VwGH vom 22.04.1992, 91/14/0252
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des K in B, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. 213/12-10/F-1991, betreffend Haftung gemäß den §§ 9 und 80 ff BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer einer GmbH, die ihrerseits Komplementärin einer Kommanditgesellschaft war. Über das Vermögen beider Gesellschaften wurden am der Ausgleich, am der Anschlußkonkurs eröffnet. Die Konkurse wurden am aufgehoben, hinsichtlich der KG nach Verteilung des Massevermögens, hinsichtlich der GmbH mangels Kostendeckung.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für Abgabenschuldigkeiten der KG im Gesamtausmaß von S 291.087,28 als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen. Hiebei handelte es sich um Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlag, Alkoholabgabe und Säumniszuschläge für den Zeitraum April bis August 1986.
Die belangte Behörde führte im wesentlichen aus: Die Nichteinbehaltung und Nichtabführung der Lohnsteuer, der Dienstgeberbeiträge und der Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen für die Monate Mai, Juni und Juli 1986, die jeweils vor der Eröffnung des Ausgleiches über das Vermögen der Gesellschaft fällig gewesen seien, könne nicht damit entschuldigt werden, daß die Geldmittel nicht ausgereicht hätten. Unstrittig sei, daß sich die Gesellschaft in den genannten Monaten in einer schwierigen finanziellen Lage befunden habe, die womöglich nicht mehr die Zahlung der gesamten Arbeitslöhne zugelassen habe. Unabhängig davon habe der Beschwerdeführer die Verpflichtung zur Einbehaltung der Lohnsteuer und der Dienstgeberbeiträge gehabt. Da er diese nicht spätestens am Fälligkeitstag abgeführt habe, habe er seine Pflichten als Geschäftsführer nicht erfüllt. Reichten die dem Geschäftsführer zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallenden Lohnabgaben aus und zahle der Geschäftsführer trotzdem die Arbeitslöhne in voller Höhe aus, stelle das eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO dar. Der Beschwerdeführer hätte im Fall fehlender Mittel die Verpflichtung gehabt, einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung zu bringen, sodaß die davon einbehaltenen Lohnabgaben auch abgeführt werden könnten. Das Vorbringen, der Ausgleichs- und Masseverwalter habe eine Entrichtung der Lohnabgaben untersagt, sei irrelevant, da der Beschwerdeführer bereits bei Auszahlung der Löhne für Mai, Juni und Juli 1986 abgabenrechtliche Pflichten verletzt habe.
Hinsichtlich der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Mai, Juni und August 1986 (sowie sinngemäß hinsichtlich der Abgabe von alkoholischen Getränken) werde davon ausgegangen, daß die Umsatzsteuer mit den Preisen für die erbrachten Lieferungen bezahlt worden sei und daher für die Abfuhr an das Finanzamt zur Verfügung gestanden wäre. Wenn der Beschwerdeführer nun diese Abgaben nicht abgeführt habe, weil die einzelnen Rechnungsforderungen auf Grund eines Rahmenzessionsvertrages vom August 1985 an die X-Bank abgetreten gewesen seien, liege auch darin ein abgabenrechtlich relevantes Verschulden. Trete ein Geschäftsführer sämtliche Buchforderungen mit Mantelzessionsverträgen an eine Bank zur Kreditsicherung ab, ohne Vorkehrungen dafür zu treffen, daß in den abgetretenen Buchforderungen enthaltene Umsatzsteuerbeträge dem Finanzamt abgeführt werden können, so verstoße er bereits mit Genehmigung der Zession gegen die Pflicht, die Benachteiligung von Abgabenforderungen zu vermeiden. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß der angeführte Mantelzessionsvertrag bereits vor dem Beginn der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers abgeschlossen worden sei. Die Verpfichtungen auf Grund dieses Vertrages hätten den Beschwerdeführer nämlich von Anfang an der Wahrnehmung seiner abgabenrechtlichen Pflicht, die Umsatzsteuer dem Gesetz entsprechend zu entrichten, gehindert. Der Geschäftsführer sei auf den guten Willen der Hausbank angewiesen gewesen, ob diese ihm aus den vereinnahmten Beträgen Gelder zur Entrichtung der Umsatzsteuerverbindlichkeiten zur Verfügung stelle. Dies ergebe sich schon aus der Aussage des Beschwerdeführers, wonach die Gesellschaft auf Grund der Dispositionen der Hausbank gehindert gewesen sei, verschiedene Zahlungen zu leisten. Diese Behinderung durch die Hausbank hätte der Beschwerdeführer - womöglich auch durch rechtliche Schritte - abstellen müssen. Auch hätte er seine Funktion niederlegen und als Geschäftsführer ausscheiden können. Daß er derartige Schritte unterlassen und sich schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden gezeigt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf genommen habe, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen insbesondere auch den Abgabenbehörden gegenüber unmöglich mache, stelle schon ein für die Haftung gemäß den §§ 9 und 80 BAO relevantes Verschulden dar.
Die Säumniszuschläge, die mit den Lohnabgaben für die Monate Mai, Juni, Juli 1986 und den Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für April, Mai, Juni und August 1986 zusammenhingen, seien dadurch entstanden, daß der Beschwerdeführer es unterlassen habe, die entsprechenden Abgaben zeitgerecht zu entrichten. Dem Beschwerdeführer sei vorzuwerfen, daß er diese Säumniszuschläge durch die Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten (Nichteinbehaltung der Lohnabgaben, mangelnde Vorsorge für die Entrichtung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen) entstehen habe lassen. Dieses Verhalten des Geschäftsführers sei für die Uneinbringlichkeit der angeführten Abgaben und der damit zusammenhängenden Nebengebühren kausal.
Durch diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Unterlassung der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger für Abgabenschuldigkeiten der KG verletzt. Er beantragt, die angefochtene Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, der Rahmenzessionsvertrag mit der Hausbank, der ihn an der Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten gehindert habe, sei lange vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer abgeschlossen worden. Die knebelnden Bestimmungen dieses Vertrages seien ihm erst bewußt geworden, als die Abgabenschuldigkeiten zum ersten Mal von der Bank nicht überwiesen worden seien. Rechtliche Schritte würden in der Regel erst nach Monaten Wirkung entfalten. Die sofortige Niederlegung der Geschäftsführerfunktion ohne Bestellung eines Nachfolgers hätte den Beschwerdeführer Schadenersatzansprüchen der Gläubiger ausgesetzt. Von einem Geschäftsführer könne aus haftungsrechtlicher Sicht nicht verlangt werden, daß er vor Amtsantritt sämtliche von den Vorgängern geschlossenen Verträge auf ihre zukünftige Tragweite hin überprüfe.
In seiner umfangreichen Rechtsprechung zu den §§ 9 und 80 ff BAO (vgl. die Übersichten von Hassler-Strobl, FJ 1990, 188, und Kozak, ÖStZ 1991, 74) hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, daß ein Geschäftsführer, der an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Obliegenheiten gehindert ist, entweder sofort die Behinderung der Ausübung seiner Funktion abstellen oder seine Funktion niederlegen und als Geschäftsführer ausscheiden muß, andernfalls er für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft haftet (vgl. aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom , 91/14/0117). Nichts anderes gilt im Falle der Behinderung durch die Hausbank der Gesellschaft im Zuge der Abwicklung einer mit ihr abgeschlossenen Globalzessionsvereinbarung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 85/13/0214, und vom , 89/14/0113). Daß die Vereinbarung schon vor der Bestellung des Beschwerdeführers zum Geschäftsführer abgeschlossen wurde, führt zu keiner für ihn günstigeren Beurteilung, weil ein für die Haftung gemäß den §§ 9 und 80 ff BAO relevantes Verschulden auch dann vorliegt, wenn ein Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion eine Beschränkung seiner Befugnisse in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung insbesondere auch den Abgabenbehörden gegenüber unmöglich macht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/13/0137). Der Beschwerdeführer bezeichnet es zwar als bloße Vermutung der Behörde, daß er von dieser Vereinbarung bei Übernahme seiner Funktion gewußt habe, behauptet aber auch in seiner Beschwerde nicht das Gegenteil. Entgegen seiner Ansicht hätte er jedenfalls schon vor Beginn des Haftungszeitraumes die Tragweite der Globalzessionsvereinbarung erkennen können und Vorkehrungen für eine Erfüllung der Abgabenverbindlichkeiten treffen müssen. Daß solche (vertraglichen) Vorkehrungen getroffen wurden, vermag er nicht darzutun. Wenn ihm die Konsequenzen der Vereinbarung erst anläßlich der Nichterfüllung von Abgabenschuldigkeiten bewußt geworden sein sollten, so könnte ihn auch das mangels zureichender vorheriger Informationsaufnahme nicht entschuldigen. Zu diesem Zeitpunkt hat er im übrigen weder das Hindernis beseitigt noch seine Funktion zurückgelegt. Auf die Frage der belangten Behörde, welche Gegenmaßnahmen er gegen die Vorgangsweise der Hausbank getroffen habe, konnte er nichts konkretes erwidern. Daß er sich allenfalls von der Hausbank vertrösten ließ, würde sein Verschulden nicht ausschließen, weshalb die belangte Behörde zu diesem Umstand keine Feststellungen treffen mußte. Daß rechtliche Schritte allenfalls nicht sofort Wirkung zeigen, rechtfertigt ihre Unterlassung nicht. Die Sorge für einen Nachfolger im Falle einer notwendigen Rücklegung der Geschäftsführung war nicht Sache des Beschwerdeführers, sondern der Generalversammlung der GmbH.
Hinsichtlich der nicht abgeführten Lohnsteuerbeträge ist auch auf § 78 Abs. 3 EStG 1972 zu verweisen, aus welcher Bestimmung sich ergibt, daß jede Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Beschwerdeführers mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt; es darf dann nur ein solcher Betrag zur Auszahlung gelangen, der die Abfuhr der Lohnsteuer erlaubt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 90/13/0249). Das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe selbst kein Geschäftsführergehalt bezogen, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, weshalb die belangte Behörde auch insoweit nicht verpflichtet war, Feststellungen zu treffen. Was die behauptete Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern für September und Oktober 1986 anlangt, ist zu bemerken, daß der Beschwerdeführer zur Haftung für Lohnsteuer lediglich für den Zeitraum Mai bis Juli 1986 herangezogen wurde.
Soweit sich die Haftung auf Umsatzsteuer und Abgabe von alkoholischen Getränken bezieht, bestreitet der Beschwerdeführer nicht, daß diese Abgaben mit den Entgelten für die Lieferungen oder sonstigen Leistungen vereinnahmt wurden. Sein Vorbringen, es sei in der wirtschaftlichen Praxis unvorstellbar, diese Beträge für das Finanzamt zu "reservieren", deutet auf eine Benachteiligung der Abgabenforderungen zugunsten anderer Verbindlichkeiten hin (vgl. neuerlich das Erkenntnis vom , 90/13/0249). Sollte die Abfuhr der Umsatzsteuerbeträge im Zusammenhang mit der Vereinnahmung der Rechnungseingänge durch die Hausbank der Gesellschaft als Globalzessionarin unterblieben sein, wäre hiezu auf die diesbezüglichen obigen Ausführungen hinzuweisen.
Was das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Liquiditätslage am anlangt, so ist es zwar richtig, daß die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für August 1986 erst zu diesem Zeitpunkt fällig wurde. Die betreffende Umsatzsteuer wurde aber eben bereits im August 1986 vereinnahmt und war noch vor Eröffnung des Ausgleiches abzuführen. Hinsichtlich des zugehörigen Säumniszuschlages war es entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ohne Bedeutung, daß der entsprechende Bescheid erst zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, als der gesamte Zahlungsverkehr bereits vom Ausgleichsverwalter kontrolliert wurde: Abgesehen davon, daß die Fälligkeit gemäß § 220 BAO gleichzeitig mit der Entstehung der Säumniszuschlagspflicht eintrat und es der bescheidmäßigen Festsetzung nur für die Geltendmachung des Zuschlages bedurfte, erstrecken sich persönliche Haftungen gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche (vgl. Stoll, BAO Handbuch, Seite 547). Traf den Beschwerdeführer somit die Haftung für die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung August 1986, so haftete er auch für den zugehörigen Säumniszuschlag (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 83/13/0161).
Schließlich ist noch der Rüge, der angefochtene Bescheid stelle nicht die Ergebnisse des Ermittlungsverfahren in zusammenhängender Weise dar, entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer es verabsäumt hat darzulegen, warum ein allfälliger Begründungsmangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlich sein soll.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.