VwGH 04.09.2003, 2003/21/0082
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Da gegen die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme gemäß § 70 Abs 3 AVG eine abgesonderte Berufung nicht zulässig ist, hat die Rechtsmittelbehörde bei Erledigung eines Rechtsmittels gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Bescheid zur Sache zu prüfen, ob die Rechtsmittelausführungen nicht auch die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme bekämpfen. Daß es dabei keinen Unterschied macht, ob die Wiederaufnahme des Verfahrens in Bewilligung eines Antrages nach § 69 Abs 1 AVG oder gemäß § 70 Abs 3 AVG von Amts wegen erfolgte, bringt das Gesetz mit seiner in § 70 Abs 3 zweiter Satz AVG getroffenen Wortwahl der "Bewilligung" ODER "Verfügung" in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zum Ausdruck. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 89/05/0231 B RS 2
(hier nur erster Satz) |
Norm | AVG §66 Abs4; |
RS 2 | Die den Entscheidungsspielraum der Berufungsbehörde begrenzende Sache iSd § 66 Abs 4 AVG ist nicht jene, welche in erster Instanz in Verhandlung war, sondern die, die durch den (Spruch des) erstinstanzlichen Bescheid(es) begrenzt ist (hier: Rückforderung von Gehalt, das nach verschiedenen, typisierten Tatbeständen ausgezahlt worden ist, stellt je Tatbestand eine eigene "Sache" dar: Überstundenentgelte für Bürotage, Journaldienste, gesellschaftliche Veranstaltungen, Reisegebühren für Dienstverrichtungen im Dienstort). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 93/12/0113 E RS 1
(hier ohne den Hierzusatz) |
Normen | FrG 1997 §12; FrG 1997 §16 Abs1; FrG 1997 §7; |
RS 3 | Die Abweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels beendet nicht wie die Ungültigerklärung nach § 16 Abs. 1 FrG 1997 die bis dahin bestehende Rechtmäßigkeit eines Aufenthaltes (Hinweis E , 96/19/3069; E , 93/18/0322; ergangen zum FrG 1993). |
Normen | |
RS 4 | Die "Sache" des Berufungsverfahrens ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der Behörde erster Instanz gebildet hat. Entscheidet eine Behörde zweiter Instanz in einer Angelegenheit, die nicht Gegenstand der Entscheidung der Behörde erster Instanz gewesen ist, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde und ist der Berufungsbescheid insoferne mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet. (Hier hat die belBeh die Fremde über den Gegenstand des Verfahrens "ab " hinaus wegen ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet vom " bis " gem § 82 Abs 1 Z 4 FrG 1993 iVm § 15 Abs 1 FrG 1993 bestraft.) |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 97/21/0647 E RS 1
(Hier: Die durch die Erstbehörde ausgesprochene Ungültigerklärung
der Niederlassungsbewilligung und die durch die Berufungsbehörde
vorgenommene Abweisung des Antrages auf Erteilung der
Erstniederlassungsbewilligung unterscheiden sich nicht nur in
ihrem Inhalt, sondern auch in ihren Wirkungen, weshalb nicht
dieselbe Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG vorliegt.) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom , Zl. Fr-265/02, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im bekämpften Umfang (Spruchpunkte I., III. und IV.) wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist seinen Angaben zufolge am illegal nach Österreich gekommen. Er stellte am unter dem Namen S O, mit der Behauptung einen Asylantrag, Staatsbürger von Sierra Leone zu sein und dort verfolgt zu werden. Dieser Asylantrag wurde letztlich mit dem am in Rechtskraft erwachsenen Berufungsbescheid als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Bereits davor war der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Gerichtsurteil vom wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 2 Z 2 Suchtmittelgesetz zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt worden. Im Hinblick darauf wurde gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid vom ein (bis befristetes) Aufenthaltsverbot erlassen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers am zugestellten Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hatte seinen Angaben zufolge Österreich bereits davor, nämlich im April 2000, verlassen und war in die Republik Irland gereist, wo er ebenfalls einen Asylantrag stellte. Am heiratete der Beschwerdeführer dort unter Verwendung seines (angeblich richtigen) Namens S S, Staatsangehöriger von Nigeria, und unter Vorlage entsprechender Urkunden Birgit T., eine österreichische Staatsbürgerin, die er nach seinen Angaben bereits im Jänner 1999 in Österreich kennen gelernt hatte. Über Vermittlung seines Cousins, dem er - so behauptet der Beschwerdeführer - ein Formular und Fotos geschickt habe, sei dem Beschwerdeführer von den zuständigen nigerianischen Behörden ein Reisepass ausgestellt und ihm nach Dublin per Post gesendet worden.
In der Folge stellte der Beschwerdeführer den am bei der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See eingelangten "Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck Angehöriger". In Stattgebung dieses Antrages wurde dem Beschwerdeführer am (in Form einer im Reisepass angebrachten Vignette) eine (Erst)Niederlassungsbewilligung bis mit dem Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" erteilt. In der Folge reiste der Beschwerdeführer nach Österreich, wo er in Neusiedl am See mit seiner Ehegattin lebt und seit gemeldet ist. Auf Antrag des Beschwerdeführers vom wurde ihm am eine weitere, bis befristete Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweck erteilt.
Ende Jänner 2002 entstanden - auf Grund hier nicht weiter relevanter Umstände - Zweifel, ob der oben erwähnte nigerianische Reisepass echt sei. Ein in der Folge eingeholter "Urkundenprüfbericht" vom kam zu dem Ergebnis, dass es sich um ein "mittels Lichtbildaustausch verfälschtes Dokument" handle. Im Hinblick auf eine danach angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers gestand er mit Schreiben seines Rechtsvertreters vom zu, bereits unter dem oben angeführten Namen als angeblicher Staatsangehöriger von Sierra Leone in Österreich um Asyl angesucht zu haben. Auf Vorhalt gab der Beschwerdeführer in der Niederschrift vom auch an, er habe zwar gewusst, dass gegen ihn ein Aufenthaltsverbot bestehe, nicht aber davon, "dass es schon rechtskräftig ist".
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom (OZl. 42) wurde gemäß § 69 Abs. 3 AVG "die Wiederaufnahme des Verfahrens zum Antrag vom und vom auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung verfügt". Begründend führte die Erstbehörde aus, durch die kriminaltechnische Untersuchung sei die Verfälschung des Reisepasses des Beschwerdeführers festgestellt worden und im Zuge des weiteren Ermittlungsverfahrens sei hervorgekommen, dass gegen den Beschwerdeführer (unter anderem Namen) ein "unbefristetes" (nach der Aktenlage richtig: mit zehn Jahren befristetes) Aufenthaltsverbot verhängt worden sei. Die Verfahrenswiederaufnahme sei somit notwendig, weil neue Beweismittel hervorgekommen seien, welche für die Entscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels von maßgeblicher Bedeutung seien.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom selben Tag (OZl. 43) wurde im Spruchpunkt I. der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 Z 3 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen und im Spruchpunkt II. der "Einreise- bzw. Aufenthaltstitel vom gültig bis " gemäß § 16 Abs. 1 iVm § 10 FrG für ungültig erklärt. Zur Begründung verwies die Erstbehörde auf die "neuen Erkenntnisse" (Verfälschung des Reisepasses, Vorliegen eines Aufenthaltsverbotes) und folgerte, deshalb lägen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht vor.
Gegen diese beiden Bescheide (OZl. 42 und OZl. 43) erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom fristgerecht Berufung.
Der Berufung wurde, soweit sie sich gegen den - in der Sache der wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen - Bescheid OZl. 43 richtet, vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom stattgegeben und der genannte Bescheid ersatzlos behoben. Die Erstbehörde habe nämlich zu Unrecht gemäß § 89 Abs. 1 FrG als vom Landeshauptmann ermächtigte Niederlassungsbehörde entschieden, obwohl gemäß § 89 Abs. 2 Z 1 FrG für Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen für den Beschwerdeführer als Angehörigen einer Österreicherin die Bezirksverwaltungsbehörde als "Fremdenpolizeibehörde" zuständig gewesen wäre. Die Erstbehörde werde daher in dieser Funktion neuerlich eine Sachentscheidung zu treffen haben.
(In Ansehung des vom Bundsminister für Inneres nicht erledigten Teiles der Berufung vom erfolgte die Vorlage an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland. Zur Erledigung dieser Berufung, soweit sie sich somit gegen den die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid der Erstbehörde vom (OZl. 42) richtet, ist auf das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/21/0023, zu verweisen.)
Mit dem in der Folge erlassenen Ersatzbescheid der Erstbehörde vom (OZl. 54) wurde - inhaltsgleich wie mit dem aufgehobenen Bescheid OZl. 43 im ersten Rechtsgang - im Spruchpunkt I. der Antrag vom auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 Z 3 FrG abgewiesen und im Spruchpunkt II. der "Einreise- bzw. Aufenthaltstitel vom gültig bis " gemäß § 16 Abs. 1 iVm § 10 FrG für ungültig erklärt. Abgesehen davon, dass in diesem Bescheid kein Hinweis mehr aufgenommen wurde, wonach erkennbar wäre, die Erstbehörde wolle (wiederum) als vom Landeshauptmann ermächtigte Niederlassungsbehörde entscheiden, entspricht die Begründung jener im Bescheid vom (OZl. 43).
Gegen diesen Bescheid OZl. 54 erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom Berufung.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland (der belangten Behörde) vom sprach diese zu Spruchpunkt I.
aus, dass der Berufung gegen den Bescheid der Erstbehörde vom (OZl. 42) gemäß § 66 Abs. 4 AVG teilweise stattgegeben und dieser erstinstanzliche Bescheid insoweit aufgehoben werde, als er sich auf die Wiederaufnahme des Verfahrens zum Antrag vom bezieht, und dass hinsichtlich der die Verfahrenswiederaufnahme zum Antrag vom betreffenden Verfügung die Berufung abgewiesen werde. Im Spruchpunkt II. wurde der Berufung gegen den Bescheid der Erstbehörde vom (OZl. 54) gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattgegeben und "der erstinstanzliche Bescheid" aufgehoben. Im Spruchpunkt III. stellte die belangte Behörde gemäß § 16 Abs. 2 FrG fest, dass die dem Beschwerdeführer (auf Antrag vom ) am mit Gültigkeit bis erteilte Erstniederlassungsbewilligung auf Grund des gegen den Beschwerdeführer erlassenen Aufenthaltsverbotes "(rechtskräftig seit )" ungültig sei. Im Spruchpunkt IV. wies die belangte Behörde schließlich den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung vom "" (gemeint ) gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 10 Abs. 1 Z 1 FrG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Zum Spruchpunkt I (Teilweise Stattgebung der Berufung gegen den "Wiederaufnahmebescheid" OZl. 42 und insoweit Aufhebung dieses Bescheides sowie teilweise Abweisung dieser Berufung):
Im Rahmen der Begründung zu diesem Spruchpunkt verwies die belangte Behörde zunächst darauf, dass sie mit Bescheid vom die Berufung des Beschwerdeführers vom gegen den die Verfahrenswiederaufnahme verfügenden Bescheid der Erstbehörde vom (OZl. 42) zurückgewiesen hat. Entgegen den Beschwerdeausführungen kann der belangten Behörde unter diesen Umständen nicht unterstellt werden, sie habe mit Spruchpunkt I des hier angefochtenen Bescheides noch einmal über diese Berufung - nunmehr meritorisch - entscheiden wollen. Vielmehr hat sie - wie sich aus der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens ergibt - die gegenständliche Berufung vom dahin verstanden, dass sie sich nicht nur gegen den "(Ersatz)Sachbescheid" OZl. 54, sondern auch gegen den "Wiederaufnahmebescheid" OZl. 42 richtet.
Es trifft zwar zu, dass die Rechtsmittelbehörde bei Erledigung eines Rechtsmittels gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Bescheid zur Sache zu prüfen hat, ob die Rechtsmittelausführungen nicht auch die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme bekämpfen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/05/0231). Eine solche (wiederholte) Berufung wäre aber im vorliegenden Fall unzulässig und verfristet (vgl. dazu die Erwägungen in dem bereits erwähnten, auch den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/21/0023). Abgesehen davon, dass man dem Beschwerdeführer, der ja von der Zulässigkeit seiner ersten Berufung vom gegen den "Wiederaufnahmebescheid" OZl. 42 ausgegangen ist und für den jedenfalls im Zeitpunkt der Erhebung der gegenständlichen Berufung kein Anlass bestand, neuerlich auch ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid zu erheben, eine solche unzulässige Vorgangsweise nicht ohne weiteres unterstellen kann, lässt sich die gegenständliche Berufung vom ihrem Inhalt nach auch nicht in dem von der belangten Behörde angenommenen Sinn deuten. Sowohl nach der Anfechtungserklärung als auch nach den Berufungsanträgen richtet sich dieses Rechtsmittel - auch unter Bedachtnahme auf seine Begründung - eindeutig nur gegen den Bescheid der Erstbehörde vom , OZl. 54. Da die belangte Behörde somit über eine Berufung (meritorisch) entschieden hat, die gar nicht erhoben wurde, hat sie ihren Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG belastet (vgl. in diesem Sinn etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 97/19/1776, und vom , Zl. 2001/17/0111, ua).
Zum Spruchpunkt II. (Stattgebung der Berufung gegen den in den wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Ersatzbescheid OZl. 54 und Aufhebung dieses Bescheides):
Vorweg ist der belangten Behörde beizupflichten, dass dem Erstbescheid OZl. 54 - wie bei der obigen Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens erwähnt - keine Anhaltspunkte dahin (mehr) zu entnehmen sind, die Erstbehörde habe (wie im ersten Rechtsgang) als vom Landeshauptmann ermächtigte Niederlassungsbehörde gemäß § 89 Abs. 1 FrG entscheiden wollen. Sie hat diesen Bescheid vielmehr ausreichend erkennbar als "Fremdenpolizeibehörde" im Sinne des § 89 Abs. 2 Z 1 FrG erlassen.
Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass von der im Spruchpunkt II vorgenommenen Aufhebung nur Spruchpunkt I des erstinstanzlichen Bescheides vom , OZl. 54, betroffen sein sollte. Nach dem Wortlaut dieses Spruchteiles im angefochtenen Bescheid ("... stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben.") könnten davon zwar auch beide Spruchpunkte des Bescheides der Erstbehörde erfasst sein. Der sonstige Inhalt des angefochtenen Bescheides lässt es aber ausgeschlossen erscheinen, dass die belangte Behörde tatsächlich auch die (ersatzlose) Aufhebung des Spruchpunktes II des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem der "Einreise- bzw. Aufenthaltstitel vom " gemäß § 16 Abs. 1 FrG für ungültig erklärt wurde, beabsichtigt hat. Dagegen spricht vor allem, dass sie im Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides über den diesem Aufenthaltstitel zugrunde liegenden Antrag in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG im abweisenden Sinn abgesprochen hat. Auch die Begründung zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides bezieht sich ausschließlich auf Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides OZl. 54. Mit der dort vorgenommenen Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers vom auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung sei - so die belangte Behörde -
"über einen Sachverhalt abgesprochen" worden, "für den eine Wirkung ex lege vorgesehen ist". Für den Fall, dass ein Aufenthaltsverbot nach Erteilung eines Aufenthaltstitels durchsetzbar werde, bestimme nämlich § 16 Abs. 2 FrG, dass der Aufenthaltstitel, in concreto die Erstniederlassungsbewilligung, ungültig werde. Deshalb sei - so sind die Ausführungen der belangten Behörde zu verstehen - insoweit im Spruchpunkt III. eine Feststellung über die Ungültigkeit der am erteilten Erstniederlassungsbewilligung vorzunehmen und die von der Erstbehörde vorgenommene Abweisung des zugrunde liegenden Antrages vom (ersatzlos) aufzuheben gewesen.
Demgegenüber findet sich im angefochtenen Bescheid - wie erwähnt - keine Begründung für eine Aufhebung des Spruchpunktes II. des erstinstanzlichen Bescheides OZl. 54. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides kann daher nur so verstanden werden, dass damit Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides OZl. 54 nicht aufgehoben (ersatzlos behoben) werden, sondern in Verbindung mit Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides abgeändert werden sollte. Das ergibt sich auch aus der Begründung zu Spruchpunkt IV., wonach der Antrag vom infolge Ungültigkeit der davor erteilten Niederlassungsbewilligung als Antrag auf Ausstellung einer Erstniederlassungsbewilligung zu verstehen sei, dem im Hinblick auf das aufrechte Aufenthaltsverbot nicht stattgegeben werden könne.
Den Beschwerdeausführungen ist aber nicht zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer durch die im Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vorgenommene - wie dargestellt nur den Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides OZl. 54 betreffende - Aufhebung beschwert erachtet. Eine insoweit bewirkte Rechtsverletzung ist auch nicht zu erkennen. Der Inhalt der Beschwerde ist daher dahin zu verstehen, dass Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gar nicht bekämpft wird.
Zum Spruchpunkt III. (Ungültigerklärung der am erteilten Niederlassungsbewilligung):
In diesem Spruchteil hat die belangte Behörde ausgehend von ihrer Ansicht, dass das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erst am , sohin nach Erteilung der Erstniederlassungsbewilligung am , durchsetzbar geworden sei, in Anwendung des § 16 Abs. 2 FrG die Ungültigkeit dieses Aufenthaltstitels festgestellt. Die Frage der Zulässigkeit eines derartigen Feststellungsbescheides und, ob dieser Ausspruch in der genannten Bestimmung überhaupt eine hinreichende Grundlage hätte, bedarf hier keiner weiteren Erörterung (vgl. dazu aber die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 203 ff, wiedergegebenen Rechtssätze aus der Judikatur).
Aufgrund der beabsichtigten Beseitigung des die Wiederaufnahme des Verfahrens zum Antrag vom verfügenden Bescheides OZl. 42 (vgl. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) in Verbindung mit der ersatzlosen Behebung der im Bescheid OZl. 54 vorgenommenen Abweisung dieses Antrages (vgl. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) wird deutlich, dass die belangte Behörde insoweit keine abändernde Entscheidung treffen wollte. Vielmehr hat sie als Berufungsbehörde erstmals einen Feststellungsbescheid über die (ihrer Ansicht nach im Hinblick auf das Aufenthaltsverbot von Gesetzes wegen nachträglich eingetretene) Ungültigkeit der Erstniederlassungsbewilligung vom erlassen. Eine Zuständigkeit der Behörde zweiter Instanz zur Erlassung eines solchen Bescheides kann dem Gesetz aber jedenfalls nicht entnommen werden. Die belangte Behörde belastete daher den angefochtenen Bescheid auch in diesem Spruchpunkt mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit.
Zum Spruchpunkt IV. (Abweisung des Antrages vom auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung):
Dazu ist zunächst auf die Ausführungen zum Spruchpunkt II zu verweisen. Hat die belangte Behörde demnach - wie sich aus der Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG zu ergeben scheint - im Spruchpunkt IV. abändernd entscheiden wollen, dann hat sie sich aber außerhalb der "Sache" des Berufungsverfahrens bewegt. "Sache" des Berufungsverfahrens ist nämlich die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat. Die den Entscheidungsspielraum der Berufungsbehörde begrenzende "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG ist nicht jene, welche in erster Instanz in Verhandlung war, sondern die, welche durch den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides begrenzt ist (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 111 f und E 131 ff zu § 66 AVG).
Die Behörde erster Instanz hat im Spruchpunkt II. des Bescheides OZl. 54 im wieder aufgenommenen Verfahren über den Antrag vom ausgesprochen, dass der (in Stattgebung dieses Antrages) erteilte, bis befristete "Einreise- bzw. Aufenthaltstitel vom " gemäß § 16 Abs. 1 iVm § 10 FrG für ungültig erklärt werde. Demgegenüber hat die belangte Berufungsbehörde im Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides den diesem Aufenthaltstitel zugrundeliegenden Antrag abgewiesen. Die Abweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels beendet aber nicht wie die Ungültigerklärung nach § 16 Abs. 1 FrG die bis dahin bestehende Rechtmäßigkeit eines Aufenthaltes (siehe das zur vergleichbaren Bestimmung des § 11 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1992 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/19/3069; vgl. in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/18/0322). Die durch die Erstbehörde ausgesprochene Ungültigerklärung der erwähnten Niederlassungsbewilligung und die durch die Berufungsbehörde vorgenommene Abweisung des zugrundeliegenden Antrages unterscheiden sich daher nicht nur in ihrem Inhalt, sondern auch in ihren Wirkungen, weshalb nicht dieselbe Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG vorliegt. Der Berufungsbescheid ist daher auch im Spruchpunkt IV. mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl. dazu Walter/Thienel, aaO. E 128).
Der angefochtene Bescheid war somit in seinen (angefochtenen) Spruchpunkten I, III. und IV. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am
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Schlagworte | Berufungsverfahren Befugnisse der Berufungsbehörde hinsichtlich Tatbestand und Subsumtion Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung) Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Besondere Rechtsgebiete Instanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide Zurückweisung Kostenbescheide Ordnungs- und Mutwillensstrafen |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2003:2003210082.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAE-62398