicht auf Aktiengesellschaften beschränkte) Begriffsbestimmung des Konzerns und des Konzernunternehmens.
Eine entsprechende Regelung zu § 15 AktG 1965 enthält § 115 GmbHG.
Nach der hg. Rechtsprechung bedarf es folgender Merkmale, um von einem Konzern im Sinne dieser Gesetzesstellen sprechen zu können: der einheitlichen Leitung rechtlich selbständiger Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken bzw. nach dem zweiten Absatz der zitierten Gesetzesstellen des beherrschenden Einflusses eines selbständigen Unternehmens auf ein anderes, wobei die Abhängigkeit durch Beteiligung, aber auch auf andere Weise, z.B. durch maßgebliche Finanzierung oder Personalunion in den Organen sowie durch Betriebsverpachtung, durch einen Betriebsüberlassungs-, Betriebsführungsvertrag oder Gewinn- und Verwaltungsgemeinschaften hergestellt sein kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/11/0060, und die dort zitierte Lehre).
Obwohl in § 15 AktG nur von Unternehmen die Rede ist, ist damit der Rechtsträger des Unternehmens gemeint. Rechtliche Selbständigkeit des Unternehmens bedeutet, daß der Rechtsträger des Unternehmens eine eigenständige rechtliche Einheit bilden muß und daher keine rechtliche Identität mit dem Unternehmensrechtsträger eines - wie auch immer - verbundenen Unternehmens bestehen darf. Hiebei darf aber "rechtliche Einheit" nicht mit eigener Rechtspersönlichkeit gleichgesetzt werden. Vielmehr ist in der Lehre anerkannt, daß auch gesamthänderisch organisierte Gesellschaften und sogar die GesbR als Unternehmensrechtsträger im Sinne des § 15 AktG in Betracht kommen (siehe hiezu Schiemer/Jabornegg/Strasser, Kommentar zum Aktiengesetz3, Rz 11 zu § 15 und die dort zitierte Lehre).
Für die Annahme einer (tatsächlich wahrgenommenen) "einheitlichen Leitung" ist Mindesterfordernis, daß eine "auf Grundsätzliches beschränkende Koordinierung in den wichtigsten Fragen der Unternehmenspolitik" vorhanden ist. Als Mittel der einheitlichen Leitung kommen vor allem Beteiligungen, die nicht Mehrheitsbeteiligungen zu sein brauchen, personelle Verflechtungen, maßgebende Finanzierungen und vertragliche Beziehungen in Betracht (vgl. abermals Schiemer-Jabornegg-Strasser, a.a.O., Rz 14, 15 zu § 15 AktG).
Ein Konzern kann auch vorliegen, wenn kein Mutterunternehmen besteht, von dem die einheitliche Leitung ausgeht (siehe hiezu Straube, HGB, Rz 5 zu § 244). Für einen Gleichordnungskonzern ist typisch, daß die Leitung nicht von einem "herrschenden Unternehmen" besorgt wird, sondern von einer anderen Stelle als Konzernspitze, sodaß keines der Konzernunternehmen von einem anderen Konzernunternehmen abhängig ist (siehe hiezu Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, 818).
Soweit die Beschwerde demgegenüber meint, G.K. könne als natürliche Person durch seine Leitungstätigkeit rechtlich selbständige Unternehmen nicht zu einem Konzern verbinden, kann daraus auf Grund des Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht abgeleitet werden. Soweit sich die Beschwerde auf das Handels- bzw. Rechnungslegungsgesetz stützt, ist ihr zu antworten, daß gegenständlich nicht der Konzernbegriff nach diesen Rechtsvorschriften, sondern der des § 15 AktG maßgeblich ist.
Auch die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe nicht überprüft, "inwieweit durch Gleichschaltung etc tatsächlich (faktisch) eine einheitliche Willensbildung vorgelegen ist", ist unbegründet. Der belangten Behörde kann nämlich nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei dem von ihr unbedenklich festgestellten Sachverhalt darauf geschlossen hat, daß durch das (tatsächliche) Zusammenspiel rechtlicher und faktischer Elemente eine konzernorientierte Unternehmenspolitik gesichert war. Auch die Hinweise auf ein Zurückgehen der Umsätze der V-GmbH an die M-GmbH von mehr als 50 % des Gesamtumsatzes "im Jahr 1986" auf unter diese Grenze im Wirtschaftsjahr 1988/1989 sowie auf die Person des "faktischen Geschäftsführers" der Beschwerdeführerin vermögen daran nichts zu ändern.
Auf Grund des Gesagten mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.