VwGH vom 22.02.1996, 94/15/0123
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde der E in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat I) vom , Zl. 74-GA3BK-MBa/92, betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer für 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin war im Streitjahr (1990) an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst "Mozarteum" in Salzburg als Lehrbeauftragte (Solo- und Klassenkorrepetition) tätig. Ihre Lehrtätigkeit im Rahmen remunerierter Lehraufträge umfaßte im Studienjahr 1990/1991 (beginnend mit ) insgesamt 14 Wochenstunden. Der Umfang der Lehrtätigkeit der Beschwerdeführerin im Studienjahr 1989/1990 ist nicht aktenkundig. Die Einkünfte der Beschwerdeführerin aus remunerierten Lehraufträgen im Jahr 1989 hatte die Abgabenbehörde als solche aus selbständiger Tätigkeit beurteilt (vgl. die - nicht den Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens bildende - Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom , Zl. 81-GA3BK-DHe/90).
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1990 erklärte die Beschwerdeführerin die Einkünfte aus ihrer Tätigkeit als Lehrbeauftragte als lohnsteuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Das Finanzamt behandelte die erwähnten Einkünfte als Einkünfte aus selbständiger Arbeit und setzte mit Bescheid vom Einkommen- und Umsatzsteuer fest.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Sie führte aus, vor kurzem sei in der Literatur die Auffassung vertreten worden, daß Lehrbeauftragte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielten, bei denen keine Umsatzteuer anfalle.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung ab. Begründend wurde auf die oben erwähnte, die Einkünfte des Jahres 1989 betreffende Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom verwiesen.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Sie brachte vor, seit der zitierten Berufungsentscheidung habe sich "offenbar die Rechtsstellung der Lehrbeauftragten geändert; ab 1991 beziehen sämtliche Lehrbeauftragte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, was wiederum Indiz dafür ist, daß sogar das Mozarteum der Ansicht ist, daß es sich bei der Tätigkeit der Lehrbeauftragten um Dienstverhältnisse handelt, aufgrund aller vorliegenden Umstände".
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Darlegung der Rechtslage vertrat die belangte Behörde begründend die Auffassung, bei der Beschwerdeführerin lägen weder Weisungsgebundenheit gegenüber dem Dienstgeber noch die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers vor. Die Tatsache, daß sich ein Lehrbeauftragter an ein bestimmtes Programm zu halten habe, reiche nicht aus, um ihn als weisungsgebunden zu beurteilen. Dazu sei die Tätigkeit an einer Universität zu hoch qualifiziert. Von einer Eingliederung in den geschäftlichen Organismus könne nicht schon gesprochen werden, weil Vorträge zu gewissen Zeiten oder in bestimmten Räumen abgehalten werden müßten. Die Beschwerdeführerin trage ein Unternehmerrisiko, weil ihr Remunerationen nur gebührten, wenn sie Lehraufträge tatsächlich vollständig abhalte. Dies gehe aus einem Schreiben des Mozarteums hervor. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erziele ein Lehrbeauftragter regelmäßig Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Ein Dienstverhältnis sei nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn der Lehrbeauftragte fest in den Betrieb eines Hochschulinstitutes eingegliedert sei. Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin gehe keine von der üblichen Tätigkeit eines Lehrbeauftragten abweichende, feste Eingliederung in den Betrieb eines Hochschulinstitutes hervor. Ihre Tätigkeit sei somit als selbständig zu qualifizieren. Für diese Entscheidung spreche auch, daß der Dienstgeber die Einkünfte als einkommensteuerpflichtig angesehen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall hängt die Entscheidung sowohl im Bereich des Einkommensteuer- als auch des Umsatzsteuerrechts von der Frage ab, ob die Beschwerdeführerin ihre Leistungen als Lehrbeauftragte im Rahmen eines Dienstverhältnisses (als nichtselbständig Tätige) oder als selbständig Tätige erbrachte; denn es knüpft der Begriff der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit u.a. an das Vorliegen eines Dienstverhältnisses (vgl. §§ 25 Abs. 1 Z. 1, 47 Abs. 2 EStG 1988), der Begriff des Unternehmers im Umsatzsteuerrecht an die selbständige Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit (vgl. § 2 Abs. 1 UStG) an.
Nach Lehre und Rechtsprechung sind für die Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit wesentliche Merkmale das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses, einer Weisungsgebundenheit, die die Entschlußfreiheit über die ausdrücklich übernommenen Vertragspflichten hinaus beschränkt, und der organisatorischen Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers. Unter diesen Gesichtspunkten ist das Gesamtbild einer Tätigkeit darauf zu untersuchen, ob die Merkmale der Selbständigkeit oder jene der Unselbständigkeit überwiegen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , Zl. 90/13/0251, und vom , Zl. 93/15/0038; zur Frage der persönlichen Abhängigkeit bei Lehrpersonal vgl. insbesondere die Erkenntnisse vom , Zl. 86/14/0119, vom , Slg. 6403/F, und vom , Slg. 6569/F).
Mit der Frage nach der Art der Einkünfte von Lehrbeauftragten an Hochschulen, die remunerierte Lehraufträge (vgl. hiezu das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, BGBl. Nr. 463/1974) wahrnehmen, hat sich der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach beschäftigt. Der Gerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß der Lehrbeauftragte regelmäßig Einkünfte aus selbständiger Arbeit bezieht. Ein Dienstverhältnis eines Lehrbeauftragten ist ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn der Lehrbeauftragte fest in den Betrieb eines Hochschulinstitutes eingegliedert und dort gleich den anderen am betreffenden Institut als Arbeitnehmer beschäftigten Personen tätig ist. Ist die zeitliche und örtliche Bindung des Lehrbeauftragten an eine bestimmte Arbeitsstätte und seine Abhängigkeit vom Institutsbetrieb bereits so groß, daß sie sich faktisch nicht mehr von der eines Dienstnehmers unterscheidet, so ist sie auch steuerlich nicht anders zu beurteilen (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. 2937/F, vom , Slg. 3056/F, vom , Slg. 4017/F, vom , Slg. 5846/F, vom , Zl. 87/13/0227, 0242, vom , Zl. 92/13/0089).
Im Erkenntnis vom , Zl. 85/15/0144, hat der Gerichtshof ferner darauf verwiesen, daß es die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z. 5 des Kunsthochschul-Organisationsgesetzes, BGBl. Nr. 54/1970, wonach durch die Tätigkeit von Gastprofessoren an Kunsthochschulen kein Dienstverhältnis begründet werde, nicht entbehrlich macht, das Rechtsverhältnis des Abgabepflichtigen zur Hochschule nach abgabenrechtlichen Gesichtspunkten darauf zu untersuchen, ob die für und gegen die Selbständigkeit des Abgabepflichtigen sprechenden Merkmale überwiegen. Aus der erwähnten hochschulorganisationsrechtlichen Vorschrift für sich allein lasse sich nicht bestimmen, ob abgabenrechtlich eine Tätigkeit als selbständige oder unselbständige anzusehen sei. Das gleiche gilt für die hier in Betracht zu ziehende Regelung des § 9 Abs. 1 Z. 4 des Kunsthochschul-Organisationsgesetzes (für das Streitjahr idF BGBl. Nr. 85/1978 und BGBl. Nr. 366/1990), wonach durch die Erteilung eines Lehrauftrages kein Dienstverhältnis begründet werde (siehe auch bei insoweit gleicher Rechtslage das die Versicherungspflicht nach dem ASVG betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 94/08/0243).
Auch im Beschwerdefall hängt die Beantwortung der Frage nach der Art der strittigen Einkünfte vom Gesamtbild der Verhältnisse im Zusammenhang mit der Frage des Unternehmerwagnisses, der Weisungsgebundenheit und
- insbesondere - der organisatorischen Eingliederung in den Institutsbetrieb ab.
Die Begründung des angefochtenen Bescheides enthält zwar Darlegungen, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzen; soweit es sich dabei um Tatsachenfeststellungen handelt, lassen diese jedoch eine Grundlage in Ermittlungen der Abgabenbehörde oder einem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Abgabenverfahren nicht erkennen. Ebensowenig ist aus dem Akteninhalt ersichtlich, daß die belangte Behörde zu ihren Sachverhaltsannahmen der Beschwerdeführerin das Parteiengehör gewährt hätte. Der Hinweis des angefochtenen Bescheides, wonach aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin keine von der üblichen Tätigkeit eines Lehrbeauftragten abweichende feste Eingliederung in den Betrieb eines Hochschulinstitutes abgeleitet werden könne, kann ein entsprechendes Ermittlungsverfahren weder entbehrlich machen noch ersetzen; denn die Beschwerdeführerin hatte im Abgabenverfahren nichts vorgetragen, was eine Beurteilung der Frage der organisatorischen Eingliederung in den Institutsbetrieb erlaubt hätte. Im vorliegenden Zusammenhang liegt auch kein Grund vor, eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin anzunehmen, die es ihr auferlegt hätte, aus eigenem einen Sachverhalt zu behaupten, aus dem sich die Unselbständigkeit ihrer Tätigkeit ergeben hätte. Ebensowenig besteht eine Grundlage im Gesetz dafür, nach Art einer Vermutung bis zum Beweis des Gegenteils ohne weiteres davon auszugehen, daß ein Lehrbeauftragter eine selbständige Tätigkeit ausübe.
Die belangte Behörde wäre daher im Sinne des § 115 Abs. 1 BAO verpflichtet gewesen, den maßgeblichen Sachverhalt aus eigenem zu ermitteln und festzustellen, wobei sie gemäß § 115 Abs. 2 BAO dazu das Parteiengehör einzuräumen hatte.
Dieser Verpflichtung hat die belangte Behörde nicht hinreichend entsprochen; daß sie bei Einhaltung dieser Verfahrensvorschriften zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, kann nicht ausgeschlossen werden. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 104/1991. Die Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 war nicht anzuwenden, weil die Beschwerdeführerin ungeachtet der Beschwerdeerhebung im zeitlichen Geltungsbereich dieser Verordnung ihren Ersatzanspruch ausdrücklich auf die erstzitierte Verordnung gestützt hat. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.