VwGH vom 08.04.1991, 91/15/0023
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11-91/90, betreffend Stempelgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und aus dem ihr in Ablichtung angeschlossenen angefochtenen Bescheid geht der folgende entscheidungswesentliche Sachverhalt hervor:
Die Beschwerdeführerin ist Gebäudeverwalterin und verwaltet in dieser Eigenschaft die Liegenschaft in Wien 10, X-gasse 87. Ein Untermieter eines Minderheitseigentümers stellte gegen die Eigentümer dieser Liegenschaft an die Schlichtungsstelle beim zuständigen magistratischen Bezirksamt den Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter im Sinne des § 2 Abs. 3 Mietrechtsgesetz - MRG, BGBl. Nr. 520/1981. Nach Ablauf der im § 40 Abs. 2 leg. cit. normierten Dreimonatsfrist beantragte die Beschwerdeführerin im Namen der von ihr im Außerstreitverfahren vertretenen Hauseigentümer die Ausstellung einer Bestätigung gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle. Diesem Antrag wurde seitens der Verwaltungsbehörde entsprochen, worauf das Verfahren vor dem Bezirksgericht Favoriten fortgesetzt wurde.
Für diesen Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 40 Abs. 3 MRG setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien gegenüber der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom eine Eingabengebühr gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG 1957 in Höhe von S 120,-- sowie eine Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 dieses Gesetzes in Höhe von S 60,-- fest.
Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Dies unter Bezugnahme auf die einschlägigen Rechtsvorschriften im wesentlichen mit der Begründung, das für die Erhebung einer Eingabengebühr erforderliche, von der Beschwerdeführerin bestrittene Privatinteresse sei im vorliegenden Fall deswegen anzunehmen, weil die Beschwerdeführerin die Schlichtungsstelle aus in ihrer Privatsphäre gelegenen Gründen in Anspruch genommen habe bzw. diese Inanspruchnahme auch Auswirkungen auf ihre Privatsphäre besitze. Ein privates Interesse sei nämlich nach dem Gesetz immer dann anzunehmen, wenn die Privatperson mit ihrer Eingabe irgendeinen ideellen oder materiellen Vorteil erreiche oder zu erreichen hoffe. Die Befreiungsbestimmung des § 39 Abs. 5 MRG finde im vorliegenden Fall deswegen keine Anwendung, weil die von der Beschwerdeführerin beantragte Bestätigung keine im Verfahren vor der Gemeinde erforderliche Schrift sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG 1957 unterliegen Eingaben von Privatpersonen (natürlichen und juristischen Personen) an Organe der Gebietskörperschaften in Angelegenheiten ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises, die die Privatinteressen der Einschreiter betreffen, einer festen Gebühr von S 120,--.
Von den in dieser Gesetzesstelle umschriebenen Tatbestandsmerkmalen bestreitet die Beschwerdeführerin, daß die Eingabe an die Schlichtungsstelle ihr Privatinteresse als Einschreiter betroffen hat. Ihre Eingabe habe ihre Ursache in der in den §§ 39 f MRG normierten sukzessiven Zuständigkeit der Schlichtungsstelle und des Gerichts. Wäre letzteres allein zuständig, so hätte es nämlich weder eines Antrages gemäß § 40 Abs. 2 MRG noch einer Bestätigung gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle bedurft. Da in kleineren Gemeinden der Tatbestand des § 39 Abs. 1 MRG kaum erfüllt sei, würden bei einer Gebührenpflicht von Anträgen auf Erteilung einer Bestätigung im Sinne des § 40 Abs. 3 MRG die Rechtssuchenden je nach Zugehörigkeit zu einer (größeren oder kleineren) Gemeinde unterschiedlich behandelt; dadurch würde der Gleichheitssatz verletzt.
Mit diesen Ausführungen vermag die Beschwerdeführerin indes ein fehlendes Privatinteresse an der Erteilung einer Bestätigung gemäß § 40 Abs. 3 MRG nicht darzutun. Es liegt im Gegenteil auf der Hand, daß die von ihr im Namen der Hauseigentümer beantragte Erteilung einer Bestätigung über die Erfolglosigkeit des Vergleichsversuches vor der Schlichtungsstelle insofern im privaten Interesse lag, als mit einer solchen Bestätigung die Möglichkeit zur Anrufung des Gerichtes eröffnet wurde. Es liegt daher ein Fall vor, in dem nach Lehre und Rechtsprechung ein privates Interesse angenommen wird, weil der Einschreiter bei Erfüllung des gestellten Begehrens irgendeinen ideellen oder materiellen Vorteil erreicht oder zu erreichen erhofft, wobei es für die Erhebung der Eingabengebühr unerheblich ist, ob mit der überreichten Eingabe wissentlich oder unwissentlich auch öffentliche Interessen berührt werden bzw., ob neben einem teilweisen Privatinteresse auch ein öffentliches Interesse an der mit der Eingabe verfolgten Angelegenheit besteht (vgl. hiezu auch Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum Gebührengesetz, Tz 5 zu § 14 TP 6, und die dort zitierten hg. Erkenntnisse).
Dem Gleichheitsbedenken der Beschwerdeführerin ist entgegenzuhalten, daß die Regelung des Gebührengesetzes, derzufolge alle Eingaben von Privatpersonen an Organe der Gebietskörperschaften in Angelegenheiten ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises einer Eingabengebühr unterworfen sind, wenn nicht eine Gebührenbefreiung (wie z.B. die gemäß § 14 TP 6 Abs. 5 Z. 1 GebG 1957 oder die gemäß § 39 Abs. 5 MRG) Anwendung findet, durchaus sachlich erscheint. Zumindest liegt angesichts des Umstandes, daß sich eine unterschiedliche Behandlung der Rechtsunterworfenen bloß als Folge nicht unsachlicher Zuständigkeitsvorschriften ergibt und die Eingabengebühr mit S 120,-- keine übermäßige Höhe aufweist, kein Exzeß des Gesetzgebers vor. Die Regelung hält sich daher im Rahmen des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes. Eine den Wortlaut des § 14 TP 6 Abs. 1 GebG 1957 berichtigende (einschränkende) Auslegung aus verfassungsrechtlichen Gründen (Gleichheitsgrundsatz) kommt daher - anders als dies der Beschwerdeführerin vorzuschweben scheint - nicht in Betracht.
Die Beschwerdeführerin meint in ihrer Beschwerde weiters, im vorliegenden Fall sei der Tatbestand des § 39 Abs. 5 MRG erfüllt. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
"(5) Die im Verfahren vor der Gemeinde erforderlichen Schriften und die vor ihr abgeschlossenen Vergleiche sind von Stempel- und Rechtsgebühren befreit."
Diese Bestimmung erscheint dem Verwaltungsgerichtshof aus dem von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angeführten Argument nicht anwendbar, da die Eingabe der Beschwerdeführerin nicht "im Verfahren vor der Gemeinde" erforderlich war. Das folgt daraus, daß die mit der Eingabe begehrte Bestätigung keinesfalls für irgendwelche Zwecke der Beschwerdeführerin vor der Gemeinde benötigt wurde, sondern für Zwecke des sich daran anschließenden Gerichtsverfahrens. Die von der Beschwerdeführerin vertretene Rechtsansicht findet daher auch im äußersten Wortsinn der in Rede stehenden Befreiungsvorschrift keine Deckung.
Die Festsetzung einer Gebührenerhöhung im Ausmaß von 50 Prozent der Stempelgebühr gemäß § 9 Abs. 1 GebG 1957 wird lediglich mit dem Argument, die Eingabengebührenfestsetzung sei rechtswidrig bekämpft, eine solche Rechtswidrigkeit liegt aber nach dem eben Gesagten nicht vor.
Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.