VwGH vom 03.05.2005, 2003/18/0201
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1986, vertreten durch Dr. Manfred Fuchsbichler, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Traungasse 14/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 262/02, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Zur Vorgeschichte wird auf das eine Beschwerde gegen die Abweisung eines Antrags des Beschwerdeführers auf Niederlassungsbewilligung abweisende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/18/0068, verwiesen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei mit einem von der österreichischen Botschaft in Ankara am ausgestellten und bis zum gültigen Visum C in das Bundesgebiet eingereist. Seit dem halte sich der Beschwerdeführer rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Das Bezirksgericht Peuerbach als Pflegschaftsgericht habe die Bewilligung der Adoption des Beschwerdeführers durch die Eheleute C. verweigert. Dem dagegen eingebrachten Rekurs sei vom Landesgericht Wels mit Beschluss vom keine Folge gegeben worden. Die Eltern des Beschwerdeführers würden sich legal im Bundesgebiet aufhalten. Zwei der Geschwister des Beschwerdeführers würden sich nach wie vor in seinem Heimatland aufhalten. Der Vater des Beschwerdeführers lebe seit 1990 legal in Österreich; am sei ihm eine unbefristete Niederlassungsbewilligung für jeden Aufenthaltszweck erteilt worden. Die Mutter des Beschwerdeführers lebe seit April 2001 legal im Bundesgebiet.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung bestehe nicht. Auch aus der Anregung des Beschwerdeführers auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis lasse sich kein Aufenthaltsrecht ableiten. In Anbetracht der persönlichen und familiären Situation werde durch die Ausweisung in das Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Er habe jedoch selbst nicht damit rechnen dürfen, nach Ablauf seines Reisevisums weiterhin legal im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, zumal auch über seinen Niederlassungsantrag nicht positiv entschieden worden sei. Der Beschwerdeführer halte sich seit dem illegal in Österreich auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß, sodass die Ausweisung gemäß § 37 Abs. 1 FrG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben würden, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung sei erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund habe auch von der Ermessensbestimmung des § 33 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden müssen.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Beschluss vom , B 405/03, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dass er im Juli 2001 nach Österreich eingereist sei, nach Ablauf des ihm erteilten, bis gültigen Sichtvermerks das Bundesgebiet aber nicht verlassen habe und sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit Bescheid des Bundesminister für Inneres vom abgewiesen worden sei. Von daher begegnet die (unbekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG verwirklicht sei, keinem Einwand.
2.1. Die Beschwerde bringt mit Blick auf § 37 Abs. 1 FrG vor, dass der Vater des Beschwerdeführers bereits seit 13 Jahren legal im Bundesgebiet lebe und über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung verfüge. Es sei zu erwarten, dass ihm in absehbarer Zeit die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werde. Da auch die Mutter des Beschwerdeführers nunmehr (seit 2001) in Österreich niedergelassen sei, würden beide Kindeseltern den ehelichen Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten. Dem gemäß sei nicht davon auszugehen, dass die Familie in die Türkei zurückkehren werde. Auf Grund eines derartigen Sachverhaltes werde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht aus Art. 8 EMRK ein positiver Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung im Aufnahmeland abgeleitet. Auf Grund der völkerrechtlichen Verpflichtungen, welche sich insbesondere aus Art. 8 EMRK und der UN-Konvention über die Rechte der Kinder ergeben würden, sei Österreich als Vertragsstaat verpflichtet, ausreichend dafür Sorge zu tragen, dass Minderjährige nicht der Gefahr einer Verwahrlosung ausgesetzt würden und im Besonderen auch für eine umfassende Betreuung und Obsorge durch beide Elternteile gesorgt würde. Die angefochtene Entscheidung stelle einen gravierenden Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Interessen dar. Es sei nicht dargetan worden, inwieweit dieser Eingriff durch ein dringendes gesellschaftliches Bedürfnis gerechtfertigt sei und insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten legitimen Zielen stehe. Die belangte Behörde hätte eine "faire Güterabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers einerseits und dem Recht auf Kontrolle der Immigration vorzunehmen gehabt".
2.2. Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Die belangte Behörde hat unter Zugrundelegung des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit Juli 2001, sohin seit eineinhalb Jahren, und seiner familiären Bindungen im Bundesgebiet zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Ebenso zutreffend hat sie aber - auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, dass der Beschwerdeführer noch minderjährig ist - die Auffassung vertreten, dass seinen persönlichen Interessen an einem weiteren Verbleib in Österreich keine solche Bedeutung zukomme, dass seine Ausweisung nicht dringend geboten wäre. Das im gegebenen Zusammenhang maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten weist aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) einen hohen Stellenwert auf (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2004/18/0105). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer, der sich lediglich während der Dauer des ihm erteilten Sichtvermerks bis zum rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat, durch seinen daran anschließenden unrechtmäßigen Aufenthalt von etwa 16 Monaten (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) gravierend beeinträchtigt. Weder dem angefochtenen Bescheid noch der Beschwerde lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass er nicht von seinen Eltern, insbesondere nicht von seiner erst seit dem Jahr 2001 legal in Österreich lebenden Mutter ins Ausland begleitet werden könnte.
Schließlich ist festzuhalten, dass der langjährige Aufenthalt des Vaters des Beschwerdeführers von der belangten Behörde ausreichend berücksichtigt wurde und fallbezogen ein aus Art. 8 EMRK ableitbarer Anspruch auf Familiennachzug auf dem Boden der hg. Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/21/0195) nicht in Betracht kommt. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von dem vom Beschwerdeführer angesprochenen, vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit Urteil vom (Beschwerdenummer 31465/96) entschiedenen Fall Sen gegen die Niederlande in sachverhaltsmäßiger Hinsicht entscheidend insofern, als sich der Beschwerdeführer - so wie seine Mutter - erst etwas weniger als zwei Jahre in Österreich - mit folglich noch nicht ausgeprägter Integration - aufhält und sich lediglich der Vater des Beschwerdeführers - somit nur ein Familienmitglied - schon seit längerem in Österreich befindet. Es bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte für Hindernisse zur Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Heimatstaat des Beschwerdeführers und es ist auch nicht ersichtlich, dass für den Vater des Beschwerdeführers und (wie schon erwähnt) für seine Mutter eine (gemeinsame) Rückkehr in den Heimatstaat unzumutbar wäre, zumal aus dem vorgebrachten Umstand, dass der Vater des Beschwerdeführers die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft beantragt hat, nicht abgeleitet werden kann, dass eine solche Verleihung tatsächlich erfolgen werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/18/0041).
3. Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am
Fundstelle(n):
IAAAE-62054