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VwGH vom 01.04.2004, 2003/20/0438

VwGH vom 01.04.2004, 2003/20/0438

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des G in B, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 231.783/0-VII/20/02, betreffend die Zurückweisung einer Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 64a Abs. 2 AVG in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Georgien, stellte am einen Asylantrag. Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt diesen Antrag gemäß § 6 Z. 2 und 3 AsylG ab (Punkt I des Spruches) und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien zulässig sei (Punkt II des Spruches). Auf Grund der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung des Beschwerdeführers vom änderte das Bundesasylamt Punkt I seines Spruches mit Berufungsvorentscheidung vom dahingehend ab, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG abgewiesen wurde.

Gegen diese Berufungsvorentscheidung erhob der Beschwerdeführer "Berufung", in der er die Ausführungen seiner früheren Berufung im Wesentlichen wiederholte und abschließend beantragte, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Beschwerdeführer Asyl gewährt und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien gemäß § 8 AsylG für unzulässig erklärt werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese "Berufung" gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 64a Abs. 2 AVG als unzulässig zurück. Begründend führte sie aus, dass gegen die Berufungsvorentscheidung gemäß § 64a Abs. 2 AVG nur das Rechtsmittel eines Vorlageantrages zulässig sei, während der Beschwerdeführer "ohne jeden Zweifel" eine (unzulässige) Berufung erhoben habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 64a Abs. 1 AVG kann die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, wenn nur eine der Parteien Berufung erhoben hat oder wenn keine einander widersprechenden Berufungsanträge vorliegen, die Berufung durch Berufungsvorentscheidung erledigen und den von ihr erlassenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, ergänzen oder aufheben. Abs. 2 leg. cit. räumt jeder Partei die Möglichkeit ein, binnen zwei Wochen nach Zustellung der Berufungsvorentscheidung den Antrag zu stellen, dass die Berufung der Berufungsbehörde zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Mit dem Einlangen eines rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrages tritt die Berufungsvorentscheidung außer Kraft. Damit liegt keine dem Rechtsbestand angehörende Entscheidung über die Berufung mehr vor und die Kompetenz zur Entscheidung über die eingebrachte Berufung geht auf die Berufungsbehörde über (vgl. dazu z.B. den hg. Beschluss vom , Zl. 92/06/0243, und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/06/0110). Das Rechtsmittel einer Berufung gegen eine Berufungsvorentscheidung sieht das Gesetz hingegen - wie die belangte Behörde in ihrem angefochtenen Bescheid richtig erkannt hat - nicht vor.

Die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels (hier: des Vorlageantrages) allein vermag dessen Unzulässigkeit jedoch nicht zu begründen. Für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe ist vielmehr ihr wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 88/11/0152; vom , Zl. 98/11/0019; vom , Zl. 2002/17/0279, und den hg. Beschluss vom , Zl. 92/17/0034). Eine Umdeutung der unrichtig bezeichneten Eingabe in das vom Gesetz vorgesehene Rechtsmittel käme nur dann nicht in Betracht, wenn sich aus der Rechtsmittelerklärung und dem Rechtsmittelantrag unmissverständlich das Begehren der Partei nach einer Entscheidung über das (unzulässige) Rechtsmittel - insbesondere durch eine im Instanzenzug unzuständige Behörde - ergäbe (vgl. auch dazu den hg. Beschluss vom , Zl. 92/17/0034; sowie die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 98/11/0019, und vom , Zl. 2002/17/0279).

Im vorliegenden Fall ist in Bezug auf die demnach maßgeblichen Kriterien zunächst daraus, dass sich die neuerliche "Berufung" nicht gegen die erste Entscheidung des Bundesasylamtes, sondern ausdrücklich "gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom , zugestellt am " und somit gegen die Berufungsvorentscheidung richtete, nichts für den Standpunkt der belangten Behörde zu gewinnen. Der Vorlageantrag ist nämlich das ordentliche Rechtsmittel gegen die Berufungsvorentscheidung (Walter/Mayer Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 498f und 534/5).

Der Vorlageantrag darf sich aber nur darauf richten, dass die ursprüngliche Berufung der Berufungsbehörde vorgelegt wird (Walter/Mayer, a.a.O., Rz 534/5). Die Tatsache, dass in der neuerlichen "Berufung" des Beschwerdeführers der "Berufungsantrag" gestellt wurde, den "angefochtenen Bescheid" in näher bezeichneter Weise "abzuändern", was sich im sprachlichen Kontext der neuerlichen "Berufung" auf den Bescheid vom beziehen konnte, spricht - bei vordergründiger Betrachtung - für die Annahme, der Rechtsmittelantrag habe sich nicht auf die Vorlage der ursprünglichen Berufung gerichtet.

Eine solche Deutung würde den Umständen des vorliegenden Falles aber schon deshalb nicht gerecht, weil die neuerliche "Berufung" ihrem Inhalt nach keine Auseinandersetzung mit der Berufungsvorentscheidung, sondern eine praktisch unveränderte Wiederholung der Berufung gegen den ursprünglichen Bescheid des Bundesasylamtes war. Was andernfalls zu gelten hätte, bedarf im vorliegenden Fall keiner Klärung. Bloß daraus, dass im "Berufungsantrag" der neuerlichen "Berufung" der sprachliche Zusammenhang mit dem Bescheid vom , gegen den sich dieses Rechtsmittel richtete, nicht durch eine Bezugnahme auf den ursprünglichen Bescheid unterbrochen wurde - was objektiv, abgesehen von der Vermeidung der verfehlten Bezeichnung des Rechtsmittels, geboten gewesen wäre - durfte die belangte Behörde unter den gegebenen Umständen jedenfalls nicht schließen, dass das Rechtsmittel nicht das Begehren auf Herbeiführung einer Entscheidung der belangten Behörde über die ursprüngliche Berufung zum Ausdruck bringe.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am