VwGH vom 18.12.1996, 94/15/0150
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der A Kommanditgesellschaft in D, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , Zl. B 14-3/94, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb sowie Gewerbesteuer für die Jahre 1989 und 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die einen Baustoffhandel in der Rechtsform einer KG betreibende und zum 28. Februar eines jeden Jahres bilanzierende Beschwerdeführerin errichtete in den Wirtschaftsjahren 1988/1989 und 1989/1990 Betriebsgebäude (eine Hallenkonstruktion für Ausstellungen und eine Lagerhalle), für welche sie Investitionsfreibeträge von S 246.271„-- (1989) und S 687.224,-- (1990) in Anspruch nahm.
Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, daß die Beschwerdeführerin die Betriebsgebäude ab an eine GmbH vermietet und von da an nur mehr teilweise unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke verwendet habe. Er sah im Hinblick darauf die Bildung des Investitionsfreibetrages für die genannten Wirtschaftsjahre als unzulässig an.
Das Finanzamt folgte in den für die Streitjahre in wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Feststellungsbescheiden gemäß § 188 BAO und in den gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Gewerbesteuerbescheiden der Rechtsansicht des Prüfers.
In der dagegen erhobenen Berufung vertrat die Beschwerdeführerin die Rechtsansicht, die nach Ablauf der in Rede stehenden Wirtschaftsjahre erfolgte Vermietung der Betriebsgebäude sei für die Berechtigung zur Bildung der strittigen Investitionsfreibeträge bedeutungslos. Maßgeblich für die Gewährung der Begünstigung seien die Verhältnisse im Herstellungszeitpunkt. Die Bedachtnahme auf spätere Verhältnisse widerspreche dem im Steuerrecht geltenden Rückwirkungsverbot.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab; dies nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage im wesentlichen mit der Begründung, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom , Zl. 82/14/0114, zum Ausdruck gebracht, daß die Berechtigung zur Bildung eines Investitionsfreibetrages nicht davon abhänge, ob im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung eines Gebäudes bereits die Absicht oder die Möglichkeit zur Vermietung bestanden habe; vielmehr sei die tatsächliche längerfristige Nutzung des Gebäudes zu produktiven Zwecken maßgebend. Da der Investitionsfreibetrag ein Instrument zur Förderung langfristig produktiver Investitionen darstelle, könne die Nutzung eines Gebäudes für produktive Zwecke innerhalb eines Zeitraumes von bloß eineinhalb Jahren und eine sich daran anschließende Vermietung den Anspruch auf den Investitionsfreibetrag nicht vermitteln; denn das Tatbestandsmerkmal "unmittelbar dem Betriebszweck dienen" im § 10 Abs. 3 EStG 1988 könne nicht zeitPUNKT-, sondern unter Bedachtnahme auf den Gesetzeszweck - Förderung langfristiger produktiver Investitionen - nur zeitRAUMbezogen verstanden werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde bringt vor, im vorliegenden Fall sei die Herstellung der später vermieteten Gebäude unbestrittenermaßen zur ausschließlichen unmittelbaren betrieblichen Nutzung der Beschwerdeführerin erfolgt. Die erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres 1989/1990 "marktbedingt und betriebswirtschaftlich notwendige" Änderung der Verwendung der Betriebsgebäude sei für die strittigen Investitionsfreibeträge ohne rechtliche Bedeutung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 94/14/0135, die Auffassung vertreten, daß sich die Beurteilung der Frage, ob der ausschließliche Betriebsgegenstand iS des § 10 Abs. 2 Z. 1 letzter Satz EStG die gewerbliche Vermietung ist, sowohl nach den Vertragsgrundlagen (Gesellschaftsvertrag, Satzung) als auch nach der tatsächlichen Geschäftsabwicklung (Geschäftsführung) richtet. Hievon ging er in seinem Erkenntnis vom , Zl. 93/13/0085, für den Geltungsbereich der Bestimmung des § 10 Abs. 3 EStG 1988 ab und vertrat nunmehr die Rechtsansicht, daß allein nach der tatsächlichen Geschäftsführung zu beurteilen ist, ob die gewerbliche Vermietung von Wirtschaftsgütern den ausschließlichen Betriebsgegenstand bildet, ohne daß es bei einer Handelsgesellschaft hiezu auf die gesellschaftsvertragliche Festlegung des Unternehmensgegenstandes ankäme. In der Betrachtung des ausschließlichen Betriebsgegenstandes komme bei Handelsgesellschaften ebenso wie bei Einzelunternehmen von vornherein "nur die in der Steuerperiode" tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als Beurteilungskriterium in Betracht.
Die Notwendigkeit zum Abstellen auf die Besteuerungsperiode ergibt sich aus dem Charakter der Einkommensteuer als Abschnittssteuer, was bedeutet, daß für Zwecke der Erhebung dieser Abgabe die IN BESTIMMTEN ZEITABSCHNITTEN VERWIRKLICHTEN TATBESTÄNDE periodisch erfaßt werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/13/0007). Dies schließt bei der Feststellung, ob ein Steuertatbestand in einer Steuerperiode erfüllt ist, eine Bedachtnahme auf erst danach verwirklichte Sachverhalte grundsätzlich aus. Eine Rechtsvorschrift, deretwegen im gegebenen Zusammenhang eine andere Beurteilung geboten erschiene, liegt nicht vor. Gegenteiliges läßt sich auch dem von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ins Treffen geführten, noch auf dem Boden des EStG 1972 ergangenen hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/14/0114, nicht entnehmen.
Ein in der "Steuerperiode" verwirklichter und daher von der belangten Behörde bei ihrer die Streitjahre betreffenden Entscheidung zu berücksichtigender Sachverhalt läge allerdings vor, wenn feststünde, daß die Beschwerdeführerin schon bei Errichtung der Betriebsgebäude die Absicht zur Vermietung dieser Wirtschaftsgüter gehabt hätte; denn aus der Umschreibung des gesetzlichen Tatbestandes in § 10 Abs. 3 EStG 1988 - daß Gebäude "unmittelbar dem Betriebszweck dienen oder für Wohnzwecke betriebszugehöriger Arbeitnehmer bestimmt sind" - muß geschlossen werden, daß es auf die mit einem Gebäude bei dessen Anschaffung oder Errichtung verfolgte Absicht zur künftigen Verwendung, wofür freilich die tatsächlichen Verhältnisse ein Indiz darstellen, ankommt (vgl. hiezu das zu § 122 Abs. 3 EStG 1972 idF des 2. AbgÄG 1977, BGBl. Nr. 645, ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/13/0002).
Ein derartiger Sachverhalt liegt aber im Beschwerdefall nicht vor, hat doch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt, daß die Beschwerdeführerin schon in den Streitjahren die Absicht zur Vermietung der Betriebsgebäude gehabt hätte; dies stimmt auch mit dem Berufungsvorbringen überein, wonach die Betriebsgebäude (ursprünglich) unmittelbar für die eigenen Betriebszwecke der Beschwerdeführerin errichtet worden seien. Auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sprechen sowohl die Beschwerdeführerin als auch die belangte Behörde von einer "Nutzungsänderung" erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres 1989/1990. Dieser Umstand stellt aber kein in den hier maßgeblichen Steuerperioden zu berücksichtigendes Sachverhaltselement dar.
Dadurch, daß die belangte Behörde nach Abschluß der genannten Wirtschaftsjahre verwirklichte Sachverhalte in ihre Beurteilung miteinbezog, verstieß sie somit gegen Grundsätze der Abschnittsbesteuerung. Auf dem Boden des unstrittigen Sachverhaltes ist auch auszuschließen, daß die Betriebsgebäude in den Streitjahren aus dem Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin ausgeschieden sind, wodurch ein Nachversteuerungstatbestand erfüllt worden wäre.
Da die belangte Behörde sohin das Gesetz verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden. Diese Entscheidung konnte im Hinblick auf die zitierte Vorjudikatur im Dreiersenat getroffen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war nur hinsichtlich der zur Beschwerdeführung notwendigen Urkunden zuzuerkennen.