VwGH vom 18.01.1996, 94/15/0067

VwGH vom 18.01.1996, 94/15/0067

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde der S in F, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat II) vom , Zl. 152-GA4BK-DBr/90, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1982 bis 1985 sowie Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1982 bis 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt in F. eine "Frühstückspension" und in S. ein Schreibbüro. In den Jahren 1982 bis 1985 erklärte sie die dadurch erzielten Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Für diesen Zeitraum wurde sie erklärungsgemäß zur Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer veranlagt.

Für das Jahr 1986 ermittelte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen mangels Abgabe von Steuererklärungen zunächst im Schätzungsweg. In der Folge wurde die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für dieses Jahr mit Berufungsvorentscheidung weitgehend auf der Grundlage der in der Zwischenzeit nachgereichten Abgabenerklärungen festgesetzt. Diese Veranlagung erging auf Grund der Ungewißheit über die Qualität der "Frühstückspension" als Einkunftsquelle vorläufig.

Die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1987 wurde entsprechend den Steuererklärungen vorläufig festgesetzt.

Anläßlich einer die Streitjahre umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer das Vorhandensein verschiedener Wiederaufnahmsgründe fest - sie betrafen einen 1982 doppelt erfaßten Zugang zum Anlagevermögen, Einrechnungen von auf den Ehegatten der Beschwerdeführerin ausgestellten Baurechnungen in die Bemessungsgrundlage für die AfA, die Aufnahme von Anschaffungen für die Privatsphäre (Kachelofen, Türen und Atelierfenster für die an den im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten der Beschwerdeführerin vermietete und gemeinsam genutzte Dachgeschoßwohnung) ins Betriebsvermögen und die Anschaffung zweier Pkws (VW Golf und Mercedes) unter (nicht gerechtfertigtem) Vorsteuerabzug, wobei der Mercedes nicht betrieblich genutzt, sondern ausschließlich an den Ehegatten der Beschwerdeführerin vermietet worden war - und führte u.a. aus, die Bewirtschaftung der "Frühstückspension" werde in der Form der Vermietung von zwei Ferienwohnungen (Appartements) betrieben; die erzielten Einnahmen seien nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu werten, als solche aber deswegen nicht zu erfassen, weil die Tätigkeit keine Einkunftsquelle darstelle.

Das Finanzamt folgte dem Prüfer und nahm die Verfahren betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1982 bis 1985 unter gleichzeitiger Erlassung neuer Sachbescheide von Amts wegen wiederauf; ferner setzte es die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1986 und 1987 endgültig fest.

In ihrer sowohl gegen die Wiederaufnahmsbescheide als auch gegen die Sachbescheide erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, Liebhaberei liege nicht vor. 1982 hätte sie - veranlaßt durch die im Vorjahr erwirtschafteten Verluste - beschlossen, "durch einschneidende Maßnahmen die Bewirtschaftungsstruktur grundsätzlich zu ändern", woraufhin das Pensionsgebäude umgebaut und saniert worden sei. In der Hauptsaison sei die Vermietung von Ferienwohnungen und in der Vor- und Nachsaison die Zimmervermietung mit Frühstück geplant gewesen. Diese Änderung der Bewirtschaftung würde für die Liebhabereibeurteilung den Beginn eines neuen Beobachtungszeitraumes bewirken.

Nach abweislicher Berufungsvorentscheidung beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies die belangte Behörde die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid ab. Begründend führte sie im wesentlichen aus, die vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmsgründe seien neu hervorgekommen. Die Einstufung der "Appartementzimmervermietung" als Liebhaberei entspreche der durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , V 53/91, u.a. (VfSlg 12943), mit dem die Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 322/1990, aufgehoben wurde, bereinigten Rechtslage (Kundmachung am , BGBl. Nr. 106/1992). In den Streitjahren seien - auch nach Ausscheidung der ehelichen (Dachgeschoß-)Wohnung der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten - durch die Appartementzimmervermietung laufend Verluste erwirtschaftet worden. Der Beobachtungszeitraum lasse sich auf die Jahre 1978 bis 1981 ausdehnen. Nach der Aktenlage bestünden auch in dieser Zeit keine klaren Anhaltspunkte für die Wirtschaftsform "Frühstückspension" und - wie der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung erklärt habe - sei ein Appartement schon vor 1982 vermietet worden. Einzig im Jahr 1980 sei auf Grund eines außerordentlichen Ertrags ein Zufallsgewinn von S 10.877,-- erzielt worden. Ansonsten hätten die Verluste jährlich zwischen S 31.012,-- und S 68.214,-- betragen. Im Zusammenhang mit der Nichtabgabe von Abgabenerklärungen durch die Beschwerdeführerin ab dem Jahr 1988 habe ihr steuerlicher Vertreter in der mündlichen Berufungsverhandlung weiters erklärt, "es seien bis 1992, vermutlich auch 1993, keine Einnahmenüberschüsse zu erwarten". Auf Grund dieser Aussage habe sich der Beobachtungszeitraum, in dem Verluste erwirtschaftet worden seien, in der anderen Richtung sogar bis zum Jahr 1992 ausdehnen lassen.

Mit Beschluß vom , B 117/94-4, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist die Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die Beschwerde rügt, die Wiederaufnahme der im Spruch genannten Verfahren sei deswegen unzulässig gewesen, weil die Beschwerdeführerin der in § 119 BAO normierten Offenlegungs- und Wahrheitspflicht immer ordnungsgemäß nachgekommen sei und auch die im § 303 Abs. 1 lit. a und lit. b BAO normierten Voraussetzungen nicht vorlägen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , 90/14/0192) ist eine Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens nur dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, daß sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nach Wiederaufnahme erlassenen Sachentscheidung hätte gelangen können.

Auf Grund der im Erstverfahren allein vorliegenden Abgabenerklärungen (einschließlich der Bilanzen) kann im Beschwerdefall nicht davon die Rede sein, die Beschwerdeführerin hätte jeweils schon im Erstverfahren dem Finanzamt alle für eine richtige rechtliche Subsumtion maßgeblichen Umstände des Sachverhalts bekanntgegeben. Vielmehr wurden dem Finanzamt - wie aus den Verwaltungsakten ersichtlich ist - die Tatumstände, die sie als Wiederaufnahmsgründe heranzog, erst durch die abgabenbehördliche Prüfung bekannt. Die von der belangten Behörde herangezogenen Wiederaufnahmsgründe liegen daher vor.

Die Beschwerde rügt weiters die Einstufung des Betriebs der "Frühstückspension" als Liebhaberei. Sie meint, die belangte Behörde hätte den angefochtenen Bescheid nach Aufhebung der Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 322/1990, mit dem og. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, nicht auf Liebhaberei stützen dürfen.

Damit verkennt die Beschwerde sowohl das Wesen einer Verordnung im Sinne des Art. 18 Abs. 2 B-VG, das in der bloßen Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmungen, auf die sie sich stützt, besteht, und das Wesen des Verhältnisses der Verordnung zum formellen Gesetz, als auch die rechtlichen Konsequenzen der Aufhebung einer Verordnung gemäß Art. 139 B-VG durch den Verfassungsgerichtshof (vgl. dazu Walter-Mayer, Bundesverfassungsrecht7, Rz 590 ff und 1133, m.w.N.). Da sich der angefochtene Bescheid auf § 2 EStG 1972 stützen kann (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , 90/13/0058), gehen die Beschwerdeausführungen über eine dem angefochtenen Bescheid mangelnde Rechtsgrundlage ins Leere. Die Abgabenbehörden haben auch die für die rechtliche Beurteilung, ob in der Appartmentvermietung eine Einkunftsquelle zu erblicken ist, erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von Amts wegen ermittelt.

Die Beschwerde hält weiters die Heranziehung eines bloß fünfjährigen Beobachtungszeitraumes durch die belangte Behörde für zu kurz. Sie möchte bei der "Liebhabereiprüfung" auf einen zwanzigjährigen Beobachtungszeitraum abstellen.

Hiezu ist festzuhalten, daß die Abgabenbehörden von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ausgingen. Dieser Qualifikation ist die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bei der eben erwähnten Einkunftsart den Schluß auf steuerliche Liebhaberei in der Mehrzahl der Fälle anhand eines Beobachtungszeitraums von fünf bis acht Jahren für zulässig erachtet (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , 88/14/0137; sowie Zorn, ÖStZ 1989, 265). Das Vorliegen besonderer Verhältnisse, die einen längeren Beobachtungszeitraum erforderlich machen würden, hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet. Außerdem hat sich die belangte Behörde bei ihrer Liebhabereiprüfung auf (von der Beschwerde nicht bekämpfte) Ermittlungsergebnisse in einem ohnedies wesentlich längeren Beobachtungszeitraum (dieser umfaßt die Jahre 1978 bis 1992) gestützt. Das die Liebhaberei betreffende Beschwerdevorbringen zeigt daher ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Insoweit die Beschwerdeführerin auf eine Ungleichbehandlung, die in der Einstufung ihres Betriebes als Liebhaberei "im Gegensatz zu tausenden anderen Fremdenverkehrsbetrieben und Frühstückspensionen" bestehe, hinweist, ist zu erwidern, daß Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nur das Gesetz, nicht aber die Behandlung anderer Abgabepflichtiger sein kann. Darüberhinaus zeigt die Beschwerde keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides Anlaß gebende Verletzung der Bestimmungen des § 114 BAO - der Anordnung zur gleichmäßigen Behandlung aller Abgabepflichtigen - auf.

Auf Grund des Gesagten mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden. Diese Entscheidung konnte im Hinblick auf beide Tatbestände des § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat getroffen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.