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VwGH vom 22.02.1996, 94/15/0109

VwGH vom 22.02.1996, 94/15/0109

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde der X in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion Salzburg (Berufungssenat I) vom , Zl. 30-GA3BK-Dln/93, betreffend Einkommensteuer 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die in Salzburg wohnhafte Beschwerdeführerin bezog im Streitjahr (neben Einkünften aus Vermietung und Verpachtung) Einkünfte aus nichtselbständigen Tätigkeiten als Beamtin beim Finanzamt Salzburg und aus einer Unterrichtstätigkeit an einer HBLA in Bad Ischl. Ihre Lehrverpflichtung umfaßte - ihren Angaben im Verwaltungsverfahren zufolge - 5 bzw. 7 Wochenstunden. Bei der Veranlagung der Einkommensteuer für das Jahr 1991 machte die Beschwerdeführerin - unter Hinweis darauf, daß sie im Schuljahr 1990/91 jeweils ab Dienstag 14.00 Uhr und Samstag 7.50 Uhr, im Schuljahr 1991/92 jeweils Montag ab

14.25 Uhr und Freitag ab 15.15 Uhr unterrichtet habe - die Kosten von insgesamt von 87 Fahrten Salzburg - Bad Ischl - Salzburg (je 114 km a S 4,--) nach Abzug eines Fahrtkostenzuschusses als Werbungskosten im Betrag von S 29.657,-- geltend.

Das Finanzamt berücksichtigte bei der Bemessung der Einkommensteuer das "große Pendlerpauschale" mit S 12.600,--; die Berücksichtigung der über diesen Betrag hinaus aus dem Titel der Fahrtkosten geltend gemachten Werbungskosten lehnte es ab.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung mit dem Antrag, das geltend gemachte Kilometergeld in der Höhe von S 29.657,-- anzuerkennen, zumindest jedoch die 65 Fahrten zwischen der Arbeitsstätte in Salzburg und der Arbeitsstätte in Bad Ischl. Sie machte u.a. geltend, § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 sei auf ihren Fall nicht anzuwenden, weil nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitstätte abgegolten seien. Darum handle es sich aber in ihrem Fall (überwiegend) nicht; bei 65 Fahrten handle es sich vielmehr um solche zwischen der Dienststelle in Salzburg und der Schule in Bad Ischl, also zwischen Arbeitsstätte in Salzburg und Arbeitsstätte in Bad Ischl. Im übrigen müsse im Hinblick auf den Umfang der Vorbereitung auf den Unterricht, die mehr Zeit in Anspruch nehme als der Unterricht selbst, die Wohnung der Beschwerdeführerin als Mittelpunkt der Lehrtätigkeit angesehen werden. Hilfsweise machte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf Literatur (Doralt, Pendlerpauschale: Was ist "zumutbar"?, RdW 1988, 460; Beiser, Verkehrsabsetzbetrag und Pendlerpauschale - verfassungswidrig? ÖStZ 1990, 110; Wieser, Gleichheitswidrige Pendlerregelung? FJ 1989, 14) Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 unter den Gesichtspunkten einer Ungleichbehandlung von Selbständigen und Unselbständigen und eines Mißverhältnisses zwischen pauschaliertem und tatsächlichem Aufwand geltend.

Die belangte Behörde wies die Berufung der Beschwerdeführerin im Umfang der Entscheidung über die Werbungskosten als unbegründet ab. Begründend vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, die strittigen Aufwendungen seien im Zusammenhang mit zwei verschiedenen Dienstverhältnissen der Beschwerdeführerin entstanden. § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 fingiere, daß ein Arbeitnehmer Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurücklege und dadurch Aufwendungen entstünden, unabhängig davon, ob diese Fahrten tatsächlich unternommen und welche Verkehrsmittel benützt worden seien und in welcher Höhe Aufwendungen entstanden seien. Es sei daher im vorliegenden Fall unerheblich, ob die strittigen Fahrten von der Wohnung oder der Arbeitsstätte in Salzburg aus angetreten worden seien. Es sei eine andere Beurteilung geboten als in jenen Fällen, wo im Rahmen ein und desselben Dienstverhältnisses Fahrten zwischen mehreren Dienstorten bzw. Mittelpunkten der Tätigkeit unternommen würden. Im Beschwerdefall seien die strittigen Aufwendungen mit dem bereits vom Finanzamt berücksichtigten großen Pendlerpauschale von S 12.600,-- abgegolten. Der Hinweis der Berufung auf die Anerkennung der strittigen Werbungskosten in den Vorjahren sei nicht zielführend, weil bei einer Abschnittsbesteuerung keine Bindung an die in den Vorjahren von der Behörde vertretene Auffassung bestehe und auch der Grundsatz von Treu und Glauben die Abgabenbehörde nicht hindere, von einer als unrichtig erkannten Rechtsauffassung abzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Parteien des Beschwerdeverfahrens gehen übereinstimmend davon aus, daß die Beschwerdeführerin auf Grund von zwei Dienstverhältnissen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht. Strittig ist, ob die von der Beschwerdeführerin als Werbungskosten geltend gemachten Ausgaben für Fahrten durch den Pauschbetrag von S 12.600,-- jährlich (vgl. § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG 1988 in der Stammfassung) abgegolten sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 92/13/0281, das einen ganz ähnlich gelagerten Sachverhalt betraf (zwei Dienstverhältnisse des Beschwerdeführers, Aufwendungen für die Fahrten von einer Arbeitsstätte zur anderen), folgendes dargelegt:

"Es war unzutreffend, die Fahrten des Beschwerdeführers von der einen zur anderen seiner Dienststellen als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 zu behandeln. Daß der Beschwerdeführer zwischen der Beendigung der Dienstverrichtung beim ersten Dienstgeber und dem Dienstantritt beim zweiten Dienstgeber seine Wohnung aufgesucht hätte, hat die belangte Behörde nicht unterstellt und war auch sachverhaltsbezogen nicht anzunehmen. Zur Fiktion eines solchen Sachverhaltes bestand aber kein rechtlicher Grund. Es stellen sich die Fahrten des Beschwerdeführers zwischen seinen beiden Dienststellen nämlich als Aufwand dar, der ihm zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erwuchs. Daß dieser Aufwand darauf zurückzuführen ist, daß der Beschwerdeführer ein zweites Dienstverhältnis eingegangen ist, ändert nichts daran, daß das Aufsuchen seiner jeweiligen Dienststellen zur Erhaltung des Flusses dieser Einkunftsquellen erforderlich war. Der damit verbundene Aufwand begründete absetzbare Werbungskosten auch dann, wenn diese Fahrten keinem der in den Einzeltatbeständen des § 16 Abs. 1 EStG 1988 typisierten Fahrtmodellen zu unterstellen waren; ist doch der Werbungskostenkatalog der Einzeltatbestände des § 16 Abs. 1 EStG 1988, wie sich dies aus dem letzten Satz des Einleitungsabsatzes zweifelsfrei ergibt, nicht taxativ. Für eine Prüfung der Erforderlichkeit der Benützung des eigenen Kraftfahrzeuges anstelle vorhandener Massenbeförderungsmittel unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten aber fehlt es außerhalb des Anwendungsbereiches der im Beschwerdefall nicht anwendbaren Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 an einer gesetzlichen Grundlage."

Der den angefochtenen Bescheid tragende Standpunkt der belangten Behörde, Aufwendungen für Fahrten, die der Abgabepflichtige zwischen verschiedenen Dienstorten zurücklege, seien unter dem Gesichtspunkt des Bestehens mehrerer Dienstverhältnisse nach § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 durch Verkehrsabsetzbetrag bzw. Pauschbeträge abgegolten, wird somit nicht geteilt. Der angefochtene Bescheid war daher - mangels Teilbarkeit des Abspruches ungeachtet der folgenden Darlegungen im Umfang der Anfechtung (Einkommensteuer 1991) zur Gänze - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie sind folgende Bemerkungen geboten:

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren die Auffassung vertreten, die Aufwendungen für 87 (hilfsweise: 65) Fahrten Salzburg - Bad Ischl - Salzburg stellten allgemeine Werbungskosten dar.

Nach § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 sind mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen nach lit. b und c alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten. Als allgemeine, von der Pauschalierungsvorschrift nicht betroffene und von der Abgeltungsregelung somit nicht umfaßte Werbungskosten kommen im Beschwerdefall sachverhaltsbezogen somit nur jene Aufwendungen in Betracht, die der Beschwerdeführerin für Fahrten von der einen zur anderen Arbeitsstätte entstanden sind. Nach den Darlegungen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren umfaßt der als Werbungskosten geltend gemachte Betrag auch jene Aufwendungen, die im Zusammenhang mit Fahrten von Salzburg nach Bad Ischl an Samstagen und mit Fahrten von Bad Ischl nach Salzburg nach Unterrichtsende stehen, wobei sachverhaltsbezogen

- insbesondere im Zusammenhang mit den angegebenen Tageszeiten und bei Bedachtnahme auf die Arbeitszeitregelungen im öffentlichen Dienst - keine berufliche Veranlassung dafür ersichtlich ist, an Samstagen die Fahrt nach Bad Ischl (Unterrichtsbeginn 7.50 Uhr) von der Arbeitsstätte aus anzutreten bzw. nach Unterrichtsende am späten Nachmittag und Rückfahrt nach Salzburg die dortige Dienststelle aufzusuchen. Auf der Grundlage des bisher vorgetragenen Sachverhaltes fallen die zuletzt erwähnten Fahrten somit unter den Begriff der "Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte", die nach § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen abgegolten sind.

Die von der Beschwerde gegen § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 vorgetragenen Bedenken unter dem Gesichtspunkt einer Ungleichbehandlung von Selbständigen und Arbeitnehmern und eines Mißverhältnisses zwischen pauschalierten und tatsächlichen Aufwendungen bieten keinen Anlaß zu einem Vorgehen des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne des Art. 140 Abs. 1 B-VG. Pauschalierende Verfahren sind auch unter dem Gesichtspunkt des Sachlichkeitsgebotes grundsätzlich zulässig; vereinfachende, globale, auf den Einzelfall nicht abstellende Betrachtungsweisen und Ungenauigkeiten müssen in dem durch das Sachlichkeitsgebot gezogenen Rahmen in Kauf genommen werden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 93/10/0151). Die Beschwerde zeigt nicht auf, daß dieser Rahmen bei der in Rede stehenden Regelung überschritten worden wäre.

Die Beschwerde irrt auch, soweit sie Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Treu und Glauben deshalb geltend macht, weil die Verwaltungsbehörde bei früheren Veranlagungen alle geltend gemachten Fahrtaufwendungen als Werbungskosten anerkannt habe. Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt nicht ganz allgemein ein Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer (unrichtigen) abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit; die Behörde ist verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen. Auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben besteht somit kein Anspruch auf Beibehaltung einer rechtswidrigen Verwaltungsübung (vgl. Stoll, BAO, 1305 ff; Ritz, BAO, 223, jeweils mwN).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991. Im Zeitpunkt der Verfassung und Einbringung der Beschwerde stand bereits die Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 in Geltung; es konnte daher - ungeachtet der Anordnung des Art. III Abs. 2 der zuletzt zitierten Verordnung - der Schriftsatzaufwand nur im tatsächlich beantragten Umfang zuerkannt werden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 81/02/0028). Der Antrag auf Ersatz des Aufwandes an Stempelgebühren war abzuweisen, soweit er sich auf die Stempelgebühren für Beilagen bezieht, deren Vorlage zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig war (vgl. z. B. das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 11091/A). Der angefochtene Bescheid ist zufolge der Vorschrift des § 28 Abs. 5 VwGG nur in einer einzigen Ausfertigung oder Abschrift der Beschwerde anzuschließen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 1901/77).