VwGH vom 26.04.1993, 91/15/0025
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde der C in M, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zl 130-5/89, betreffend Nachfeststellung eines Einheitswertes des Grundvermögens zum , zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Lagefinanzamtes vom wurde der Einheitswert des der Beschwerdeführerin zur Gänze zugerechneten, dem Grundvermögen zugeordneten unbebauten Grundstückes Nr nnn/11 ua - in der späteren Berufungsentscheidung bezeichnet als "unbebautes Grundstück Nr. nnn, nnn/1 und nnn/11" -, EZ NNN KG M, zum im Wege der Nachfeststellung mit S 574.000,-- (1.642 m2 x S 350,--, gerundet) festgestellt; dies unter Bezugnahme auf § 52 Abs 2 BewG mit der Begründung, daß (auch) land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücksflächen dem Grundvermögen zuzurechnen seien, wenn auf Grund der Lage und der sonstigen Verhältnisse, insbesondere mit Rücksicht auf die bestehenden Verwertungsmöglichkeiten, anzunehmen sei, daß der Grundbesitz in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werde.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin hinsichtlich des Grundstückes aus, daß das "Grundstück Nr. nnn/11 ua" im bebauten flacheren Teil des Ortes zentral in M liege. Es habe eine Fläche von rund 1700 m2, sei annähernd quadratisch und werde an zwei Seiten von Gemeindestraßen begrenzt. Seit Bestehen des rechtskräftigen Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde M sei das Grundstück als Bauland-Kurgebiet ausgewiesen. Die Aufschließung mit Wasser, Kanal, Strom etc. sei leicht möglich. Das Grundstück werde aber seit mindestens 50 Jahren intensiv und ausschließlich land- und forstwirtschaftlich (als Gemüsegarten) genutzt. Mit Ausnahme von Abtretungen für die Verbreiterung der angrenzenden Gemeindestraßen seien in diesem Zeitraum keinerlei Teilflächen abgegeben bzw abgetrennt worden. Auch bei den umliegenden Grundstücken habe es in den letzten 30 Jahren keine Veränderung gegeben. Weder seien neue Gebäude errichtet worden noch habe sich die Verbauungsdichte bzw die Nutzung und das Aussehen der unverbauten Flächen in der Umgebung verändert.
Anläßlich eines abgabenbehördlichen Ortsaugenscheines wurde im Beisein des Sohnes der Beschwerdeführerin, eines Steuerberaters, festgestellt, daß die gegenständliche Liegenschaft im Ortsgebiet liegt und von bebauten Grundstücken umgeben ist. Es handle sich um ein in bezug auf Wasser, Kanal und Strom voll erschlossenes Eckgrundstück. Es werde als Gemüsegarten für einen Hotelbetrieb genutzt und liege in begünstigter Lage mit teilweisem Ausblick auf den Millstättersee und die Bergwelt. Bei dieser Gelegenheit wies das Finanzamt auch auf für verschiedene Vergleichsgrundstücke um den Hauptfeststellungszeitpunkt erzielte Kaufpreise hin.
Gegen eine in der Sache ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Im weiteren Berufungsverfahren wies die Beschwerdeführerin auf die "minimale Bauentwicklung im Umkreis" der Liegenschaft in den letzten 30 Jahren hin. Für verschiedene Liegenschaften in der Nachbarschaft ihres Grundstückes hätten sich keine Käufer gefunden bzw nur solche, die als Grundnachbarn ihre Grundstücksfläche vergrößert oder abgerundet hätten. Bauzwecke seien "eher nicht" verfolgt worden. Bei der gegebenen Marktlage sei es daher nicht wahrscheinlich, daß der streitgegenständliche Grundbesitz in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werde.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ab; dies im wesentlichen mit der Begründung, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung der Frage, ob ein Grundstück (noch) dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen oder (schon) dem Grundvermögen zuzurechnen sei, in erster Linie auf objektive Merkmale ankomme, denen gegenüber subjektive, nur in der Person des jeweiligen Grundeigentümers gelegene Momente zurückzutreten hätten. Dies gelte insbesondere dann, wenn es sich, wie im Beschwerdefall, um eine Baulücke in sonst schon besiedelten Wohngebieten bzw im Ortsgebiet handle. Im Beschwerdefall läge eine Reihe solcher objektiver Merkmale, die für eine Zurechnung zum Grundvermögen sprächen, vor. Es seien dies die Baulandwidmung, die Erschließung hinsichtlich des Verkehrs, des Bezugs von Wasser und Strom sowie des Kanalanschlusses, wie auch die hervorragende Lage der Streitliegenschaft mitten im verbauten Ortsgebiet der Fremdenverkehrsgemeinde M. Demgegenüber handle es sich bei der seit Jahren bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzung der Liegenschaft bzw bei der mangelnden Absicht zum Verkauf oder zur Änderung der Nutzung um subjektive, in der Person des Eigentümers gelegene Umstände, die bei der Bewertung außer Betracht zu bleiben hätten. Maßgebend sei nämlich nicht, wie der Eigentümer sein Grundstück (tatsächlich) nutze, sondern einzig und allein, wie er es nutzen könne. Durch die Bewertung solle nämlich die potentielle wirtschaftliche Kraft des Eigentümers erfaßt werden, weshalb eine objektive Werterhöhung des Grundbesitzes als Folge der Lage im bebauten Gebiet nicht deshalb unberücksichtigt bleiben dürfe, weil der Grundstückseigentümer nicht die Absicht habe, sie auszunützen. Die streitgegenständliche Liegenschaft sei durch ihre Seeblick aufweisende Lage mitten im Ortsgebiet einer Fremdenverkehrsgemeinde im Hinblick auf den enormen Wert solcher Grundstücke sowohl wirtschaftlich als auch technisch (quadratische Form und das schon angeführte Flächenausmaß) für eine Verwertung als Bauland geradezu prädestiniert. Daß für derartige Grundstücke keine Verwertungsmöglichkeit bestehe, widerspreche jeglicher Lebenserfahrung. Es seien auch keine Umstände aufgezeigt worden, die einer Bebauung entgegenstünden, und auch keinerlei begründete wirtschaftliche Erwägungen vorgebracht worden, die gegen eine Verwertung als Bauland sprächen. Die eine Voraussetzung für die Anwendung des § 52 Abs 2 BewG darstellende land- und forstwirtschaftliche Nutzung weise auch nicht die für eine etwaige Zuordnung zum gärtnerischen Vermögen erforderliche, etwa bei Glashäusern gegebene Intensität auf. Die streitgegenständliche Liegenschaft werde eher in Form eines Hausgartens bzw Kleingartenlandes genutzt, was grundsätzlich gegen eine Zuordnung zum gärtnerischen Vermögen spreche. Die landwirtschaftliche Nutzung sei auch im Vergleich zur Verwertung als Baugrund unwirtschaftlich. Bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer anderweitigen als der land- und forstwirtschaftlichen Verwendung einer Liegenschaft komme es nicht auf die Einschätzung der Verkaufsabsichten des jeweiligen Grundstückseigentümers an, sondern einzig und allein auf die objektiven Merkmale der Liegenschaft und die sich daraus ergebende Einschätzung von deren Verwertungsmöglichkeiten. Daß der Grundstücksmarkt in der Marktgemeinde M stagniere, finde nicht nur in der vom Finanzamt geführten Kaufpreissammlung keine Deckung, sondern lasse sich vor allem auch mit den Erfahrungen des täglichen Lebens - nämlich der anhaltend großen Nachfrage nach Bauland in Seegemeinden - nicht in Einklang bringen. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß bei einer Reihe von umliegenden Grundstücken in einem Zeitraum von 10 Jahren keine Baumaßnahmen getätigt worden seien, sei entgegenzuhalten, daß bei diesen Grundstücken keineswegs so günstige Voraussetzungen für eine Verwertung als Bauland vorlägen wie bei der streitgegenständlichen Liegenschaft (so zB fehle bei vier Parzellen die Zufahrtsmöglichkeit und befinde sich eine weitere Parzelle in Steilhanglage). Daß einzelne Parzellen keine Käufer fänden, könne auch in überhöhten Preisvorstellungen bzw in spekulativen Absichten der jeweiligen Eigentümer seine Ursache haben, zumal aus den erfahrungsgemäß immer stärker steigenden Grundstückspreisen für in Fremdenverkehrsgebieten gelegenes Bauland größere Vorteile gezogen werden könnten als bei einem sofortigen Verkauf. Gegen die Richtigkeit der der Beschwerdeführerin mitgeteilten Vergleichspreise habe sie "nichts Entscheidendes" eingewendet. Der vom Finanzamt im Beschwerdefall zur Anwendung gebrachte Quadratmeterpreis liege auch an der Untergrenze der bei Verkäufen von Vergleichsliegenschaften erzielten Preise.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in ihrem Recht auf Durchführung eines umfassenden ordnungsgemäßen zur richtigen Entscheidung führenden Verwaltungsverfahrens, insbesondere aber in ihrem Recht auf die Feststellung eines Einheitswertes iS § 30 BewG landwirtschaftliches Vermögen in Verbindung mit § 2 (1) BewG verletzt".
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß dem ersten Satz des § 51 Abs 1 BewG gehört zum Grundvermögen der Grund und Boden einschließlich der Bestandteile (insbesondere Gebäude) und des Zubehörs.
Gemäß § 52 Abs 1 leg cit gehört zum Grundvermögen nicht Grundbesitz, der zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehört.
Nach Abs 2 der letztzitierten Gesetzesstelle sind land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücksflächen dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage und den sonstigen Verhältnissen, insbesondere mit Rücksicht auf die bestehenden Verwertungsmöglichkeiten, anzunehmen ist, daß sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden, zB, wenn sie hienach als Bauland, Industrieland oder als Land für Verkehrszwecke anzusehen sind.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt es die Widmung eines Gebietes als Bauland im Rahmen der örtlichen Raumplanung FÜR SICH ALLEIN noch nicht, ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück ohne weiteres dem Grundvermögen zuzurechnen. Ist jedoch auf Grund von zur Baulandwidmung hinzutretenden objektiven Umständen - insbesondere betreffend die örtliche Lage und Aufschließung der Liegenschaft, die bauliche Entwicklung in der Umgebung sowie die zum Bewertungsstichtag gegebene und für die Zukunft zu erwartende Marktlage - anzunehmen, daß eine landwirtschaftlich genutzte Fläche in absehbarer Zeit vom genannten Stichtag anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen wird, so rechtfertigt dies, ohne daß es hiebei auf die Absicht des jeweiligen Grundeigentümers ankommt, durchaus die Zuordnung der Liegenschaft zum Grundvermögen (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zlen 84/15/0081 bis 0088, und das dort zitierte Vorerkenntnis samt darin bezogener Rechtsprechung). Ein aus objektiven Umständen sich ergebender Wahrscheinlichkeitsschluß für eine Verbauung in absehbarer Zeit ist inbesondere gerechtfertigt bei einer Flächenwidmung als Bauland (Wohngebiet), Aufschließung durch eine Strom, Wasser und Kanal führende Straße mit öffentlichem Verkehr und die bauliche Entwicklung in dem diese Grundfläche umfassenden Ortsgebiet. Der Bedarf nach Baugrundstücken kann auch aus der baulichen Entwicklung in dem die Grundfläche umfassenden Ortsgebiet erschlossen werden (vgl zB das hg Erkenntnis vom , Zl 84/15/0054). Stellt das zu bewertende Grundstück eine Baulücke in einem sonst besiedelten Gebiet dar, so handelt es sich überhaupt um den typischen Anwendungsfall der Vorschrift des § 52 Abs 2 BewG (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 90/15/0082). Selbst bloßes Rohbauland ist schon dann als Bauland im Sinne des § 52 Abs 2 BewG anzusehen, wenn an der späteren endgültigen Verwertung des Grundstückes als Bauland kein begründeter Zweifel besteht, AUCH WENN FÜR DIESE VERWERTUNG NOCH KEIN NAHER ZEITPUNKT ABZUSEHEN IST (vgl. die hg Erkenntnisse vom , Zl 309/69, und vom , Zl 49/74).
Angewendet auf den Beschwerdefall vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, inwiefern die belangte Behörde bei dem im Beschwerdefall unbestrittenen Sachverhalt Verfahrensvorschriften in einem wesentlichen Punkt verletzt hätte. Auch der in der Beschwerde nicht näher begründete Vorwurf einer inhaltlichen unrichtigen Anwendung des § 52 Abs 2 BewG ist nach dem Gesagten nicht berechtigt, zumal den besonderen Vorschriften des zweiten Teiles des BewG Vorrang vor den allgemeinen Vorschriften des ersten Teiles dieses Gesetzes zukommt. Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 104/1991.