VwGH vom 26.11.1991, 91/14/0179
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der C Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 9/6/1-BK/R-1988, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 1985 und 1986 sowie betreffend Neufestsetzung der Körperschaft- und Gewerbesteuer für diese Jahre, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende GmbH hatte 1982 von einer Bank ein Grundstück mit Werkshalle und Bürogebäude für fünf Jahre gemietet. Es war vereinbart, daß der Mietvertrag nach Ablauf der Vertragszeit ohne Kündigung erlischt und alle nicht demontierbaren Investitionen mit Ende des Mietvertrages entschädigungslos ins Eigentum des Vermieters übergehen. Die Beschwerdeführerin erhielt gleichzeitig auf Dauer des Mietvertrages vom Vermieter ein Kaufanbot hinsichtlich der Liegenschaft. Die Beschwerdeführerin tätigte 1982 und 1983 Investitionen im Betrag von fast S 28 Mio. Im Hinblick auf das Kaufanbot, das sie anzunehmen beabsichtigte, ging die Beschwerdeführerin bei der Ermittlung der AfA in den ersten drei Jahren von einer 20-jährigen Nutzungsdauer aus. 1985 wurde der Beschwerdeführerin jedoch von der Konzernholding die Inanspruchnahme der Kaufoption untersagt. Im Hinblick darauf schrieb die Beschwerdeführerin in den beiden Streitjahren den Restbuchwert der Investitionen gleichmäßig auf die beiden Jahre verteilt ab.
Anläßlich einer Betriebsprüfung im Jahre 1987 wurde diese Kürzung der Nutzungsdauer nicht anerkannt, weil das Verbot der Konzernholding nichts am Fortbestand der Option geändert habe. Von der Vakuumanlage wurde festgestellt, daß es sich um selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter (Maschinen) handle, deren Nutzungsdauer also nicht vom Mietverhältnis am Gebäude abhängig sei, weshalb die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer 10 Jahre betrage und sich der Wert der Anlagen entsprechend erhöhe. Außerdem wurde der Wert von Maschinenersatzteilen als Vorrat höher geschätzt.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen im Prüfungsbericht, nahm das Verfahren hinsichtlich der Körperschaftsteuer von Amts wegen wieder auf und setzte die Körperschaftsteuer sowie ihre Bemessungsgrundlagen und gemäß § 296 BAO die Gewerbesteuer neu fest.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Sie bestritt die Berechtigung zur Wiederaufnahme, weil dem Finanzamt schon vor der Veranlagung der Sachverhalt hinsichtlich der Kürzung der Nutzungsdauer im Hinblick auf das Verbot, die Kaufoption auszunützen, vollständig offengelegt worden sei. Zu den Bilanzstichtagen habe ernstlich mit dem Ende des Mietvertrages zum gerechnet werden müssen. Die Kürzung der Nutzungsdauer sei daher zu Recht erfolgt.
Die belangte Behörde wies die Berufung hinsichtlich der Wiederaufnahme ab und gab ihr in der Sache nur in einem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr interessierenden Punkt statt. Sie ging davon aus, daß die Prüfungsfeststellungen insbesondere über die Höhe des Wertes der Maschinenersatzteile zur Wiederaufnahme berechtigt hätten. Hinsichtlich der Nutzungsdauer gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß zu den Bilanzstichtagen von der Beschwerdeführerin deshalb nicht mit einem Ende der Nutzungsmöglichkeit ihrer Investitionen wegen eines bevorstehenden Endes des Mietvertrages habe gerechnet werden müssen, weil die Bank vorerst den Mietvertrag um ein Jahr verlängert habe. In der Folge habe die Bank die Liegenschaft an eine Aktiengesellschaft verkauft, an der der Konzern, dem die Beschwerdeführerin angehört, zu 24,5 % beteiligt sei. Diese Aktiengesellschaft habe die Liegenschaft neuerdings an die Beschwerdeführerin vorerst auf ein Jahr und dann wieder auf ein Jahr (zuletzt bis ) vermietet. Es hätte daher 1985 und 1986 kein Grund bestanden, die Nutzungsdauer im Vergleich zu der für die Vorjahre gewählten zu kürzen, weil mit einer unbestimmten Vertragsdauer hätte gerechnet werden können. Hinsichtlich der Vakuumanlagen folgte die belangte Behörde der Beurteilung des Finanzamtes.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Unterbleiben der Wiederaufnahme und in ihrem Recht darauf beschwert, daß die Abschreibung der Einbauten und der Vakuumanlage "für die eigentliche Bestanddauer" vorgenommen werde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde bestreitet nicht, daß das Finanzamt bereits vor der Veranlagung die Gründe für die Kürzung der Nutzungsdauer durch Offenlegung seitens der Beschwerdeführerin gekannt hat. Sie vertritt jedoch zu Recht die Ansicht, daß anläßlich der abgabenbehördlichen Prüfung andere neue Tatsachen hervorgekommen seien, die schon für sich betrachtet zur Wiederaufnahme von Amts wegen berechtigt hätten. Dies wird hinsichtlich der Vorratsschätzung von der Beschwerdeführerin auch an sich nicht in Abrede gestellt, diesbezüglich jedoch Geringfügigkeit eingewendet, die bei entsprechender Interessensabwägung im Rahmen der Ermessensübung den Gebrauch der Wiederaufnahmemöglichkeit verboten hätte.
Dieser Ansicht kann der Verwaltungsgerichtshof nicht beitreten. Die Beschwerdeführerin selbst beziffert die von dieser Position betroffene Ergebnisänderung für 1985 mit S 35.611,-- und für 1986 mit S 62.005,--, die Steueränderung aber mit S 55.569,--. Diese Beträge sind absolut gesehen nicht geringfügig. Ihr Verhältnis zu den Ergebnisänderungen aus der dem Finanzamt seinerzeit offengelegten Kürzung der Nutzungsdauer ist für die Ermessensentscheidung aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 114 BAO) nicht von Bedeutung. Es bedurfte daher seitens der belangten Behörde keiner Begründung für die Ermessensübung, die über jene hinausgegangen wäre, die vom Finanzamt bereits unter Hinweis auf den Prüfungsbericht gegeben worden war, um zu erkennen, daß die Entscheidung nicht dem Sinn des Gesetzes zuwiderläuft.
Der belangten Behörde ist aber auch darin zu folgen, daß nach dem Prüfungsbericht erstmals die Zugehörigkeit der Vakuumanlagen zu den "selbständig bewertbaren Wirtschaftsgütern (Maschinen)", die vom Gebäude nicht "abhängig" seien, festgestellt wurde. Daß diese Feststellung unrichtig oder der wahre Sachverhalt bereits anläßlich der Veranlagung dem Finanzamt bekannt gewesen sei, hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht behauptet. Das im zuerst genannten Zusammenhang gegenteilige Vorbringen vor dem Verwaltungsgerichtshof ist daher eine gemäß § 41 VwGG unbeachtliche Neuerung. Entscheidend ist nicht, ob aus dem - den Abgabenbehörden im übrigen nicht vorgelegten - "Anlagenverzeichnis der Firma zu entnehmen ist", daß es sich bei den Vakuumanlagen um Installationen in den Gebäuden handelt, die fix verbunden seien, sondern ob diese Tatsache von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren geltend gemacht wurde. Dies trifft nach der Aktenlage nicht zu. Der Beurteilung der Nutzungsdauer der Vakuumanlagen durch die belangte Behörde, ausgehend von dem von ihr angenommenen Sachverhalt, es handle sich um demontierbare Maschinen, haftet daher eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrnehmbare Rechtswidrigkeit nicht an. Da auch die Änderung der Nutzungsdauer für diese Wirtschaftsgüter das Ergebnis der Streitjahre verbessert hat (1985 S 430.081,--, 1986 S 860.162,--), kann umso weniger von Geringfügigkeit gesprochen werden, die die Behörde zu einer weiteren Begründung der Ermessungsübung unter dem Gesichtspunkt der Interessenabwägung hätte veranlassen müssen.
Hinsichtlich der Nutzungsdauer der Einbauten ist der Beschwerdeführerin einzuräumen, daß für die Bilanzen der Streitjahre nur der Sachverhalt entscheidend war, der sich bei gewissenhafter Prüfung zu den Bilanzstichtagen darbot. Mußte damals wegen des bevorstehenden Endes des Mietvertrages mit einem Verlust der Einbauten zum ernstlich gerechnet werden, so hatte die Beschwerdeführerin aus kaufmännischer Vorsicht die Restnutzungsdauer nur mehr mit dem Zeitraum bis zum Ende des Mietvertrages anzusetzen. Hätten sich die Umstände später lediglich unvorhersehbar anders entwickelt, als in der zu den Bilanzstichtagen geforderten Prognose angenommen werden mußte, hätte entgegen der Meinung der belangten Behörde weder ein Recht noch eine Pflicht zur Bilanzberichtigung bestanden. Für die gegenteilige Meinung der belangten Behörde beruft sich diese zu Unrecht auf das hg. Erkenntnis vom , 85/14/0076 (ÖStZB 1987, 446). Auch diese Entscheidung stellt nämlich auf die objektive Unrichtigkeit "nach den Verhältnissen des Bilanzstichtages" ab.
Der Umstand, daß die Konzernholding eine Ausnutzung der Option verbot, beseitigte allerdings die Rechte der Beschwerdeführerin aus der Kaufoption nicht. Die Konzernholding konnte ihren Entschluß noch bis Fristablauf ändern, sich also eines anderen besinnen. Der Beschluß der Konzernholding stellte daher für sich allein keinen ausreichenden Grund dar, die seinerzeit gewählte Nutzungsdauer zu ändern. Schließlich bestimmt die Entscheidung der Konzernholding lediglich den Willen der Organe der Beschwerdeführerin, sodaß der Sachverhalt nicht anders liegt, als hätte die Beschwerdeführerin selbst sich dazu entschlossen, von der Kaufoption keinen Gebrauch zu machen.
Entscheidend ist daher nur, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich ernstlich damit rechnen mußte, daß sie ihre Investitionen in das Gebäude mit unwiderruflich verlieren wird. Sie behauptet in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde unwidersprochen, daß "das bestehende Bestandverhältnis nicht unter das Mietengesetz" (gemeint wohl: unter den Kündigungsschutz des Mietrechtsgesetzes) falle. Die Richtigkeit dieser Behauptung ist im Hinblick auf § 29 Abs. 1 Z. 3 lit. a MRG nicht ausgeschlossen.
Die belangte Behörde hat ihre Annahme, die Beschwerdeführerin habe zu den für den Streitzeitraum maßgebenden Bilanzstichtagen nicht mit dem Verlust ihrer Investitionen zum ernstlich rechnen müssen, daher auch nur darauf gestützt, daß in der Folge das Mietverhältnis mehrfach (zuletzt bis ) verlängert wurde, wobei nunmehr als Vermieter eine Aktiengesellschaft aufscheint, an der der Konzern mit 24,5 % beteiligt ist, dem die Beschwerdeführerin angehört.
Diese Überlegungen der belangten Behörde sind solche der Beweiswürdigung. Hinsichtlich dieser steht dem Verwaltungsgerichtshof nur eine Schlüssigkeitsprüfung zu. Diese führt zu keinen Bedenken, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides berechtigten. Der belangten Behörde ist nämlich einzuräumen, daß der Ablauf der Ereignisse dafür spricht, daß die Beschwerdeführerin wohl schon aus dem Interesse, einen derart erheblichen Verlust zu vermeiden, zu den Bilanzstichtagen entsprechend dafür vorgesorgt hatte, das Mietobjekt auch über den hinaus nutzen zu können. Anders wären nämlich die wiederholten einjährigen Verlängerungen des Mietvertrages kaum zu erklären.
Daß zu den Bilanzstichtagen etwa ein späterer Zeitpunkt festgestanden wäre, zu dem die Nutzungsmöglichkeiten der Beschwerdeführerin an der Liegenschaft sicher enden werden, hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet. Die belangte Behörde durfte daher davon ausgehen, daß zu den beiden Bilanzstichtagen nicht mit einem Ende der Nutzungsdauer per ernstlich gerechnet werden mußte. Folglich bestand auch kein gesetzmäßiger Grund, von der seinerzeit gewählten Nutzungsdauer nunmehr abzuweichen. Die Beurteilung des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes ist daher ebenfalls frei von Rechtsirrtum.
Folglich wird die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des Beschwerdepunktes in ihren Rechten nicht verletzt, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden mußte.
Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.