VwGH vom 21.04.1998, 97/08/0634
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
97/08/0635 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde
1. - 15. alle in W, alle vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft, Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , Zl. 37.100/6-2/96, betreffend Versicherungspflicht nach dem AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheiden vom stellte die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter fest, die Beschwerdeführer unterlägen als Dienstnehmer einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts eingerichteten, gesetzlichen Interessenvertretung der Dienstgeber ab der Versicherungspflicht nach dem AlVG.
Den von den Beschwerdeführern dagegen erhobenen Einsprüchen gab der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom nicht Folge.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die von den Beschwerdeführern gegen den Bescheid des Landeshauptmannes erhobene Berufung als unbegründet ab. Sie führte dazu aus, das Zutreffen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 lit. a AlVG sei in den Fällen der Beschwerdeführer nicht strittig. Es werde auch nicht bestritten, daß die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 lit. c AlVG in der bis dahin geltenden Fassung, durch die die Beschwerdeführer von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommen gewesen seien, durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 817/1993 mit Ablauf des aufgehoben worden sei. Die Prüfung der Verfassungskonformität der dadurch geschaffenen einfach-gesetzlichen Rechtslage stehe ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof zu.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. In dieser Beschwerde regten sie an, der Verfassungsgerichtshof möge nach amtswegiger Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens Art. I Z. 2 und Z. 22 des Gesetzes BGBl. Nr. 871 (gemeint: 817)/1993, in eventu die in Z. 2 enthaltene Wortfolge "§ 1 Abs. 2 lit. c wird aufgehoben" sowie die Z. 22 des genannten Artikels, in eventu nur die zitierte Wortfolge in Art. I Z. 2 des genannten Gesetzes als verfassungswidrig aufheben. Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß durch den Wegfall der bisherigen Ausnahmebestimmung u.a. die Beschwerdeführer in die Arbeitslosenversicherung einbezogen worden seien, was mit einer Verpflichtung zur Beitragszahlung verbunden sei und daher in die Vermögenssphäre der Beschwerdeführer eingreife. Die Beschwerdeführer unterlägen seit aufgrund der beschriebenen Gesetzesänderung der Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung. Dies sei u.a. deshalb gleichheitswidrig, weil die Beschwerdeführer aus näher dargestellten Gründen keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu erwarten hätten, und weil sowohl die öffentlich Bediensteten als auch - durch eine etwas versteckte Regelung im Bundesbahngesetz, BGBl. Nr. 825/1992 - bestimmte "ÖBB-Beamte" weiterhin von der Versicherungspflicht nach dem AlVG ausgenommen seien. Durch verfassungswidrige Befreiungen könne aber auch ein Grundtatbestand verfassungswidrig werden. Hilfsweise werde daher angeregt, nach amtswegiger Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens § 1 Abs. 1 lit. a AlVG als verfassungswidrig aufzuheben. Nach einem aufhebenden Erkenntnis im Normenkontrollverfahren werde der angefochtene Bescheid jedenfalls aufzuheben sein ("Ergreiferprämie").
Mit Beschluß vom , B 2218/96-9, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab.
Er begründete dies wie folgt:
"Die Beschwerde behauptet die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums wegen Anwendung eines für verfassungswidrig erachteten Gesetzes. Vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu diesem Recht () läßt ihr Vorbringen die behauptete Rechtsverletzung, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Sache ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen."
Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom , B 2218/96-12, wurde die Beschwerde über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführer gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Mit Berichterverfügung vom wurde den Beschwerdeführern aufgetragen, die Beschwerde für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof u.a. durch die bestimmte Bezeichnung des Rechtes, in dem sie verletzt zu sein behaupteten, und durch die Anführung der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stütze, zu ergänzen.
In ihrem ergänzenden Schriftsatz vom führen die Beschwerdeführer aus, sie erachteten sich in ihrem einfach-gesetzlichen Recht auf Feststellung verletzt, daß sie ab nicht der Arbeitslosenversicherungspflicht unterlägen. Zur Begründung werde auf die Ausführungen in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde verwiesen, die nunmehr "als Verletzung einfach-gesetzlicher Bestimmungen relativiert" würden. Dem folgen im Ergänzungsschriftsatz der "Hinweis" auf die verfassungsgesetzliche Pflicht des Verwaltungsgerichtshofes, im Falle von ihm geteilter verfassungsrechtlicher Bedenken gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG mit einem Aufhebungsantrag an den Verfassungsgerichtshof heranzutreten, weiters der Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides "wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes", und eine Anregung, der Verwaltungsgerichtshof möge gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen, Art. I Z. 2 und Z. 22 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 871 (gemeint: 817)/1993, in eventu die Wortfolge "§ 1 Abs. 2 lit. c wird aufgehoben" in Z. 2 und die Z. 22 dieses Artikels, in eventu nur die zitierte Wortfolge in Art. I Z. 2 des genannten Gesetzes als verfassungswidrig aufzuheben.
Zu dieser Anregung führen die Beschwerdeführer auf den nachfolgenden 11 Seiten des Ergänzungsschriftsatzes aus, woraus sich trotz des Umstandes, daß die Beschwerden schon beim Verfassungsgerichtshof anhängig gewesen seien, auch bei Bedachtnahme auf dessen im Ablehnungsbeschluß zitierte Vorentscheidung die Berechtigung dieser Anregung ergebe. Die ins Treffen geführten Argumente gründen sich im wesentlichen darauf, daß der Gesetzgeber mit dem (erst am kundgemachten) Gesetz BGBl. I Nr. 16/1998 bestimmte Eisenbahnbedienstete bis zum Ablauf des Jahres 1999 von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommen und damit rückwirkend eine einfach-gesetzliche Rechtslage geschaffen habe, die vom Verfassungsgerichtshof in dem Erkenntnis, auf das er in dem in der vorliegenden Sache ergangenen Ablehnungsbeschluß verwiesen habe, bereits (hypothetisch) als gleichheitswidrig beurteilt worden sei.
Im Anschluß an diese Ausführungen legen die Beschwerdeführer auf der letzten Seite des Ergänzungsschriftsatzes dar, daß sie auch im Falle einer einem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes folgenden Aufhebung der präjudiziellen Gesetzesstelle als verfassungswidrig in den Genuß der "Ergreiferprämie" kommen würden, und daß der Bescheid "im Lichte einer solcherart (wie angeregt) bereinigten Gesetzeslage" mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet sein würde.
Der letzte Satz des Ergänzungsschriftsatzes lautet wie folgt:
"5. Auf einfach-gesetzlicher Ebene muß eine verfassungskonforme reduzierende Interpretation zum Ergebnis kommen, daß wir ab nicht der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegen."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer meinen, durch die erst nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides (und auch nach der Abtretung der vorliegenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof) im Bundesgesetzblatt kundgemachte, nach dem Verständnis der Beschwerdeführer die Anordnung einer Rückwirkung enthaltende Ausnahme bestimmter Eisenbahnbediensteter von der Arbeitslosenversicherungspflicht sei eine Rechtslage entstanden, deren von den Beschwerdeführern behauptete Verfassungswidrigkeit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung sei.
Dem kann nicht beigepflichtet werden, weil der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtmäßigkeit aufgrund der Gesetzeslage zu prüfen hat, die bei Erlassung des Bescheides bestand, und Änderungen der Rechtslage nach Erlassung des angefochtenen Bescheides - selbst wenn sie auf die Zeit vor der Erlassung des Bescheides zurückwirken sollten - bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen sind (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 560, zitierten Entscheidungen und das Erkenntnis vom , Zl. 94/12/0077, mit weiteren Nachweisen). Wäre somit die rückwirkende Aufhebung der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Bestimmungen durch den Gesetzgeber für die Entscheidung an sich nicht beachtlich, wenn sie erst nach der Erlassung des Bescheides erfolgte, so muß dies auch für verfassungsrechtliche Bedenken gelten, die sich aus einem erst später kundgemachten - wenn auch allenfalls rückwirkenden - Gesetz in bezug auf diese Bestimmungen ergeben sollten. Der Verwaltungsgerichtshof hat die von den Beschwerdeführern mit den im Ergänzungsschriftsatz dargestellten Argumenten als verfassungswidrig erachtete neue Rechtslage seiner Entscheidung daher nicht zugrunde zu legen, weshalb auch die Voraussetzungen eines Antrages gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG in bezug auf diese Rechtslage nicht gegeben sind. Ob den Beschwerdeführern bei einer dessen ungeachtet erfolgenden Antragstellung und der nachfolgenden Aufhebung dem Bescheid zugrunde liegender Vorschriften durch den Verfassungsgerichtshof die Anlaßfallwirkung des Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG zugute kommen könnte, ist dabei nicht von Bedeutung. Der Anregung der Beschwerdeführer, der Verwaltungsgerichtshof möge aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof stellen, ist daher nicht zu folgen.
Welche Bestimmungen sich nach Meinung der Beschwerdeführer in der Weise "verfassungskonform reduzierend" auslegen ließen, daß sich hieraus auch ohne Aufhebung dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegter Normen dessen Rechtswidrigkeit ergäbe, wird aus dem einen Satz, den die Beschwerdeergänzung zu diesem Thema enthält, nicht deutlich. Die Notwendigkeit, sich bei der verfassungskonformen Interpretation der rechtlichen Grundlagen des auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfenden Bescheides an erst nach dessen Erlassung kundgemachten Gesetzen zu orientieren, ist aus den schon dargestellten Gründen aber von vornherein nicht gegeben.
Da der Inhalt der Beschwerde somit erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.