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VwGH vom 22.09.1999, 94/15/0158

VwGH vom 22.09.1999, 94/15/0158

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des G R in W, vertreten durch Dr. Josef Broinger ua, Rechtsanwälte in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GA 7 - 1035/93, betreffend Haftung für Abgabenschulden, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von 12.920 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war seit Gründung einer GmbH im Jahr 1988 deren Gesellschafter und einziger Geschäftsführer. Mit Beschluss vom wurde über das Vermögen der GmbH der Konkurs eröffnet, der mit Beschluss vom aufgehoben wurde.

Mit Bescheid vom nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer für aushaftende Abgabenschulden der GmbH als Haftenden gemäß § 9 Abs 1 iVm § 80 Abs 1 BAO in Anspruch.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, die Hausbank habe auf Grund der ihr vorgelegten Bilanz der GmbH für das Jahr 1991 mit Wirkung ab den bisher eingeräumten Kontokorrentkredit gesperrt, weswegen er ab diesem Tag über keine Mittel habe verfügen können. Er habe daher ab dem weder an den Bund als Abgabengläubiger noch an andere Gläubiger Zahlungen geleistet. Da er den Bund als Abgabengläubiger nicht schlechter als andere Gläubiger behandelt habe, sei der Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben.

In einer die Haftung des Beschwerdeführers grundsätzlich aufrecht erhaltenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer ua vor, wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der GmbH hätte er durch interne Maßnahmen dafür Sorge tragen müssen, dass die für die Entrichtung der Umsatzsteuer erforderlichen Mittel vorhanden gewesen wären.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, er habe auf Grund der mit der Hausbank getroffenen Vereinbarung bis zum mit der Entrichtung der Umsatzsteuer rechnen können. Er habe sich daher nicht veranlasst gesehen, die zur Entrichtung der Umsatzsteuer erforderlichen Mittel auf einem gesonderten Konto anzusammeln. Bis zum habe er alle Gläubiger der GmbH befriedigt. In Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit habe er ab diesem Tag keine Zahlungen an die Gläubiger der GmbH geleistet. Vielmehr habe er alle Eingänge am Kontokorrentkonto belassen und gleichzeitig das Insolvenzverfahren vorbereitet. Er habe daher in seiner Stellung als Geschäftsführer keine abgabenrechtlichen Pflichten verletzt. Hätte er die aushaftenden Abgabenschulden entrichtet, so hätte er den Bund als Abgabengläubiger gegenüber den anderen Gläubigern begünstigt, wodurch er gegen Bestimmungen des Insolvenzrechtes verstoßen hätte. Abgabenrechtliche Pflichten könnten wohl nicht dazu führen, gegen Bestimmungen des Insolvenzrechtes zu verstoßen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid nahm die belangte Behörde den Beschwerdeführer hinsichtlich Umsatzsteuer für die Monate August und September 1992 sowie Säumniszuschläge als Haftenden in Anspruch. Zur Begründung führte sie aus, der Beschwerdeführer habe die ihm auferlegten abgabenrechtlichen Pflichten insofern verletzt, als er zur gänzlichen Abfuhr der Umsatzsteuer ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten der GmbH bei korrekter Geschäftsführung jedenfalls in der Lage gewesen sein müsste, weil es sich bei der Umsatzsteuer um eine mit den Preisen bereits vereinnahmte Abgabe handle. Dass die der Umsatzsteuer zugrunde liegenden Forderungen nicht hätten realisiert werden können, habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer durch einen Geschäftsführer stelle eine schuldhafte Verletzung der ihm auferlegten abgabenrechtlichen Pflichten dar, wenn der Geschäftsführer diese, aus welchen Gründen immer, nicht abführe. In § 30 Abs 1 KO werde keineswegs die Verpflichtung des potentiellen Gemeinschuldners, ab dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach dem Antrag auf Konkurseröffnung oder in den letzten sechzig Tagen vorher keine Zahlung zu leisten, normiert, sondern lediglich die inkongruente Deckung für anfechtbar erklärt. Zufolge Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben vor der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH könne von einer inkongruenten Deckung iSd § 30 Abs 1 KO nicht gesprochen werden. Der Beschwerdeführer habe daher infolge schuldhafter Verletzung der ihm auferlegten Pflichten die Uneinbringlichkeit der noch aushaftenden Umsatzsteuer sowie Säumniszuschläge der GmbH zu vertreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Unbestritten ist, dass die Abgaben, für die der Beschwerdeführer als Haftender herangezogen worden ist, bei der GmbH nicht mehr eingebracht werden können, sowie, dass der Beschwerdeführer seit Gründung der GmbH deren einziger Geschäftsführer gewesen ist, weswegen er zum Kreis der im § 80 Abs 1 BAO genannten Vertreter gehört, die zur Haftung gemäß § 9 Abs 1 leg cit herangezogen werden können.

Mit dem Einwand des Beschwerdeführers, alle von ihm nach dem geleisteten Zahlungen wären nach § 30 Abs 1 KO anfechtbar gewesen, wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Denn ob bzw inwieweit vom Beschwerdeführer geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der KO rechtsunwirksam bzw anfechtbar gewesen wären, ist ausschließlich im Konkursverfahren zu prüfen. Die im Abgabenverfahren zu prüfende Frage, ob der Bund als Abgabengläubiger nicht schlechter gestellt worden ist, als die anderen andrängenden Gläubiger, bleibt davon unberührt (vgl das hg Erkenntnis vom , 92/14/0125, 0126).

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, bei der Umsatzsteuer handle es sich um eine mit den Preisen bereits vereinnahmte Abgabe, weswegen der Beschwerdeführer zur gänzlichen Abfuhr der Umsatzsteuer ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten der GmbH bei korrekter Geschäftsführung jedenfalls in der Lage gewesen sein müsste. Diese in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründete Auffassung wurde jedoch mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 91/13/0037, 0038, Slg Nr 7038/F, nicht mehr aufrecht erhalten. Nach diesem Erkenntnis, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ist das Verschulden eines Vertreters im Zusammenhang mit der Haftung für Umsatzsteuer (und den dementsprechenden Nebengebühren) wie bei anderen Abgaben (mit Ausnahme von Lohn- und Kapitalertragsteuer) zu beurteilen.

Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig, weswegen er gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die belangte Behörde wird jedoch im fortzusetzenden Verfahren festzustellen haben, ob der Beschwerdeführer die ihm auferlegten abgabenrechtlichen Pflichten insofern erfüllt hat, als er den Bund als Abgabengläubiger nicht schlechter gestellt hat, als die anderen andrängenden Gläubiger. Insbesondere wird die belangte Behörde zu prüfen haben, ob der von der Hausbank gewährte Kontokorrentkredit durch eine Mantelzession besichert gewesen und ob hiebei Vorsorge getroffen worden ist, dass die Abgabenschulden der GmbH zumindest aliquot entrichtet werden (vgl das hg Erkenntnis vom , 95/15/0120, mwA).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am