VwGH vom 19.10.1992, 91/15/0017
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde der A GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7 - 1556/1/90, betreffend Nachsicht eines Säumniszuschlages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hatte die am fällige Umsatzsteuer-Vorauszahlung in der Höhe von S 3,042.548,-- nicht termingerecht geleistet. Ein Ansuchen um Zahlungserleichterung hatte ihr steuerlicher Vertreter am (und somit im Sinne des § 218 Abs. 1 erster Halbsatz BAO in der damals in Geltung stehenden Fassung - um einen Tag - verspätet) zur Post gegeben.
Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom Säumniszuschlag in Höhe von S 60.850,-- fest.
Die Beschwerdeführerin begehrte daraufhin, den Säumniszuschlag nachzusehen, weil es sich bei der verspäteten Absendung des Ansuchens um Zahlungserleichterung um einen entschuldbaren bedauerlichen Fehler handle und die Beschwerdeführerin ihren Zahlungsverpflichtungen bisher pünktlich nachgekommen sei.
Das Finanzamt wies das Nachsichtansuchen mit der Begründung ab, die Einhebung des Säumniszuschlages könne - ausgehend von dem im Ansuchen vorgetragenen Sachverhalt - nicht als unbillig angesehen werden.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, das Finanzamt habe in keiner Weise das bisherige Verhalten des Abgabepflichtigen gemessen an den betreffenden abgabenrechtlichen Vorschriften berücksichtigt. Da es sich um eine Ermessensentscheidung handle, wären auch die Momente der subjektiven Billigkeit zu berücksichtigen gewesen. Diese Momente, nämlich (zusammenfassend) die bisherige pünktliche Einhaltung sämtlicher abgabenrechtlichen Pflichten, sprächen durchwegs für die Beschwerdeführerin.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend vertrat sie nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage im wesentlichen die Auffassung, die Beschwerdeführerin habe das Versäumnis ihres Bevollmächtigten zu vertreten, wobei sie diesem gegenüber Regreßansprüche geltend machen könne. Bei der Fristversäumung handle es sich um keinen Umstand, der eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO begründen könnte. Für eine Ermessensentscheidung sei kein Raum gewesen, weil bereits die Unbilligkeit der Einhebung zu verneinen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 90/15/0015).
Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde bereits die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung verneint.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Einhebung im allgemeinen voraus, daß die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einhebung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben (vgl. die bei Stoll, Bundesabgabenordnung Handbuch 583, angeführte Rechtsprechung). Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein. Einen Sachverhalt, der für die Qualifikation als persönliche Unbilligkeit (vgl. hiezu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/15/0088) in Betracht käme, hat die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht. Es ist daher ausschließlich zu untersuchen, ob der vorgetragene Sachverhalt geeignet ist, eine sachliche Unbilligkeit zu erweisen.
Sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodaß es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/15/0088, und vom , Zl. 90/13/0208).
Auch eine sachliche Unbilligkeit im Sinne der oben dargelegten Grundsätze liegt im Beschwerdefall nicht vor. Nach § 217 Abs. 1 erster Satz BAO in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung tritt mit Ablauf des Fälligkeitstages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein, wenn eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung nicht gemäß Abs. 2 bis 6 oder § 218 hinausgeschoben wird. Zu dieser Vorschrift hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, daß der Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages allein davon abhängt, daß eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird. Die Vorschrift berücksichtigt somit nicht die Gründe, aus welchen im Einzelfall eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wurde. Damit hat der Gesetzgeber dargetan, daß er die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, im Anwendungsbereich des § 217 Abs. 1 BAO grundsätzlich als unmaßgeblich erachtet hat (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/15/0102).
Es kann somit nicht davon gesprochen werden, daß schon der Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages eine Unbilligkeit in sich schließe.
Von der zeitgerechten und wirksamen Entrichtung der Abgabenschuld abgesehen, kann die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages durch ein Ansuchen um Zahlungserleichterung im Sinne des § 218 BAO vermieden bzw. hinausgeschoben werden.
§ 218 Abs. 1 erster Satz BAO in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung lautet:
"Wird ein Ansuchen um Zahlungserleichterungen (§ 212 Abs. 1) spätestens eine Woche vor Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist eingebracht und wird diesem Ansuchen stattgegeben, so tritt vor Ablauf des Zeitraumes, für den Zahlungserleichterungen bewilligt wurden, die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages erst dann ein, wenn infolge eines Terminverlustes (§ 230 Abs. 5) ein Rückstandsausweis (§ 229) ausgestellt wird".
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß die Einhebung eines Säumniszuschlages nicht schon deshalb unbillig erscheint, weil den Steuerschuldner an der verspäteten Entrichtung der Abgabe bzw. der verspäteten Postaufgabe eines Ansuchens um Zahlungserleichterung kein Verschulden trifft und das Verschulden seiner Angestellten, seines steuerlichen Vertreters bzw. der Angestellten seines steuerlichen Vertreters gering war (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 82/14/0238, vom , Zl. 83/15/0046, vom , Zl. 86/16/0015, und vom , Zl. 88/15/0102).
Davon ausgehend zeigen die Beschwerdeausführungen, sowohl die Beschwerdeführerin als auch deren steuerlicher Vertreter hätten alles vorgekehrt, um die Festsetzung eines Säumniszuschlages zu vermeiden, keine Unbilligkeit in der Einhebung des Säumniszuschlages auf.
Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, im Beschwerdefall sei ein atypischer Vermögenseingriff erfolgt, weil ein Säumniszuschlag in der Höhe von 2 % - ausgehend von einer Fristüberschreitung von einem Tag - einem jährlichen Zinssatz von 730 % entspreche.
Diese Darlegungen sind schon deshalb nicht zielführend, weil weder § 217 Abs. 1 BAO den Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages (der - im übrigen die Festsetzung und nicht die Einhebung betreffende - Sonderfall des § 221 Abs. 1 BAO liegt hier nicht vor) noch § 219 BAO dessen Höhe von der Dauer des Verzuges abhängig macht. Daß der Säumniszuschlag bei kurzer Dauer des Verzuges somit einer höheren "Verzinsung" des geschuldeten Abgabenbetrages entspricht als bei längerer Dauer, ist eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage und vermag daher keine Unbilligkeit zu begründen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom ,
Zlen. 88/13/0199, 0200).
Im übrigen verkennen die oben wiedergegebenen, von einem lediglich einen Tag andauernden Verzug ausgehenden Darlegungen, daß (nur) ein im Sinne des § 218 Abs. 1 BAO rechtzeitig eingebrachtes Ansuchen um Zahlungserleichterungen lediglich den Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages hindert, aber nicht den schon eingetretenen Zahlungsverzug beendet. Die von der Beschwerdeführerin angeführten Berechnungen gehen somit auch von unzutreffenden Annahmen aus. Daß die Entrichtung eines Säumniszuschlages gemessen an der tatsächlichen Dauer des Verzuges zu einem unverhältnismäßigen Vermögenseingriff geführt hätte, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.