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VwGH vom 25.04.1995, 91/14/0245

VwGH vom 25.04.1995, 91/14/0245

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Vereines W in E, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Bescheid der FLD für Slbg vom , Zl 131-GA6-DMe/91, betreffend Abweisung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Nach Durchführung einer Außenprüfung beim beschwerdeführenden Verein wurde diesem mit Haftungs- und Zahlungsbescheid über den Prüfungszeitraum Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen vorgeschrieben.

In einer dagegen eingebrachten Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß die Zahlungen an verschiedene, für den Verein tätige Personen zu Unrecht als Lohnzahlungen qualifiziert worden seien. Es handle sich um keine Zahlungen auf Grund "eines Dienstverhältnisses". Vielmehr seien die jeweils für den Beschwerdeführer tätig gewordenen Personen als selbständig Tätige anzusehen. Diese Personen hätten nämlich beispielsweise für die verschiedenen, vom Beschwerdeführer veranstalteten Seminare in freier Selbstbestimmung Tätigkeiten verrichtet. Beispielsweise handle es sich darum, daß die Verpflegung der Seminarteilnehmer unter freier Selbstbestimmung von den zu Unrecht als Dienstnehmer qualifizierten Personen zu verantworten sei. Da es sich bei diesen Tätigkeiten durchaus um Tätigkeiten handle, die als selbständige Tätigkeiten üblicherweise zu qualifizieren seien (zB Party-Service), sei aus der bloßen Regelmäßigkeit von Zahlungen an die erfaßten Personen keineswegs abzuleiten, daß es sich dabei um unselbständig und daher lohnsteuerpflichtig Erwerbstätige handle.

Gleichzeitig wurde gemäß § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung der vorgeschriebenen Abgaben beantragt. Das Finanzamt wies den Antrag auf Aussetzung der Einhebung mit der Begründung ab, daß die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheine. In einer dagegen eingebrachten Berufung wurde gerügt, daß der abweisende Bescheid keine Begründung enthalte, inwiefern die eingebrachte Berufung wenig erfolgversprechend erscheine.

In einer, die Berufung betreffend den Bescheid nach § 212 a BAO abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt begründend aus, daß sich bei Durchsicht der Bilanzen und Erfolgsrechnungen zeige, daß der Beschwerdeführer über eine Küchenanlage und eine entsprechende Ausstattung verfüge, sowie den Einkauf der Lebensmittel selbst vornehme. Der einzige Punkt, der auf eine Unternehmereigenschaft seiner "Hilfskräfte" verweisen könne, sei eine gewisse Selbständigkeit in der Arbeitsausübung, die sich auch aus der Struktur des "Arbeitgeberbetriebes" zwangsläufig ergebe und "sicher nicht ausreichend" sei, die für eine selbständige Tätigkeit wesentlichen Merkmale wie Unternehmerrisiko und Verwendung eigener Betriebsanlagen und Betriebsmittel zu ersetzen. Auch die Art der Tätigkeit wie Aushilfe, Reinigung und Küchendienst lasse primär auf das Zurverfügungstellen von Arbeitskraft und somit auf das Vorliegen von Dienstverhältnissen schließen.

Nach rechtzeitigem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, worin der Beschwerdeführer auf die Komplexheit der Sach- und Rechtslage verwies, wies die belangte Behörde die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid ab. Die Rechtsmittelbehörde könne sich der in der Berufung vertretenen Ansicht nicht anschließen. Wie vom Finanzamt festgestellt worden sei, habe der Beschwerdeführer Zahlungen für Aushilfe, Reinigungsarbeiten und Küchendienste (ebenfalls Aushilfen) geleistet. Derartige Arbeiten stellten somit grundsätzlich unselbständige Tätigkeiten dar. Hinsichtlich der Vergleichbarkeit mit einem Party-Service habe das Finanzamt festgestellt, daß sowohl die Kücheneinrichtung als auch der Einkauf von Lebensmitteln vom Verein vorgenommen würden, was somit ebenfalls auf unselbständige Arbeit schließen lasse, da ein wesentliches Merkmal für das Unternehmerrisiko fehle. Diesen Feststellungen des Finanzamtes halte der Beschwerdeführer lediglich entgegen, daß dies eben strittig sei, ohne jedoch Argumente, welche die "Darstellung" des Finanzamtes entkräften könnten, vorzubringen. Warum angesichts der Komplexheit der Sach- und Rechtslage diese Berufung erfolgversprechend sei, wäre seitens des Beschwerdeführers nicht begründet worden. Auf Grund der vom Finanzamt getroffenen Feststellungen, die durchaus der Lebenserfahrung entsprächen und zu denen der Beschwerdeführer, außer daß diese rein formal bestritten worden seien, bisher keine stichhaltigen Argumente vorgebracht habe, die Zweifel hinsichtlich der festgestellten unselbständigen Tätigkeit hätten aufkommen lassen, komme die Rechtsmittelbehörde zu dem Schluß, daß die Berufung in der Abgabensache als wenig erfolgversprechend anzusehen sei.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Aussetzung der Einhebung verletzt und beantragt dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte Teile der Akten des Verwaltungsverfahrens vor (eine Niederschrift oder einen Bericht über die Feststellungen und das Ergebnis der abgabenbehördlichen Prüfung enthalten die Verwaltungsakten nicht) und erstattete eine Gegenschrift, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 212a Abs 2 lit a BAO ist die Aussetzung der Einhebung im Sinne des § 212a Abs 1 BAO nicht zu bewilligen, insoweit die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint.

Verfehlt ist die Ansicht des Beschwerdeführers, daß die belangte Behörde zu gar keiner Feststellung über die offenkundige Aussichtslosigkeit der Berufung über die aus Anlaß der abgabenbehördlichen Prüfung festgesetzten Abgaben kommen habe können, weil einerseits die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt worden sei und im Aussetzungsverfahren gar nicht beurteilt werden könne, was in der mündlichen Verhandlung an Argumenten und Zeugenaussagen vorgebracht werden könne, und weil andererseits der Beschwerdeführer im Abgabenverfahren auch nicht verpflichtet sei, sämtliche Argumente, die für die Richtigkeit seiner Auffassung sprächen, bereits in der Berufung bzw jeweils zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorzubringen.

Abgesehen davon, daß eine mündliche Berufungsverhandlung nur in Verfahren vor den Berufungssenaten vorgesehen ist (vgl § 284 Abs 1 BAO), über die Berufung hinsichtlich der der Aussetzung zugrundeliegenden Abgaben jedoch kein Berufungssenat, sondern die Finanzlandesdirektion als monokratische Behörde zu entscheiden hat (vgl § 260 BAO), sodaß der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall keinesfalls darauf vertrauen kann, noch in der "beantragten" mündlichen Berufungsverhandlung entsprechende Argumente vorbringen und Beweisanträge stellen zu können, ist zwar richtig, daß die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 280 BAO auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die ihr im Laufe des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangen, Bedacht zu nehmen hat, auch wenn dadurch das Berufungsbegehren geändert oder ergänzt wird. Dies kann aber unbeschadet dieser Zulässigkeit von Neuerungen nicht bedeuten, daß die Behörde nicht zur Auffassung gelangen könnte, eine Berufung sei "offenkundig aussichtslos" bzw im Sinne des § 212a Abs 2 BAO "wenig erfolgversprechend". Vielmehr hat die belangte Behörde bei Prüfung der Voraussetzungen für eine Aussetzung der Einhebung die Erfolgsaussichten der Berufung anhand des Berufungsvorbringens zu beurteilen (vgl das hg Erkenntnis vom , 89/13/0199).

Allerdings ist es dem Gerichtshof im Beschwerdefall entzogen, die Richtigkeit der erfolgten Beurteilung der Erfolgsaussichten der Berufung durch die belangte Behörde zu überprüfen, weil dem angefochtenen Bescheid (und den vorgelegten Verwaltungsakten) nicht entnommen werden kann, welche konkreten Sachverhaltsfeststellungen anläßlich der abgabenbehördlichen Prüfung die Abgabenbehörde zur Ansicht gelangen ließen, daß jeweils Dienstverhältnisse vorlägen. In diesem Zusammenhang wird etwa auf die in der Berufungsvorentscheidung erwähnte "Struktur des Arbeitgeberbetriebes" hingewiesen, welcher Art diese Struktur ist, bleibt aber offen, zumal es sich um einen nicht näher umschriebenen Verein handelt. Weder die nur oberflächlich umschriebene Art der dem angefochtenen Bescheid entnehmbaren Tätigkeiten als solche im Rahmen des "Arbeitgeberbetriebes", noch der Umstand einer vorhandenen Kücheneinrichtung und der Ankauf von Lebensmitteln durch den Beschwerdeführer allein ist geeignet, einen Erfolg der Berufung auszuschließen. Wenngleich auch das Berufungsvorbringen nicht geeignet ist, einen Erfolg der Berufung gesichert erscheinen zu lassen, so bietet es doch Anhaltspunkte, die zumindest deren Prüfung erforderlich erscheinen lassen. Zutreffend bemerkt der Beschwerdeführer im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, daß die Unternehmereigenschaft der beschäftigten Personen, deren ohne nähere Begründung angenommenes Fehlen die Abgabenbehörde als Indiz für die Dienstnehmereigenschaft heranzieht, strittig ist.

Da die Begründung des angefochtenen Bescheides somit insgesamt nicht geeignet ist, diesen hinsichtlich der geringen Erfolgsaussichten der Berufung gegen die nachgeforderten Abgaben zu tragen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG aufzuheben, wobei diese Verfahrensmängel gemäß § 41 Abs 1 VwGG auch aufzugreifen waren, obwohl sie vom Beschwerdeführer nicht ausdrücklich gerügt wurden.