zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 19.09.2001, 99/16/0020

VwGH vom 19.09.2001, 99/16/0020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der B GmbH in W, vertreten durch Mag. Norbert Stiefmüller, Rechtsanwalt in Lambach, Marktplatz 2, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. Gem - 521320/3 - 1998 - WA, betreffend Zurückweisung einer aufsichtsbehördlichen Vorstellung in einer Getränkesteuersache (mitbeteiligte Partei: Stadt Wels), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Anschluss an eine abgabenbehördliche Prüfung bei der Beschwerdeführerin im März 1997 wurde dieser mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wels vom eine Nachzahlung an Getränkesteuer für die Jahre 1994-1996 zuzüglich Säumniszuschlag vorgeschrieben. Als Rechtsgrundlagen wurden Bestimmungen des Oberösterreichischen Gemeinde-Getränkesteuergesetzes 1950, der Welser Getränkesteuerverordnung 1977 sowie der oberösterreichischen Landesabgabenordnung angeführt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Untersuchungen der Kammer der Wirtschaftstreuhänder hätten ergeben, dass die Stadt Wels seit dem Jahre 1992 über keine geeignete rechtliche Grundlage verfüge, die sie ermächtigen würde, Getränkesteuer im Sinne des oberösterreichischen Gemeinde-Getränkesteuergesetzes zu erheben. Hingewiesen wurde auf die "bis zum heutigen Tage von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder seinen (gemeint wohl: ihren) Mitgliedern zur Verfügung gestellten Informationen"„ welche jederzeit an die Abgabenbehörde übersandt werden könnten.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies der Magistrat die Berufung mit der Begründung, die Welser Getränkesteuerverordnung stehe nach wie vor in Geltung und sei nach einem vom Amt der oö. Landesregierung durchgeführten Verordnungsprüfungsverfahren nicht mit Gesetzwidrigkeit behaftet, als unbegründet ab.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom , Rechtssache C-231/94, würden Restaurationsumsätze nicht als Lieferungen iSd § 3 Abs. 1 UStG 1994 gelten. Dieser Begriff der Lieferung nach dem UStG 1994 sei aber der ausschließliche Tatbestand der Getränkebesteuerung. Als Folge dieses Urteiles habe bereits der Steuergesetzgeber des Bundes die Besteuerung der Restaurationsumsätze rückwirkend ab 1995 umgestellt. Eine gleichartige Umstellung im Finanzausgleichsgesetz sei unterblieben, daher ergebe sich als Folge, dass Verabreichungen im Rahmen erbrachter Dienstleistungen vom Besteuerungstatbestand des Getränkesteuergesetzes steuerfrei zu bleiben hätten.

Der Stadtsenat der Stadt Wels wies mit im Wesentlichen gleicher Begründung wie in der Berufungsvorentscheidung die Berufung als unbegründet ab. Die als Bescheid bezeichnete Ausfertigung dieser Entscheidung enthielt den Kopf "Magistrat der Stadt Wels Praesidium-Rechtsmittelbüro", datierte vom und berief sich auf einen Beschluss des Stadtsenates vom selben Tag.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin (vertreten durch den Buchprüfer und Steuerberater F) Vorstellung, die sie beim Magistrat der Stadt Wels, Praesidium-Rechtsmittelbüro, einbrachte. Diese enthielt im Betreff die Geschäftszahl der Bescheidausfertigung vom sowie den Namen und die Adresse der Beschwerdeführerin und hatte folgenden Inhalt:

"Im Auftrag und im Namen der Geschäftsführung meiner im Betreff genannten Klientin bediene ich mich innerhalb offener Frist des Rechtsmittels der Vorstellung an die Aufsichtsbehörde,

betreffend den Beschluss des Stadtsenates der Stadt Wels vom als Behörde II. Instanz im eigenen Wirkungsbereich der Stadt Wels. Der Beschluss wurde am zu meinen Handen zugestellt.

Da dem Beschluss sowohl EU-rechtlich, als auch auf Grund der österreichischen Rechtsordnung die Rechtsgrundlagen fehlen, wird beantragt, den Beschluss aufzuheben. Es darf davon ausgegangen werden, dass der Vorstellungsbehörde die Problematik - da mittlerweile EUGH-anhängig - in dieser Sache bekannt und bewusst ist, sodass eine ausführliche Begründung entbehrlich erscheint. Bei gegenteiliger Auffassung ist ein Mängelbehebungsverfahren einzuleiten.

Es wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Mit freundlichen Grüßen

F

beeid. Buchprüfer und Steuerberater."

Die belangten Behörde hielt der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom vor, dass die Vorstellung den angefochtenen Bescheid bezeichnen und einen begründeten Antrag enthalten müsse. Der vom Gesetz geforderte Inhalt des Rechtsmittels könne nicht durch den Hinweis, dass der Vorstellungsbehörde die Problematik bewusst sein müsse, ersetzt werden. Der Mangel einer unbegründeten Vorstellung sei ein inhaltlicher Mangel, der keiner Verbesserung zugänglich sei.

Die Beschwerdeführerin äußerte sich innerhalb der ihr gesetzten Frist dahingehend, dass die Rechtsauffassung der Vorstellungsbehörde der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes widerspreche. Es wurde um die Einräumung einer Frist zur Behebung der Mängel der Vorstellung ersucht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unzulässig zurück. Sie berief sich darauf, dass die Vorstellung nach § 102 Abs. 2 der Oberösterreichischen Gemeindeordnung 1990 (GemO) den Bescheid, gegen den sie sich richtet, sowie einen begründeten Antrag zu enthalten habe. Es sei jedoch die Vorstellung nicht gegen den Bescheid des Stadtsenates gerichtet, sondern beantragt worden, den Beschluss aufzuheben, da die Rechtsgrundlagen fehlten. Was das Erfordernis eines begründeten Antrages betrifft, unterscheide sich die Bestimmung in der Gemeindeordnung nicht von der des § 63 Abs. 3 AVG, das gemäß § 109 Abs. 1 GemO auf das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde anzuwenden sei. Der vom Gesetz geforderte Inhalt des Rechtsmittels könne nicht durch den Hinweis, dass der Vorstellungsbehörde die Problematik bewusst sei, substituiert werden. Es sei ein strengerer Maßstab anzulegen, da das Rechtsmittel von einem Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder verfasst worden sei, zumal in der Vorstellung selbst angeführt worden sei, dass eine ausführliche Begründung entbehrlich erscheine. Eine Mängelbehebung könne nur innerhalb der Vorstellungsfrist erfolgen und es könne daher nur innerhalb dieser Vorstellungsfrist die Vorstellung ergänzt werden. Da es sich um einen inhaltlichen Mangel handle, sei dieser keiner Verbesserung zugänglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. In dieser erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtzurückweisung ihrer Vorstellung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 74 Abs. 1 des Statuts für die Stadt Wels 1992 (StW) wie nach § 102 Abs. 1 der Oberösterreichischen Gemeindeordnung 1990 (GemO) kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges dagegen Vorstellung erheben.

§ 74 Abs. 2 StW wie § 102 Abs. 2 GemO bestimmen, dass die Vorstellung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich oder telegrafisch bei der Gemeinde einzubringen ist; sie hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Antrag zu enthalten. Die Gemeinde hat die Vorstellung unter Anschluss der Verwaltungsakten und ihrer Stellungnahme unverzüglich, spätestens aber vier Wochen nach dem Einlangen der Aufsichtsbehörde vorzulegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 99/16/0528, mit ausführlicher Begründung und unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung dargelegt, dass auf Grund von § 109 Abs. 1 GemO (gleich lautend § 80 Abs. 2 StW) im gemeindeaufsichtsrechtlichen Vorstellungsverfahren in Oberösterreich auch in Abgabensachen das AVG und nicht, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, die oberösterreichische LAO anzuwenden ist und die abweichende Aussage in dem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Erkenntnis vom , Zl. 97/15/0083, betreffend Lustbarkeitsabgabe, einen Einzelfall darstellt.

Im vorliegenden Fall ist infolge Zustellung des angefochtenen Bescheides am die Fassung des AVG vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 maßgeblich.

Bei der Auslegung der inhaltlichen Erfordernisse einer Vorstellung gemäß § 102 Abs. 2 GemO kann die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 63 Abs. 3 AVG, welcher für die Berufung ebenfalls das Erfordernis eines begründeten Antrages vorsieht, herangezogen werden (hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/05/0041, m.w.N.). Wie der Verwaltungsgerichtshof bezugnehmend auf die zuletzt zitierte Bestimmung ausgesprochen hat, soll bei der Auslegung des Merkmales eines begründeten Berufungsantrages kein strenger (formalistischer) Standpunkt angelegt werden, weil es sich dabei um eine Vorschrift handelt, die sich auch an rechtsunkundige Parteien richtet. Dies wurde auch zu § 102 Abs. 2 GemO ausgesprochen und betont, dass der Inhalt des Vorbringens einer Partei "verständig" zu werten ist (hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0184, m.w.N.).

Die Beschwerdeführerin hat den in Vorstellung gezogenen Bescheid ausreichend bezeichnet. Dass sie vom "Beschluss" des Stadtsenates und nicht vom "Bescheid" spricht, ist bei Angabe der richtigen Geschäftszahl und des Entscheidungsdatums unschädlich. Denn der Mangel der Bezeichnung des angefochtenen Bescheides führt nur dann zur Zurückweisung der Vorstellung, wenn infolge dieses Mangels die Behörde nicht erkennen kann, gegen welche ihrer Entscheidungen sich die Berufung wendet (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 111 zu § 63 AVG). Unbestritten ist, dass die Vorstellung einen Antrag auf Aufhebung dieses Aktes enthielt. Somit ist nur mehr zu prüfen, ob der Inhalt der Vorstellung den Anforderungen an eine Begründung genügt.

Unter der Berufungs- (Vorstellungs-) Begründung sind die Gründe, die den Berufungs- (Vorstellungs-) Antrag rechtfertigen, zu verstehen, wie materielle Rechtswidrigkeit, wesentliche Verfahrensverstöße, unzweckmäßige Ermessensübung, unrichtige Beweiswürdigung (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahren7 (1999), Rz. 521). Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Vorlageantrag ausgeführt, dem "Beschluss" würden sowohl EU-rechtlich als auch auf Grund der österreichischen Rechtsordnung die Rechtsgrundlagen fehlen. Durch diese Formulierung ist klar gestellt, dass die Vorstellung allein wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhoben wurde. Es ist weiters erkennbar, worin nach Ansicht der Beschwerdeführerin diese inhaltliche Rechtswidrigkeit liegen soll, nämlich im Mangel einer rechtlichen Grundlage, welche die Steuereinhebung erlaubt. Damit ist die behauptete Rechtswidrigkeit ausreichend dargelegt. Da jeder Verwaltungsakt und damit auch jede Steuervorschreibung gemäß Art 18 Abs. 1 B-VG einer gesetzlichen (allenfalls gemeinschaftsrechtlichen) Grundlage bedarf, ist in der Behauptung, eine derartige Rechtsgrundlage fehle, die ausreichende Darlegung einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des mit der Vorstellung angefochtenen Bescheides zu sehen (siehe schon das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 3799/A, wonach der Hinweis darauf, dass die Entscheidung wegen Gesetzes- und Rechtswidrigkeit angefochten wird, auch die hiefür maßgebenden Gründe erkennen lässt, u. zw. in dem Sinn, dass der Entscheidung unrichtige rechtliche Beurteilung zur Last gelegt wird).

An die Vorstellungsbegründung höhere Anforderungen zu richten, wäre auch im Hinblick darauf, dass die Vorstellungsbehörde den angefochtenen Bescheid der Gemeinde rechtlich in jeder Richtung - nicht nur im Hinblick auf geltend gemachte Rechtswidrigkeiten - auf die Verletzung subjektiver Rechte des Einschreiters zu prüfen hat (Walter/Mayer, aaO, Rz. 563), nicht sinnvoll. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beschwerdeführerin im Vorstellungsverfahren von einem Steuerberater vertreten war. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 88/05/0191, zu § 63 Abs. 3 AVG ausgesprochen, dass bei der Qualifikation als begründeter Berufungsantrag nicht dahingehend unterschieden werden kann, ob die Partei im Verwaltungsverfahren anwaltlich vertreten ist oder nicht. Dies gilt ebenso für die Vertretung durch einen Steuerberater (Wirtschaftstreuhänder). Die belangte Behörde hätte somit auf die Vorstellung der Beschwerdeführerin inhaltlich einzugehen gehabt.

Dadurch, dass sie dies verkannte, belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 aufzuheben war. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung konnte die Entscheidung in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am