VwGH vom 25.10.2001, 99/15/0220

VwGH vom 25.10.2001, 99/15/0220

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

99/15/0221

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zehetner, über die Beschwerde des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung IV, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , GZ. UVS- 07/F/38/189/99, UVS-07/V/38/159-167/99 und UVS-07/V/38/158/99, betreffend Übertretung des Vergnügungssteuergesetzes (mitbeteiligte Partei: Richard H in Wien, vertreten durch Dr. Stefan Joachimsthaler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Kandlgasse 32/10), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Rahmen der Anfechtung, nämlich soweit dieser hinsichtlich der im erstinstanzlichen Straferkenntnis vom enthaltenen Spruchpunkte I.8) bis 10) das Verfahren einstellt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen von folgendem unstrittigen Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführerin leitete mit der dem Mitbeteiligten zugestellten Aufforderung zur Rechtfertigung vom Verwaltungsstrafverfahren ein. Diese Aufforderung zur Rechtfertigung hatte - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - folgenden Inhalt:

"Es wird Ihnen zur Last gelegt, folgende Verwaltungsübertretungen begangen zu haben:

Sie haben es als Verantwortlicher der V. Gaststätten Betriebs GmbH


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1)
...
2)
...
8)
bis zum unterlassen, die Vergnügungssteuer (Publikumstanzveranstaltungen) für den Monat November 1996, im Betrage von S 101.560,--,
9) bis zum unterlassen, die Vergnügungssteuer (Publikumstanzveranstaltungen) für den Monat Dezember 1996, im Betrag von S 109.326,--,
10) bis zum unterlassen, die Vergnügungssteuer (Publikumstanzveranstaltungen) für den Monat Jänner 1997 im Betrage von S 68.032,--
einzubekennen und zu entrichten. Sie haben dadurch die Vergnügungssteuer
1)
...
2)
...
8)
für den Monat November 1996 am mit dem Betrag von S 101.560,--,
9) für den Monat Dezember 1996 am mit dem Betrag von S 109.326,--,
10) für den Monat Jänner 1997 am mit dem Betrag von S 68.032,--
verkürzt und Verwaltungsübertretungen begangen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 19 Abs. 1 des Vergnügungssteuergesetzes 1987,
§ 54 Abs. 1 der Wiener Abgabenordnung - WAO in der Fassung des LGBl. Nr. 15/1994."
Der Mitbeteiligte entsprach dieser Aufforderung zur Rechtfertigung nicht.
Mit erstinstanzlichem Bescheid wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es in Wien als verantwortlicher Vertreter der der V. Gaststätten Betriebs GmbH ...
8) bis zum unterlassen, die Vergnügungssteuer (Publikumstanzveranstaltungen) für den Monat November 1996 im Betrage von ATS 101.560,--,
9) bis zum unterlassen, die Vergnügungssteuer (Publikumstanzveranstaltungen) für den Monat Dezember 1996 im Betrage von ATS 109.326,--,
10) bis zum unterlassen, die Vergnügungssteuer (Publikumstanzveranstaltungen) für den Monat Jänner 1997 im Betrage von ATS 68.032,-- einzubekennen und zu entrichten; er habe hiedurch die Vergnügungssteuer ...
8) für den Monat November 1996 am mit dem Betrag von ATS 101.560,--,
9) für den Monat Dezember 1996 am mit dem Betrag von ATS 109.326,--,
10) für den Monat Jänner 1997 am mit dem Betrag von ATS 68.032,-- verkürzt und Verwaltungsübertretungen begangen.
Wegen Verletzung der §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 1 i.V.m. 19 Abs. 1 des Vergnügungsteuergesetzes 1987 im Zusammenhang mit § 54 Abs. 1 der Wiener Abgabenordnung WAO wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt und gemäß § 64 VStG Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens verfügt. In der Begründung führte die Behörde erster Rechtsstufe nach Gesetzeszitaten aus, der Mitbeteiligte sei in den Anlassfällen gegenüber den erhebenden Revisionsbeamten regelmäßig als verantwortlicher Vertreter der steuerpflichtigen Gesellschaft aufgetreten und es sei kein Zweifel daran bestanden, dass er selbst namens der Gesellschaft diese Publikumstanzveranstaltungen durchgeführt habe. Er sei daher den in der vorgenannten Bestimmung der Wiener Abgabenordnung - letzter Satz - genannten Vertretern zuzurechnen. Der Sachverhalt der dem Mitbeteiligten zur Last gelegten Taten sei durch das Ergebnis des Abgabenbemessungsverfahrens und dem Kontostand unbedenklich erwiesen und sei ihm vorgehalten worden.
Das Straferkenntnis wurde an den Mitbeteiligten per Adresse der V. Gaststätten Betriebs GmbH gesandt und kam mit dem Vermerk "verzogen " zurück. Die Behörde erster Instanz führte daraufhin Abfragen aus der magistratsinternen Personendatenbank durch und verfügte am die Hinterlegung des Straferkenntnisses an dem für die V. Gaststätten Betriebs GmbH zuständigen Postamt ohne Zustellversuch.
Nachdem der Mitbeteiligte im Wege einer Mahnung Kenntnis vom Straferkenntnis erlangte, nahm sein rechtsfreundlicher Vertreter am Akteneinsicht. Mit Schreiben vom beantragte der Mitbeteiligte die Zustellung des Straferkenntnisses, die Feststellung der mangelnden Vollstreckbarkeit des Straferkenntnisses, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und erhob schließlich Berufung.
Mit Bescheid vom wies die Beschwerdeführerin den Antrag des Mitbeteiligten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Berufung gemäß § 71 Abs. 1, 2 und 4 AVG zurück. Gemeinsam mit diesem Bescheid wurde dem Mitbeteiligten das Straferkenntnis am zugestellt.
Der Mitbeteiligte erhob daraufhin mit Schriftsatz vom Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gegen die Abweisung betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Folge und bestätigte diesen erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung als unzulässig zurückgewiesen wird (Punkt II.); der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis wurde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt (Punkt I).
In der Begründung wurde zu Punkt II. ausgeführt, die Berufung gegen das Straferkenntnis sei rechtzeitig eingebracht worden, sohin vom Mitbeteiligten keine Frist versäumt worden, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung im Grunde zu Recht zurückgewiesen worden sei.
Zur Aufhebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens führte die belangte Behörde aus, die einzige, die Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung sei die Aufforderung zur Rechtfertigung vom gewesen. Darin sei gegen den Mitbeteiligten - mit dem Unterschied, dass er darin als Verantwortlicher der V. Gaststättenbetriebs GmbH zur Verantwortung gezogen worden sei - der idente Tatvorwurf wie im Straferkenntnis erhoben worden. Der Mitbeteiligte sei im erstinstanzlichen Straferkenntnis, soweit sich aus dieser Begründung ergebe, gemäß § 54 Abs. 1 WAO zur Verantwortung gezogen worden, weil er jene Person sei, die auf die Erfüllung der Pflicht der Abgabepflichtigen oder ihrer Vertreter tatsächlich Einfluss habe nehmen können. Die angesprochene Aufforderung zur Rechtfertigung enthalte nur die Tatanlastung, dass der Mitbeteiligte "als Verantwortlicher" der V. Gaststätten Betrieb GmbH die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen begangen habe. Diese Bezeichnung der Verantwortlichkeit sei nicht ausreichend konkret, weil darin nicht ausgeführt worden sei, dass der Mitbeteiligte einer jener Personen gemäß § 54 Abs. 1 WAO sei, welche maßgeblichen Einfluss auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen oder ihrer Vertreter tatsächlich haben nehmen können und wie diese Einflussnahme erfolgt sei. Dem Mitbeteiligten sei daher die Möglichkeit genommen worden, auf den Tatvorwurf konkrete Beweise anzubieten und sei er nicht davor geschützt, wegen des selben Verhaltens nocheinmal zur Verantwortung gezogen zu werden.
Es sei nicht näher einzugehen, ob über die im § 9 Abs. 1 und 2 VStG normierten verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeiten tatsächlich noch weitere - wie im § 54 WAO normiert - bestehen könnten. Da sohin innerhalb der Verfolgungsverjährung keine die Verjährung unterbrechende Verfolgungshandlung gesetzt worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Die gegen diese Bescheide gerichtete Beschwerde bezieht sich nur auf Spruchteil I, "Spruchpunkte 8) bis 10)". Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragt die Aufhebung aus diesem Grunde. Die Beschwerdeführerin meint, über die im § 9 Abs. 1 und 2 VStG normierten verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeiten hinaus bestünden noch weitere solche, wie eben in § 54 WAO. In der Aufforderung zur Rechtfertigung sei die Funktion des Mitbeteiligten mit "Verantwortlicher", im Straferkenntnis mit "verantwortlicher Vertreter" bezeichnet worden und zusätzlich sei jeweils auf § 54 Abs. 1 WAO Bezug genommen worden. Diese Formulierungen seien ausreichend gewesen. Die belangte Behörde hätte, wenn sie diese Formulierung als ungenügend ansehe, entsprechende Ergänzungen einfügen müssen; sofern sie die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle als nicht vorliegend ansehe, hätte sie ein entsprechendes Beweisverfahren durchführen müssen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, die Aufforderung zur Rechtfertigung sei keine die Verjährung unterbrechende Verfolgungshandlung gewesen, weil der Mitbeteiligte darin nur als "Verantwortlicher" der V. Gaststätten Betriebs GmbH bezeichnet worden sei.
Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in zwei Erkenntnissen eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 12.375/A, sowie 86/18/0077, die Rechtsfrage, ob Gegenstand einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG auch die Frage zu sein hat, ob der Beschuldigte die Tat in eigener Verantwortung begangen hat oder als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 VStG zu vertreten hat, dahingehend gelöst, dass in diesem Stadium des Verfahrens noch nicht zu fordern ist, dass dem individuell bestimmten Beschuldigten allenfalls auch vorgeworfen werden muss, er habe die Tat als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 VStG zu verantworten. An dieser, in der Folge aufrecht erhaltenen Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 94/11/0283, und vom , 98/15/0161) wird ausdrücklich festgehalten. Wenn also ein zur Gänze fehlender Hinweis auf § 9 VStG in diesem Stadium des Verfahrens nicht schadet, dann umso weniger ein - nach Meinung der belangten Behörde - unzureichender. Entgegen der belangten Behörde stellt daher die Aufforderung zur Rechtfertigung vom eine die Verjährung unterbrechende Verfolgungshandlung dar.
Darüber hinaus vertritt die belangte Behörde die Auffassung, es sei nicht näher darauf einzugehen, ob über die im § 9 Abs. 1 und 2 VStG normierten verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeiten hinaus noch weitere - wie im § 54 WAO normiert - bestehen könnten. Im VStG finde sich im Zusammenhang mit der Tätereigenschaft nur noch die Beihilfe und die Anstiftung.
Dazu ist zunächst an den Wortlaut des § 9 Abs. 1 VStG zu erinnern, wonach für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit strafrechtlich verantwortlich ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Demnach tritt die Verantwortlichkeit nach § 9 Abs. 1 VStG erst dann ein, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen bestellt sind. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, § 54 Abs. 1 letzter Satz WAO sei eine verwiesene Vorschrift im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG, ist zuzustimmen. Nach dieser Bestimmung werden seit der Novelle LGBl. Nr. 40/1992 nicht nur die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen, sondern auch die Personen, denen die Bestellung von Vertretern juristischer Personen zukommt, wenn kein Vertreter bestellt ist, sowie die Personen, die auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen oder ihrer Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, zur Haftung und strafrechtlichen Verantwortung herangezogen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 85/17/0104, 0152, und Stoll, BAO-Kommentar, 791).
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Wien, am