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VwGH vom 20.09.2000, 97/08/0645

VwGH vom 20.09.2000, 97/08/0645

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

97/08/0646 E

Besprechung in:

ZAS 1/2001, Judikaturbeilage Sozialrecht, S 4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der V GmbH in W, vertreten durch Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien I, Kohlmarkt 11/5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS8-7408/2-1997, betreffend einen Beitrag nach § 5b AMPFG (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in St. Pölten, Dr. Karl-Renner-Promenade 14-16), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, als ehemalige Dienstgeberin des (nach der Aktenlage am geborenen) P.B. einen Malusbetrag gemäß § 5b AMPFG in der Höhe von S 35.945,55 zu entrichten. Begründend wurde ausgeführt, das zwischen der Beschwerdeführerin und P.B. seit 1973 bestehende Dienstverhältnis sei mit einvernehmlich gelöst worden. Zu diesem Zeitpunkt habe P.B. bereits das 50. Lebensjahr überschritten gehabt.

In ihrem Einspruch gegen diesen Bescheid machte die Beschwerdeführerin geltend, die vertragliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum sei - im Rahmen eines der Personalreduktion dienenden, hinsichtlich des Abschlusses der erforderlichen Vereinbarungen im Dezember 1995 ausgelaufenen Vorruhestandsmodells - bereits am und somit lange vor dem Inkrafttreten des § 5b AMPFG erfolgt. Maßgeblich müsse die Rechtslage im Zeitpunkt der Auflösungsvereinbarung sein.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem - wie sie meinte - "als Berufung zu wertenden" Einspruch der Beschwerdeführerin keine Folge. Ausgehend von dem auch hinsichtlich des Zeitpunktes des Zustandekommens der Auflösungsvereinbarung unstrittigen Sachverhalt führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin könne für die Vereinbarung vom die lediglich auf Kündigungen, aber nicht auf einvernehmliche Auflösungen von Dienstverhältnissen abstellende Übergangsvorschrift des § 10 Abs. 3 zweiter Satz AMPFG nicht in Anspruch nehmen, weshalb die am in Kraft getretene Regelung über den "Malusbeitrag" auf die 1994 vereinbarte Auflösung des Dienstverhältnisses zum anzuwenden sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - erwogen hat:

Vorweg ist darauf einzugehen, dass sich die belangte Behörde - unter ausdrücklicher Berufung auf § 5c Abs. 1 letzter (gemeint: vorletzter) Satz AMPFG - dazu veranlasst gesehen hat, den Einspruch der Beschwerdeführerin "als Berufung anzusehen". Nach § 5c Abs. 1 erster Satz AMPFG obliegt die Vorschreibung, Einhebung der Beiträge und Feststellung der Beitragspflicht gemäß § 5b AMPFG dem örtlich zuständigen Krankenversicherungsträger nach dem für die Feststellung der Versicherungspflicht und für die Abfuhr der Dienstgeberbeiträge zur Krankenversicherung maßgebenden Verfahren. Daran schloss sich in der ursprünglichen Fassung dieser mit dem Arbeitsmarktpolitikgesetz 1996, BGBl. Nr. 153, eingeführten Bestimmung der Satz, im "Berufungsverfahren" entscheide der Landeshauptmann endgültig. Mit Art. V Z. 5 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 411, wurde der Ausdruck "Berufungsverfahren" durch den Ausdruck "Einspruchsverfahren" ersetzt. Die so geänderte Fassung der Bestimmung trat gemäß § 10 Abs. 5 AMPFG am in Kraft. Im angefochtenen Bescheid vom bestand daher kein Anlass, das zutreffend als Einspruch eingebrachte Rechtsmittel der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom "als Berufung anzusehen". Sollte die belangte Behörde dabei an eine Berufung im Sinne des AVG gedacht haben, so hätte sie das Rechtsmittel - da es erheblich später als zwei Wochen nach der Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung zur Post gegeben worden war - im Übrigen zurückweisen müssen.

In der Sache selbst ist zwischen den Parteien nur strittig, ob eine 1994 vereinbarte Auflösung des Dienstverhältnisses eines (schon damals) das 50. Lebensjahr überschritten habenden Arbeitnehmers zu einem nach dem gelegenen Zeitpunkt nach der mit diesem Tag in Kraft getretenen Regelung des § 5b AMPFG - bei Bedachtnahme auf § 10 Abs. 3 AMPFG - die Verpflichtung des Dienstgebers zur Entrichtung eines "Malusbeitrages" auslösen konnte.

Die hiefür maßgeblichen Teile der erwähnten Bestimmungen in ihren bei Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassungen lauteten:

"Arbeitslosenversicherungsbeitrag bei Freisetzung Älterer

§ 5b. (1) Dienstgeber, die das Dienstverhältnis eines Dienstnehmers, der zum Beendigungszeitpunkt das 50. Lebensjahr vollendet oder überschritten hat, auflösen, haben einen Beitrag zu entrichten.

(2) Der Beitrag ist in einem Betrag zu entrichten und ist wie folgt zu bemessen: ...

(3) Die Beitragspflicht besteht in jedem Auflösungsfall, außer der Dienstnehmer hat gekündigt, er ist ohne wichtigen Grund vorzeitig ausgetreten, oder es hat ihn ein Verschulden an der Entlassung getroffen. Weiters ist Voraussetzung, dass der Dienstnehmer mindestens zehn Jahre im Unternehmen beschäftigt war, wobei Unterbrechungen der Beschäftigung bis zu einem Jahr eingerechnet werden. Die Beitragspflicht entfällt bei Betriebsstillegung bzw. Teilstillegung.

Sie entfällt weiters dann, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses die gesetzliche Altersgrenze für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer erreicht hat oder der Dienstnehmer in diesem Zeitpunkt bereits einen Anspruch auf eine Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension hat. Ferner entfällt sie, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig ausgetreten ist. Sie entfällt auch, wenn ...

Inkrafttreten

§ 10. ...

(3) § 1 Abs. 1, §§ 5a bis 5c und § 7 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 153/1996 treten mit in Kraft. § 5b ist nicht anzuwenden, wenn das Dienstverhältnis vor dem gekündigt worden ist und auf Grund von Kündigungsfristen oder auch Kündigungsterminen nach dem beendet wird."

Für diese Rechtslage ist zunächst bezeichnend, dass die Beitragspflicht zwar "Dienstgeber" treffen soll, "die das Dienstverhältnis eines Dienstnehmers ... auflösen" (§ 5b Abs. 1 AMPFG), was eine einseitige Auflösung durch den Dienstgeber vorauszusetzen scheint, andererseits aber - mit bestimmten Ausnahmen - "in jedem Auflösungsfall" besteht, wobei das Gesetz keinen Zweifel daran lässt, dass damit auch "Auflösungsfälle" gemeint sind, in denen es nicht oder nicht allein die Dienstgeber sind, die "das Dienstverhältnis eines Dienstnehmers ... auflösen" (§ 5b Abs. 3 AMPFG). Angeknüpft wird an die Auflösung als solche (so schon die Wiedergaben der Regelung durch Gründler, SWK 1996, B 45, und Andexlinger, ecolex 1996, 292; vgl. nun auch die Neufassung des § 5b AMPFG durch Art. 6 Z. 3 des SRÄG 2000, BGBl. I Nr. 101). Auch für das Alter des Dienstnehmers kommt es nach § 5b Abs. 1 AMPFG auf den Beendigungszeitpunkt und nicht auf den Zeitpunkt an, in dem die die Beendigung des Dienstverhältnisses bewirkenden Rechtshandlungen gesetzt wurden.

In übergangsrechtlicher Hinsicht stärkt dies zunächst den Standpunkt der belangten Behörde, wonach die gemäß § 10 Abs. 3 erster Satz AMPFG mit in Kraft getretene Regelung auf den vorliegenden Fall anzuwenden sei.

In § 10 Abs. 3 zweiter Satz AMPFG hat der Gesetzgeber aber vorgesehen, dass die Regelung nicht anzuwenden sei, "wenn das Dienstverhältnis vor dem gekündigt worden ist und aufgrund von Kündigungsfristen oder auch Kündigungsterminen nach dem beendet wird". Diese Regelung war im Initiativantrag (124/A 20. GP) noch nicht vorgesehen gewesen. Sie wurde vom Ausschuss für Arbeit und Soziales zusammen mit der den vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers aus gesundheitlichen Gründen betreffenden Ausnahme von der Beitragspflicht aufgrund folgender Erwägungen vorgeschlagen (64 BlgNR 20. GP 5):

"Hier erfolgen Klarstellungen bei den Formulierungen. Insbesondere soll bei der Beitragspflicht des Arbeitgebers infolge Freisetzung älterer Arbeitnehmer (§ 5b AMPFG) klargestellt werden, dass diese nicht besteht, wenn ... ein Arbeitnehmer vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen gekündigt wurde, die tatsächliche Beendigung aber erst danach erfolgt."

Diese "Klarstellung" ist vor dem Hintergrund des Gesetzeszweckes zu sehen, wonach die Regelung - wenngleich bloß "zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes" - der "Sicherung der Beschäftigung Älterer" dienen soll (so die einleitende Begründung des Initiativantrages, wiedergegeben im Ausschussbericht, 64 BlgNR 20. GP 1). Der demnach verhaltenssteuernde Zweck der Regelung ließ eine "Klarstellung" im Sinne des Nichteintritts der Beitragspflicht bei einer schon vor dem Inkrafttreten der Regelung ausgesprochenen Dienstgeberkündigung und nicht etwa im umgekehrten Sinne eines Eintritts der Beitragspflicht in diesen Fällen geboten erscheinen.

Zur "Sicherung der Beschäftigung Älterer" trägt auch die Anwendung einer erst 1996 in Kraft getretenen Beitragsregelung auf eine schon 1994 vereinbarte Beendigung des Dienstverhältnisses nichts bei. Eine Unterscheidung danach, ob vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eine Kündigung ausgesprochen oder eine Auflösung des Dienstverhältnisses einvernehmlich vereinbart worden ist, wäre auch sachlich nicht gerechtfertigt und begegnete überdies den verfassungsrechtlichen Bedenken der Verletzung des Vertrauensschutzes. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist daher der von der belangten Behörde gezogene Umkehrschluss aus § 10 Abs. 3 zweiter Satz AMPFG auch aus Gründen verfassungskonformer Interpretation abzulehnen und die Regelung im Sinne des in dieser Gesetzesstelle für die Fälle der Kündigung "Klargestellten" auch auf eine schon vor ihrem Inkrafttreten vereinbarte Beendigung des Dienstverhältnisses nicht anzuwenden.

Der nicht näher belegten Ansicht der belangten Behörde und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, die Beschränkung des § 10 Abs. 3 zweiter Satz AMPFG auf Kündigungen sei beabsichtigt gewesen, "um auf diese Weise eine Umgehung der Regelung zu verhindern", ist nicht zu folgen. Dass eine erst 1996 in Kraft getretene Regelung nicht schon 1994 "umgangen" werden konnte, versteht sich von selbst. Es ist aber auch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber in Bezug auf Auflösungsvereinbarungen in der von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse angenommenen Weise verhindern wollte, dass der "Malusregelung" noch knapp vor ihrem Inkrafttreten zuvorgekommen würde. Dagegen spricht nicht nur der kurze Zeitabstand zwischen der Veröffentlichung des Arbeitsmarktpolitikgesetzes 1996 im Bundesgesetzblatt am und dem Inkrafttreten des § 5b AMPFG am , sondern vor allem die "Klarstellung" für Dienstgeberkündigungen vor dem Inkrafttreten des Gesetzes in § 10 Abs. 3 zweiter Satz AMPFG, die sonst ja völlig unverständlich wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil die Pauschalgebühr gemäß § 110 Abs. 1 ASVG nicht zu entrichten war (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 97/16/0206, 0210).

Wien, am