VwGH vom 25.06.1998, 94/15/0129
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der ML in L, vertreten duch Dr. Nikolaus Frank, Rechtsanwalt in 8940 Liezen, Hauptplatz 10, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark, Berufungssenat, vom , Zl. B 237-3/91, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1985 bis 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 1986) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 14.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gegenüber der Beschwerdeführerin im Instanzenzug Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1985 bis 1987 festgesetzt. Die belangte Behörde legte zu den im Beschwerdeverfahren wesentlichen Punkten folgendes dar:
Das Einzelunternehmen (Steuerberatungskanzlei) der Beschwerdeführerin habe zum zu bestehen aufgehört. Die Beschwerdeführerin selbst habe in ihrem Antrag auf Zuerkennung der Alterspension die Einstellung ihrer selbständigen Tätigkeit als Steuerberaterin zum bekanntgegeben. Sie habe zum selben Termin ihre Berufsbefugnis zurückgelegt und in der Folge kein Klientenverzeichnis beim Finanzamt abgegeben. Ab 1987 habe sie mit Ausnahme einer Raumpflegerin kein Personal mehr beschäftigt. Zum Stichtag seien die Büromaschinen verkauft und die Büroräumlichkeiten zur Gänze vermietet gewesen. In den Steuererklärungen ab 1987 habe sich die Beschwerdeführerin selbst als "Steuerberater em."
bezeichnet. Ab 1987 seien mit Ausnahme eines Betrages von S 2.303,40 nur noch "Honorarresteingänge" angefallen. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, es liege ein längerjähriger Überleitungszeitraum vor, weil sie schon im Jahre 1983 damit begonnen habe, ihre Klienten im Rahmen der O-GmbH zu betreuen, sei entgegenzuhalten, daß die Beschwerdeführerin selbst mehrfach betont habe, ihre persönliche Bindung zu ihren Klienten sei nie verlorengegangen und der Klientenstock - ungeachtet entsprechender Bevollmächtigungen - nie auf die O-GmbH übergegangen. Sie habe der O-GmbH immer nur "gestattet", ihre Klienten zu betreuen. Dieser von der Beschwerdeführerin behauptete "Schwebezustand" müsse jedenfalls im Zeitpunkt des Erlöschens der Berufsbefugnis geendet haben. Dieser Zeitpunkt sei somit auch als der Stichtag anzusehen, an dem der Klientenstock von der Steuerberatungskanzlei der Beschwerdeführerin auf die O-GmbH übergegangen sei. Da der Klientenstock bei Freiberuflern die wesentliche Betriebsgrundlage darstelle, stelle die Übertragung des Klientenstockes an die O-GmbH, an der die Beschwerdeführerin mit 95 % des Stammkapitals beteiligt sei, eine verdeckte Einlage dar. Die Übertragung des Betriebes an die Kapitalgesellschaft im Wege der verdeckten Einlage sei als im Hinblick auf die Wertsteigerung des Gesellschaftsanteiles zur Gewinnrealisierung führender tauschähnlicher Veräußerungsvorgang zu werten. Der gemeine Wert der Einlage stelle den Veräußerungspreis dar. Es habe somit eine Nachversteuerung der stillen Reserven (gemeiner Wert minus Buchwert des Klientenstockes) zu erfolgen. Der angeführte Übertragungsvorgang betreffend den Klientenstock stelle auch einen steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG dar. Weiters umfasse der oben dargelegte Vorgang auch das Ausscheiden des von der Einbringung nicht umfaßten Gebäudes A-Straße 38 aus dem Betriebsvermögen und damit auch eine Realisierung der auf das Gebäude entfallenden stillen Reserven. In der Frage des mit S 610.000,-- geschätzten Verkehrswertes des Gebäudes folge die belangte Behörde dem schlüssigen und unbedenklichen Sachverständigengutachten, dessen Glaubwürdigkeit die Beschwerdeführerin mit der Behauptung eines Verkehrswertes von S 0,-- nicht erschüttern könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde nur im Umfang der Entscheidung über Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 1986. Die Beschwerdeführerin erachtet sich - aus dem Inhalt der Beschwerde erkennbar - dadurch in ihren Rechten verletzt, daß ihr aus dem Titel der Übertragung des Klientenstockes an die O-GmbH Umsatz- und Einkommensteuer sowie aus dem Titel der Übernahme des Gebäudes A-Straße 38 in das Privatvermögen Einkommensteuer vorgeschrieben werde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 24 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 sind Veräußerungsgewinne Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung des ganzen Betriebes oder eines Teilbetriebes. Nach Abs. 3 leg. cit. gilt als Veräußerung auch die Aufgabe des Betriebes. Werden die einzelnen dem Betrieb gewidmeten Wirtschaftsgüter im Rahmen der Aufgabe des Betriebes veräußert, so sind die Veräußerungserlöse anzusetzen. Werden die Wirtschaftsgüter nicht veräußert, so ist der gemeine Wert im Zeitpunkt der Aufgabe anzusetzen.
Nach § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Im Zusammenhang mit der Frage der Realisierung eines Veräußerungsgewinnes bzw. eines umsatzsteuerlich relevanten Leistungsaustausches unter dem Gesichtspunkt der Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe bringt die Beschwerde vor, es werde nicht bestritten, daß das Einzelunternehmen Steuerberatungskanzlei Martha L. per zu bestehen aufgehört habe. Es habe aber nicht der Betrieb, der "Organismus" des Einzelunternehmens zu bestehen aufgehört. Die Aufgabe der Unternehmensform Einzelunternehmen sei nicht ident mit der Aufgabe des Betriebes. Die Annahme der belangten Behörde, daß der betreffend die Verfügung über den Klientenstock bestehende "Schwebezustand" mit dem Erlöschen der Berufsbefugnis geendet haben müsse, sei eine Annahme, der kein Ermittlungsergebnis zugrunde liege. Die Beschwerdeführerin habe mit der GmbH vereinbart, daß sie Vollmachtnehmer bleibe, solange ihre Prokura in der GmbH aufrecht sei. Am habe sie nach Wiedererlangung der Berufsbefugnis die Tätigkeit für ihre Klienten wieder aufgenommen.
Mit den eingangs wiedergegebenen Darlegungen, wonach "der Betrieb niemals zu bestehen aufgehört" habe, soll offenbar aufgezeigt werden, daß keine Betriebsaufgabe vorliege. Insofern ist das Beschwerdevorbringen schon deshalb nicht zielführend, weil die belangte Behörde erkennbar nicht von Betriebsaufgabe, sondern von Betriebsveräußerung ausgeht. Zwar könnte die Hervorhebung des Umstandes, daß "das Einzelunternehmen Steuerberatungskanzlei Martha L. per zu bestehen aufgehört" habe, sowie der Hinweis auf die Zurücklegung der Berufsbefugnis und die Einstellung der selbständigen Tätigkeit bei isolierter Betrachtung in der Richtung gedeutet werden, daß die belangte Behörde den Tatbestand der Betriebsaufgabe angenommen hätte. Bei Bedachtnahme auf den gesamten Inhalt der Begründung wird jedoch deutlich, daß die belangte Behörde von der Annahme einer Betriebsveräußerung in Form der Übertragung der wesentlichen Grundlagen des Betriebes der Beschwerdeführerin, des Klientenstockes, auf die O-GmbH ausgeht. Die oben dargelegten Umstände deutet die belangte Behörde offenbar nicht als einen Sachverhalt, der als Betriebsaufgabe zu qualifizieren wäre, sondern als tatsächliche Umstände, die den Tatbestand der Betriebsveräußerung verwirklichen oder als Indizien, die auf den Betriebsveräußerungstatbestand hindeuten. Der Hinweis der Beschwerde auf den Fortbestand des "Betriebes" kann daher - auch abgesehen von der in diesem Zusammenhang im Vordergrund stehenden Frage der Zurechnung eines Betriebes an eine bestimmte (natürliche oder juristische) Person - für sich alleine keine Rechtswidrigkeit aufzeigen.
Im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes - und im Hinblick auf jene Darlegungen der Beschwerde, die in die Richtung gehen, die Verfügungsmacht über den Klientenstock sei auch nach dem bei der Beschwerdeführerin verblieben - ist jedoch der in einem Fehlen von Sachverhaltsfeststellungen gelegene Mangel der Begründung des angefochtenen Bescheides aufzugreifen.
Veräußerung ist die entgeltliche Übertragung des zivilrechtlichen oder auch wirtschaftlichen Eigentums des (Teil-)Betriebes oder Mitunternehmeranteiles in der Regel durch Verkauf, Tausch, Versteigerung, Enteignung, Übernahme der Betriebsschulden ohne andere Gegenleistung oder Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft gegen Ausgabe von Gesellschaftsrechten (vgl. Doralt, EStG3, § 24, Tz 108 mwN; ebenso Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 24 Tz 6 mwN). Nach § 6 Z. 14 EStG 1988 gilt als Tausch auch die Einlage von Gesellschaftsrechten in eine Körperschaft, und zwar auch anläßlich einer Kapitalerhöhung sowie eines Nachschusses; der Wert des eingelegten Wirtschaftsgutes ergibt die Anschaffungskosten des zusätzlichen Beteiligungswertes. Dies gilt auch für verdeckte Einlagen (vgl. Doralt, aaO, § 6 Tz 61 mwN; Schuch/Quantschnigg, aaO). Für den Beschwerdefall ist hervorzuheben, daß das hier anzuwendende EStG 1972 eine dem § 6 Z. 14 EStG 1988 vergleichbare Regelung nicht enthielt. Für den zeitlichen Geltungsbereich des EStG 1972 wird im Schrifttum (vgl. Schuberth/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, § 6 Tz 14, § 24 Tz 52; Hofstätter-Reichel, Einkommensteuer-Kommentar, § 6 EStG 1972 allgemein, Tz 34, § 24 EStG 1972, Tz 7) die Auffassung vertreten, daß bei Einbringung eines Einzelunternehmens, eines Teilbetriebes oder einer Mitunternehmerschaft in eine Kapitalgesellschaft eine Gewinnrealisierung nicht eintrete, wenn bei der aufnehmenden Gesellschaft die Buchwerte fortgeführt werden und der Betrieb die wesentliche Grundlage der Kapitalgesellschaft darstellt (oder die Voraussetzungen des Art. III StruktVG vorliegen); stelle der eingebrachte Betrieb nicht die wesentliche Grundlage der Tätigkeit der Kapitalgesellschaft dar, liege stets eine Veräußerung vor, auf die die Bestimmungen des § 24 EStG 1972 anzuwenden seien.
Der angefochtene Bescheid enthält keine hinreichenden Tatsachenfeststellungen, auf deren Grundlage die Auffassung der belangten Behörde überprüft werden könnte, die Beschwerdeführerin habe ihren Betrieb (Steuerberatungskanzlei) in die O-GmbH, an der sie - was unstrittig ist - maßgeblich beteiligt war, eingebracht; ebensowenig enthält der angefochtene Bescheid eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die im zeitlichen Geltungsbereich des EStG 1972 zu prüfenden tatsächlichen Voraussetzungen der Realisierung eines Veräußerungsgewinnes vorliegen.
Im angefochtenen Bescheid wird festgestellt, die Beschwerdeführerin habe mit Wirkung vom ihre Berufsbefugnis zurückgelegt und im Antrag auf Alterspension die Einstellung ihrer selbständigen Tätigkeit als Steuerberaterin zum genannten Zeitpunkt bekanntgegeben. Sie habe ab 1987 kein Personal beschäftigt. Die Büroräumlichkeiten seien zu diesem Zeitpunkt bereits vermietet, die Büromaschinen verkauft gewesen. Ab 1987 seien keine wesentlichen Honorarzahlungen mehr eingegangen.
Ähnlich gelagerte Sachverhalte wurden in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Tatbestand der Betriebsaufgabe häufig als Indiz für die Annahme hoher Wahrscheinlichkeit, daß der Inhaber den Betrieb - insbesondere nach Beendigung eines Pachtverhältnisses - nicht mehr auf eigene Rechnung führen werde, gewertet (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , Zl. 87/13/0065, und vom , Zl. 94/13/0206).
Im vorliegenden Fall stützt die belangte Behörde die Feststellung eines Veräußerungsgewinnes nicht auf den Tatbestand der Aufgabe, sondern auf jenen der Veräußerung (durch Einbringung des Betriebes in eine Kapitalgesellschaft als verdeckte Einlage). Diese Auffassung kann aber nicht auf die soeben erörterten Feststellungen gegründet werden. Die belangte Behörde geht erkennbar davon aus, daß die Realisierung des Veräußerungsgewinnes im Zusammenhang mit der Einbringung des Betriebes in die O-GmbH im Wege des Tausches erfolgt sei. Feststellungen in Richtung eines Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäftes umfassenden Einbringungs(Übertragungs-)Vorganges fehlen jedoch. Die Veräußerung des Betriebes eines Steuerberaters erfolgt durch die "Übertragung" des Klientenstockes auf den Erwerber (vgl. z. B. das Erkenntnis vom , Zl. 91/13/0152). Das Vorliegen einer Veräußerung des Klientenstockes als der wesentlichen Grundlage einer Steuerberatungskanzlei hat der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise grundsätzlich bejaht, wenn sich der übertragende Steuerberater gegen Entgelt gegenüber dem Erwerber verpflichtet hat, die Klienten selbst nicht mehr zu betreuen, und sich zu bemühen, daß seine bisherigen Klienten zu Klienten des Erwerbers der Kanzlei werden (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 86/14/0181). Dem angefochtenen Bescheid kann nicht entnommen werden, welche - im fraglichen Veranlagungsjahr erfolgten - tatsächlichen Vorgänge die belangte Behörde als Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft ansah, das den Tatbestand der Betriebsveräußerung (durch Einbringung des Klientenstockes in die Kapitalgesellschaft im Wege verdeckter Einlage) verwirklicht hätte. Die Annahme des Veräußerungstatbestandes beruht somit nicht auf einem mängelfrei festgestellten Sachverhalt.
Ebensowenig enthält der angefochtene Bescheid Feststellungen, auf deren Grundlage gesagt werden könnte, es habe ein dem § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 zu unterstellender Leistungsaustausch stattgefunden.
Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 1986 betreffenden Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben. Auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage des gemeinen Wertes der Liegenschaft A-Straße 38 war hier nicht einzugehen, weil mangels Trennbarkeit des die Einkommensteuer des Jahres 1986 betreffenden Bescheides dieser wegen des oben dargestellten Feststellungsmangels jedenfalls zur Gänze aufzuheben war. Im übrigen beruht auch die Annahme der belangten Behörde, die Liegenschaft sei aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden, nach der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich auf der Auffassung, der "oben angeführte Vorgang" habe zwangsläufig ein Ausscheiden des von der Einbringung nicht erfaßten Gebäudes aus dem Betriebsvermögen zur Folge. Im Hinblick auf das Fehlen ausreichender Feststellungen den erwähnten "Vorgang" betreffend erweist sich auch die Annahme, das Gebäude sei ins Privatvermögen der Beschwerdeführerin übergeführt worden, als mangelhaft begründet.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere 59 Abs. 3 dritter Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.