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VwGH 16.09.1991, 91/15/0028

VwGH 16.09.1991, 91/15/0028

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BAO §9 Abs1 impl;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
RS 1
§ 7 Abs 1 LAO Wr normiert - ebenso wie § 9 Abs 1 BAO - eine Ausfallshaftung dergestalt, daß der danach persönlich Haftungspflichtige jedenfalls solange nicht in Anspruch genommen werden darf, als ein Ausfall beim Primärschuldner noch nicht angenommen werden kann. Die Begründung der Haftung setzt zunächst voraus, daß die rückständigen Abgaben beim Abgabenschuldner selbst uneinbringlich sind.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 85/17/0011 E RS 1
Norm
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
RS 2
Aus der Tatsache der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH kann nicht bereits zwingend auf die Uneinbringlichkeit der gegenüber der GmbH entstandenen Abgabenforderungen geschlossen werden; dies kann sich erst im Laufe des Insolvenzverfahrens herausstellen (Hinweis E , 85/17/0011 und E , 89/14/0298).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1991/06/10 90/15/0175 3
Normen
BAO §281 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
GmbHG §18;
LAO Wr 1962 §216 Abs1;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
RS 3
Geht die Abgabenbehörde zweiter Instanz im Berufungsverfahren gegen die bescheidmäßige Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH davon aus, daß die Uneinbringlichkeit der Abgabe, für die der Geschäftsführer zur Haftung herangezogen worden ist, noch nicht feststeht (hier in concreto: Das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen), so darf sie das vor ihr anhängige Berufungsverfahren gegen den Haftungsbescheid nicht nach § 216 Wr LAO (entspricht § 281 BAO) aussetzen. Beim Ausgehen vom Fehlen der für die Haftungsinanspruchnahme wesentlichen Voraussetzung der objektiven Uneinbringlichkeit der Abgabe bei der Primärschuldnerin ist nämlich eine sachliche Erledigung der Berufung sofort möglich.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des Josef P in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom , Zl. MDR-P 41/90, betreffend Aussetzung der Berufungsentscheidung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Den Verwaltungsakten ist folgendes zu entnehmen:

Über das Vermögen der XY-GmbH W, wurde am der Konkurs eröffnet (S n1/89 des LG Salzburg). Die Magistratsabteilung 6 - Rechnungsamt, Stadtkasse 4., 10. Bezirk meldete am zum obgenannten Konkurs für Lohnsummensteuer und Dienstgeberabgabe einen Betrag von S 71.604,-- an, welche Summe sie am infolge Abgabenberichtigung auf S 15.042,-- Lohnsummensteuer einschränkte.

Mit Haftungsbescheid vom nahm der Magistrat der Stadt Wien die Haftung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der obgenannten Gesellschaft m.b.H. gemäß §§ 7 und 54 WAO für den Rückstand an Lohnsummensteuer in der Höhe von S 15.042,-- betreffend den Zeitraum "1988 bis 7/1989" in Anspruch.

Dagegen berief der Beschwerdeführer u.a. mit der Behauptung, es werde sich erst nach Beendigung des Konkursverfahrens zeigen, ob die Abgabenforderung bei der juristischen Person uneinbringlich sei.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung als unbegründet ab, wobei sie unter anderem darauf hinwies, daß laut Auskunft des Masseverwalters Dr. NN mit einer quotenmäßigen Befriedigung der Konkursforderungen nicht gerechnet werden könne.

Daraufhin stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Die belangte Behörde richtete am an den Masseverwalter die Anfrage, ob mit einer Befriedigung der Konkursforderungen Lohnsummensteuer bzw. Dienstgeberabgabe gerechnet werden könne. Der Masseverwalter teilte dazu am mit, derzeit nicht beurteilen zu können, ob für die Konkursforderungen eine Quote ausgeschüttet werden könne oder nicht.

Diesen Umstand gab die belangte Behörde am den Beschwerdeführer bekannt und kündigte dabei an, daß ihr die Aussetzung des Berufungsverfahrens bis zum Abschluß des Konkursverfahrens zweckmäßig erscheine. Sie forderte den Beschwerdeführer unter einem auf, etwaige Einwände dagegen binnen zwei Wochen geltend zu machen. Der Beschwerdeführer erklärte, mit einer Aussetzung nur einverstanden zu sein, wenn seiner Berufung die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, die schon bezahlten Beträge zurückgezahlt würden bzw. ein von ihm sicherungsweise erlegtes Sparbuch zurückgegeben werde.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 216 der Wiener Abgabenordnung-WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, die Entscheidung über die Berufung ausgesetzt.

Zur Begründung verwies die belangte Behörde auf die Auskunft des Masseverwalters und vertrat die Meinung, es sei somit nach der Aktenlage eine Beurteilung nicht möglich, inwieweit im Zuge der Verteilung des Massevermögens eine Verminderung der Abgabenrückstände und damit eine Verminderung einer etwaigen Haftungspflicht des Beschwerdeführers eintrete. Es erscheine daher zweckmäßig, das anhängige Berufungsverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluß des Konkursverfahrens über das Vermögen der XY-GmbH auszusetzen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in seinem Recht darauf, daß ohne Aussetzung über seine Berufung entschieden wird, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 216 WAO bestimmt:

"(1) Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, so kann die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen.

(2) Eine Aussetzung der Entscheidung gemäß Abs. 1 ist von der Abgabenbehörde zweiter Instanz auszusprechen. Nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens, das Anlaß zur Aussetzung gemäß Abs. 1 gegeben hat, ist das ausgesetzte Berufungsverfahren von Amts wegen fortzusetzen."

Gemäß § 7 Abs. 1 WAO haften die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Der Beschwerdeführer fällt als Geschäftsführer der abgabenpflichtigen Gesellschaft m.b.H. unter den Personenkreis des § 54 Abs. 1 WAO.

Wesentliche Voraussetzung der subsidiären Haftung des Vertreters gemäß § 7 Abs. 1 WAO ist (ebenso wie nach § 9 BAO) die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgabe beim Primärschuldner (vgl. dazu die bei Philipp, Die österreichischen Landesabgabenordnungen Seite 23 letzter Absatz referierte hg. Judikatur; ebenso Stoll, BAO-Handbuch 28).

Nach ständiger hg. Judikatur kann aus der Tatsache der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Gesellschaft m.b.H. nicht bereits zwingend auf die Uneinbringlichkeit der gegenüber der Gesellschaft m.b.H. entstandenen Abgabenforderungen geschlossen werden (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 89/14/0298 und vom , Zl. 85/17/0011). Da im vorliegenden Fall die belangte Behörde selbst davon ausging, es könne von einer Uneinbringlichkeit des Abgabenbetrages derzeit noch gar nicht gesprochen werden, und da die belangte Behörde selbst zu Recht betonte, die Uneinbringlichkeit sei eine der Voraussetzungen für einen Haftungsbescheid, bestand kein Grund für die Aussetzung der Berufungsentscheidung, weil sofort eine sachliche Erledigung der Berufung möglich gewesen wäre. Indem die belangte Behörde dies nicht beachtete, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muß.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom BGBl. Nr. 104.

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Normen
BAO §281 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
GmbHG §18;
LAO Wr 1962 §216 Abs1;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1991:1991150028.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAE-62461