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VwGH vom 01.09.1999, 99/16/0104

VwGH vom 01.09.1999, 99/16/0104

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

99/16/0103 E

99/16/0105 E

99/16/0106 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der D Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. Arnold, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , GZ 7-483-28/99-1, betreffend Aussetzung der Entscheidung über eine Berufung in einer Getränkesteuerangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde als Abgabenbehörde erster Instanz Getränkeabgabe für Jänner 1995 bis Juli 1998 fest. Gleichzeitig wurde der Antrag auf Rückerstattung der für diesen Zeitraum entrichteten Getränkeabgabe abgewiesen.

Mit einem weiteren Bescheid vom wurde Getränkeabgabe für Jänner bis Juli 1998 festgesetzt und ein Rückzahlungsantrag hinsichtlich dieser Abgabe abgewiesen.

Mit Schriftsätzen vom 21. September und wurde gegen diese Bescheide Berufung erhoben.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom wurde hierauf die Entscheidung über diese Berufungen gemäß § 211 iVm § 18 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung ausgesetzt.

In einer Eingabe vom wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei "mit einer formellen Aussetzung des Verfahrens nicht einverstanden", da dabei nicht gewährleistet sei, dass die Beschwerdeführerin "im Falle eines positiven Ausganges" des anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens in den Genuss der "Anlassfallwirkung" komme. Aus verwaltungsökonomischen Gründen sei die Beschwerdeführerin jedoch mit einer "formlosen Aussetzung" des Verfahrens bis zum Vorliegen der Entscheidung über das anhängige Vorabentscheidungsverfahren einverstanden.

Die belangte Behörde fasste die Eingabe vom als Vorstellung auf; sie gab dieser Vorstellung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. In der Begründung verwies die belangte Behörde darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Zlen 97/16/0221, 0021, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Frage der EU-Konformität der Getränkeabgabe vorgelegt habe. Mit Beschluss vom selben Tag zu Zl 97/16/0328 habe der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren gemäß § 62 Abs 1 VwGG iVm § 38 AVG ausgesetzt. Lägen wie im Beschwerdefall zur gleichen Rechtsfrage gleich lautende Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vor, welche die Beschwerdeverfahren bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH aussetzen, so sei davon auszugehen, dass Zweckmäßigkeitserwägungen iZm der Prozessökonomie die möglichen Parteiinteressen überwiegen. Dazu komme noch, dass aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Frage, ob innerstaatliches Recht durch Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes verdrängt wurde, keine neuen Gesichtspunkte abzuleiten gewesen seien, die über die bereits anhängigen Verwaltungsgerichtshofbeschwerden hinausgingen. Im Beschwerdefall fehle es an einem konkret erkennbaren überwiegenden Interesse iSd § 211 Abs 1 LAO. In Ermangelung einer konkreten Darstellung von Argumenten, die im Falle einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu einer Ergänzung des Vorabentscheidungsverfahrens geführt hätten, sei davon auszugehen, dass der Verwaltungsgerichtshof den vorliegenden Abgabenfall ebenfalls ausgesetzt hätte, womit dieser Fall gar nicht "Anlassfall" eines Vorabentscheidungsverfahrens geworden wäre.

In der Beschwerde werden inhaltliche Rechtswidrigkeit dieses Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Aufhebung des Aussetzungsbescheides durch die Gemeindeaufsichtsbehörde verletzt, und zwar insbesondere wegen verfehlter Aussetzung des Verfahrens, in eventu wegen Nichtfestsetzung eines genau bestimmbaren Zeitpunktes, bis zu welchem die Entscheidung über die Berufung ausgesetzt ist, weiters wegen Nichtaufgreifens von Verstößen gegen die Rechte auf Aussetzung bis zur Entscheidung in einem konkret bezeichneten Verfahren, in eventu einem einzigen Verfahren, auf Nichtaussetzung bis zu einem über das Urteil des EuGH in der Rs C-437/97 hinausreichenden Zeitraum, auf richtige Ermessensübung in eventu auf rechtliches Gehör und deswegen, weil der Bürgermeister sowohl in erster als auch in letzter Instanz eingeschritten ist.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorgans in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben. Diese hat den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben (Art 119a Abs 5 B-VG; § 95 Steiermärkische Gemeindeordnung).

Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig oder schwebt vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, so kann die Entscheidung über diese gemäß § 211 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung idgF unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen.

Die Aussetzung der Entscheidung über eine Berufung stellt eine Ermessensentscheidung dar (vgl Ritz, BAO2, 670). Eine solche Ermessensentscheidung ist nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Zur Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung über eine Aussetzung gegeben sind, hat die Behörde zu ermitteln, ob einer Aussetzung überwiegende Interessen entgegenstehen. Zu diesem Zweck hat sie der Partei rechtliches Gehör zu gewähren (vgl Ritz, aaO).

Im Beschwerdefall wurde die Aussetzung der Entscheidung über die von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufungen vom 21. September und von der Abgabenbehörde zweiter Instanz mit Bescheid vom verfügt, ohne dass zuvor erhoben wurde, ob der Aussetzung überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen. Der Aussetzungsbescheid verletzte die Beschwerdeführerin somit in ihrem Recht auf Parteiengehör, was sich im vorliegenden Fall schon deshalb als relevant erweist, weil die Beschwerdeführerin darlegt, dass sie anstrebt, im Wege eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof "Anlassfall" zu werden. In der von der belangten Behörde als Vorstellung gegen diesen Bescheid angesehenen Eingabe hat die Beschwerdeführerin die Erklärung abgegeben, mit einer Aussetzung des Verfahrens nicht einverstanden zu sein. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Verletzung des Parteiengehörs durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz nicht wahrgenommen. Damit verstieß sie aber gegen die Anordnung des § 94 Abs 5 der Steiermärkischen Gemeindeordnung, wonach die Aufsichtsbehörde den Bescheid aufzuheben hat, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden. Damit hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid aber mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben, wobei es sich erübrigte, auf die weiteren Beschwerdeausführungen einzugehen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am