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VwGH vom 27.02.2003, 99/15/0193

VwGH vom 27.02.2003, 99/15/0193

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der J GmbH in K, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Nikolaus, beeideter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1130 Wien, Altgasse 20/11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/479- 06/03/99, betreffend eine Nachforderung an Lohnsteuer, Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Rahmen einer bei der Beschwerdeführerin stattgefundenen Lohnsteuerprüfung wurde für den Prüfungszeitraum bis der Sachbezug für den dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellten Pkw von 0,75 % auf 1,5 % der Anschaffungskosten erhöht. Im diesbezüglichen Bericht wird ausgeführt, dass kein Fahrtenbuch vorhanden sei bzw. auch aus Reiseberichten die (privat gefahrenen) Kilometer nicht ersichtlich seien.

Das Finanzamt folgte den Prüferfeststellungen und erließ einen entsprechenden Haftungs- und Abgabenbescheid.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und führte dabei aus, dass die Frage, ob das Kraftfahrzeug monatlich mit mehr als 500 km für Privatfahrten herangezogen werde, schon im Zuge einer vorangegangenen Lohnsteuerprüfung strittig gewesen sei. Aus diesem Anlass sei an den Geschäftsführer ein Schreiben gerichtet worden, welches das Ausmaß der Privatnutzung des streitverfangenen Kraftfahrzeuges in unmissverständlicher und nach außen in Erscheinung tretender Form regle, und das in Kopie beigelegt werde.

Im genannten, mit datierten, Schreiben wurde ausgeführt, dass der zwischen der Beschwerdeführerin und dem Geschäftsführer im Übrigen mündlich abgeschlossene Dienstvertrag hinsichtlich der Privatnutzung des dem Geschäftsführer zur Verfügung gestellten Dienstwagens folgende Regelung beinhalte:

"Sie sind berechtigt, den Dienstwagen für Privatfahrten ausschließlich zwei Mal jährlich anlässlich einer Urlaubsreise, die Sie üblicherweise nach Saalbach führt, zu benützen; andere Privatfahrten mit dem Dienstwagen sind Ihnen ausdrücklich untersagt.

Im Übrigen halten wir fest, dass Sie den Dienstwagen im Wesentlichen für die Fahrten zwischen Ihrer Wohnstätte, die zugleich Betriebsstätte unserer Gesellschaft ist, und unserem Wiener Büro benützen, wobei Sie üblicherweise drei Mal wöchentlich von Klosterneuburg nach Wien und zurück mit dem Dienstwagen fahren."

In der Berufung wurde weiters ausgeführt, dass im Sinne des genannten Schreibens sich das Ausmaß an Privatfahrten wie folgt ermitteln lasse:

Fahrten zwischen den beiden Betriebsstätten:

13,5 km (einfache Fahrt) x 2 (Hin- und Rückfahrt) x 11 Monate (1 Monat Urlaubszeit) x 3 (Anzahl der monatlichen Fahrten) x 4,33 Wochen = 3.858 km

Private Urlaubsfahrten:

1.800 km (zwei Mal die Hin- und Rückfahrt nach Saalbach) Gesamte Privatfahrten jährlich:

5.658 km

Da mithin das durchschnittliche monatliche Ausmaß der Privatfahrten 500 km unterschreite, seien als Sachbezug lediglich 0,75 % der Anschaffungskosten in Ansatz zu bringen. In einem Vorhalt vom ersuchte das Finanzamt um Bekanntgabe, ob ein Nachweis dahingehend existiere, dass neben den angegebenen Privatfahrten für die Zurücklegung der Strecke Wohnung - Niederlassung in 1030 Wien sowie den zwei Mal jährlich durchgeführten Urlaubsfahrten keine weiteren Privatfahrten mit dem firmeneigenen Pkw durchgeführt würden.

Mit Schreiben vom wurde seitens der Beschwerdeführerin zum Beweis ihres Vorbringens die Vernehmung der mit dem Geschäftsführer im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin bzw. Tochter ausdrücklich gemäß § 183 Abs. 1 BAO beantragt. Andere Beweisanträge als das bereits vorgelegte Privatnutzungsverbot vom sowie die erwähnten Vernehmungen wurden nicht gestellt, da der Beschwerdeführerin "andere Beweismittel nicht bekannt" seien.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass auf Grund einer Beteiligung des Geschäftsführers in der Höhe von 25 % an der Beschwerdeführerin bzw. seiner Gattin in der Höhe von 75 % eine erhöhte Nachweispflicht bestehe. Bezüglich der aufgelisteten Privatfahrten wurde festgestellt, dass eine derartige Auflistung für sich allein noch keinen Nachweis darstelle und der Abgabenbehörde keine Möglichkeit biete, den Sachverhalt im Nachhinein zweifelsfrei zu beurteilen. Desgleichen stelle auch eine Vereinbarung, die zwischen Ehegatten abgeschlossen werde, mangels vorstellbarer tatsächlicher Konsequenzen im Falle der Nichteinhaltung, kein glaubhaftes Mittel dar, den behaupteten Sachverhalt zu objektivieren. Bezüglich der angebotenen Vernehmung von Gattin bzw. Tochter des Geschäftsführers werde bemerkt, dass derartigen Aussagen allenfalls beiläufiger Charakter zukomme. Die Objektivierung des behaupteten Sachverhaltes sei durch derartige Aussagen jedoch nicht zu erreichen. Die Abgabenbehörde gelange daher zu der Auffassung, dass ein Nachweis bzw. eine entsprechende Glaubhaftmachung über das tatsächliche Ausmaß der privaten Nutzung des Kfz nicht gelungen sei.

Die Beschwerdeführerin stellte einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte darin im Wesentlichen aus, die Berufungsvorentscheidung verstoße gegen das Verbot einer antizipativen Beweiswürdigung, wenn sie der angebotenen Vernehmung von Familienangehörigen des Geschäftsführers a priori nur "beiläufigen Charakter" zubillige, ohne die Vernehmung der angebotenen Zeugen überhaupt durchgeführt zu haben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Nach der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass mit den Ausführungen in der Vorhaltsbeantwortung, dem Abgabepflichtigen seien andere Beweismitteln nicht bekannt, die Richtigkeit der Feststellungen des Lohnsteuerprüfers bestätigt werde. Demnach gebe es kein Fahrtenbuch oder andere geeignete Anhaltspunkte (z.B. Reiseberichte), aus denen der Kilometerstand zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. die beruflich und die privat gefahrenen Kilometer schlüssig herauszulesen seien.

Dem im Vorlageantrag enthaltenen Vorwurf einer antizipativen Beweiswürdigung infolge der Unterlassung der Einvernahme der Ehegattin und der Tochter des Geschäftsführers werde entgegen gehalten, dass mit der zeugenschaftlichen Bestätigung der Berufungsbehauptung kein Beweis für deren Richtigkeit erbracht werde. Die Behörde gehe davon aus, dass die Familienangehörigen die Berufungsbehauptung bestätigen würden, weswegen die beantragte Einvernahme entfallen könne. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass das Schreiben vom , welches das so genannte Privatfahrverbot enthalte, von der Ehegattin des Geschäftsführers unterschrieben sei, die 75 % der Anteile an der Beschwerdeführerin halte, während die restlichen 25 % der Geschäftsführer halte. Das bedeute, dass das Privatfahrverbot zwischen dem Ehepaar vereinbart wurde.

Da vorausgesetzt werden könne, dass dem steuerlichen Vertreter die Judikatur über nahe Angehörige bekannt sei und auf Grund der Prüfungsfeststellungen offenkundig sei, dass Beweisvorsorgepflichten verletzt worden seien, sei die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Schätzung der Privatkilometer kein taugliches Mittel, um den Ansatz eines Sachbezugswertes festzustellen. Wer zur Schätzung Anlass gebe und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirke ("andere Beweismittel sind nicht bekannt"), müsse die mit jeder Schätzung verbundene Unsicherheit hinnehmen. Die Beschwerdeführerin schätzte die gesamten Privatfahrten mit

5.658 km. Die Differenz auf 6.000 km für den Ansatz des höheren Sachbezugswertes betrage bloß 342 km. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass anlässlich von Urlaubsreisen auch kleinere Ausflüge verbunden seien, sei es ohne weiteres nicht denkunmöglich, dass das Ausmaß der privaten Nutzung jenes Ausmaß erreiche, welches den von der Lohnsteuerprüfung festgestellten Ansatz erreiche. Was den Hinweis auf eine frühere Lohnsteuerprüfung betreffe, so habe die Beschwerdeführerin in ihrer damaligen Berufung selbst zum Ausdruck gebracht, dass das Ausmaß der Privatfahrten mehr als 500 km monatlich betragen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 15 Abs. 2 EStG 1988 sind geldwerte Vorteile (Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Kleidung, Kost, Waren, Überlassung von Kraftfahrzeugen zur Privatnutzung und sonstige Sachbezüge) mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes anzusetzen. Der übliche Mittelpreis des Verbrauchsortes ist der Betrag, den der Steuerpflichtige hätte aufwenden müssen, um sich die geldwerten Güter am Verbrauchsort im freien Verkehr zu beschaffen. Dieser Betrag ist jeweils in Bezug auf die betroffene Besteuerungsperiode zu ermitteln, wie dies durch die Bewertung der Sachbezüge regelmäßig in Verordnungsform geschieht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 97/14/0175).

§ 4 Abs. 1 und 2 der "Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge für 1992 und ab 1993" (im Folgenden: Sachbezugs-VO), BGBl. Nr. 642/1992, führt unter dem Titel "Privatnutzung des arbeitgebereigenen Kraftfahrzeuges" aus:

"§ 4. (1) Besteht für den Arbeitnehmer die Möglichkeit, ein arbeitgebereigenes Kraftfahrzeug für nicht beruflich veranlasste Fahrten einschließlich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu benützen, dann ist ein Sachbezug von 1,5% der tatsächlichen Anschaffungskosten des Kraftfahrzeuges (einschließlich Umsatzsteuer und Normverbrauchsabgabe), maximal 7 000 S monatlich, anzusetzen. Die Anschaffungskosten umfassen auch Kosten für Sonderausstattungen.

(2) Beträgt die monatliche Fahrtstrecke für Fahrten im Sinne des Abs. 1 im Jahr nachweislich nicht mehr als 500 km, ist ein Sachbezugswert im halben Betrag (0,75% der tatsächlichen Anschaffungskosten, maximal 3 500 S monatlich) anzusetzen. Unterschiedliche Fahrtstrecken in den einzelnen Lohnzahlungszeiträumen sind unbeachtlich."

Im gegenständlichen Fall steht die Tatsache der privaten Nutzung des Pkw der Beschwerdeführerin durch den Geschäftsführer außer Streit. Solcherart ist es für die Frage, ob an Stelle des Sachbezuges nach § 4 Abs. 1 Sachbezugs-VO jener nach § 4 Abs. 2 zum Ansatz kommt, entscheidend, ob die Anzahl der privat gefahrenen Strecken (bzw. der Strecken iSd § 4 Abs. 1 Sachbezugs-VO) durchschnittlich über 500 Kilometer liegt oder nicht. Der in § 4 Abs. 2 Sachbezugs-VO geforderte Nachweis erfordert eine konkrete Behauptung betreffend die Anzahl der für Fahrtstrecken iSd § 4 Abs. 1 Sachbezugs-VO zurückgelegten Kilometer und die Beibringung geeigneter Beweismittel. Die Beschwerdeführerin ist mit ihrem Vorbringen, eine "Quasi-Beweislastumkehr" lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen, zwar im Recht, allerdings ist im Hinblick auf die besondere Nähe der Beschwerdeführerin zum Sachverhalt von einer erhöhten Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung2, Tz 9 zu § 115).

Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin eine Vereinbarung, welche zwischen ihr und ihrem Geschäftsführer über die Privatnutzung abgeschlossen worden war, vorgelegt sowie die Zeugeneinvernahme der Ehefrau des Geschäftsführers (welche als Mehrheitsgesellschafterin die genannte Vereinbarung unterzeichnet hatte) sowie der Tochter angeboten.

Was das Verbot der über die Vereinbarung hinausgehenden Privatfahrten betrifft, so ist ein solches nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann als ernst gemeint einzustufen, wenn der Arbeitgeber auch für die Wirksamkeit seines Verbotes vorsorgt. Ein geeignetes Mittel dafür kann beispielsweise darin bestehen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Führung von Fahrtenbüchern verhält und diese laufend kontrolliert (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 92/13/0274). In dem von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Schreiben ist eine solche Vorsorge bzw. Kontrolltätigkeit nicht ersichtlich. Seitens der Beschwerdeführerin wurde letztere auch nicht behauptet. In dem genannten Schreiben ist überdies das Ausmaß der erlaubten Privatnutzung nicht exakt festgelegt ("anlässlich einer Urlaubsreise, die sie üblicherweise nach Saalbach führt", "im Wesentlichen für die Fahrten zwischen Ihrer Wohnstätte (...) und unserem Wiener Büro").

Mit dem Hinweis auf die Vereinbarung über das Verbot der Privatnutzung konnte demnach die Beschwerdeführerin die Beweiswürdigung der belangten Behörde in Bezug auf die von ihr angenommene Privatnutzung noch nicht erschüttern, die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde allerdings auch konkret vor, die in der Berufung beantragte Einvernahme der Ehefrau des Geschäftsführers sowie der Tochter als Zeugen unterlassen zu haben, da - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat - davon auszugehen sei, dass die Familienangehörigen die Berufungsbehauptung bestätigen würden. Der Beschwerdeführerin ist darin zuzustimmen, dass gemäß § 167 Abs. 2 BAO der freien Beweiswürdigung nur aufgenommene Beweise unterliegen. Es ist unzulässig, ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorwegzunehmen (vgl. Ritz, a.a.O., Tz 7 zu § 167 BAO und die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Bei dem im Verwaltungsverfahren zu konkreten Privatfahrten vorgetragenen Beweisthema ist es auch nicht ausgeschlossen, dass das Unterbleiben dieses Verfahrensmangels zu einem anders lautenden Bescheid hätte führen können.

Darüber hinaus erscheint die weitere Verfahrensrüge, hinsichtlich der Feststellungen zu den Urlaubsreisen sei das Recht auf Parteiengehör nicht gewahrt worden, zutreffend.

Wenn die belangte Behörde sich überdies darauf stützt, die Beschwerdeführerin habe in einer Berufung (frühere Streitjahre betreffend) bereits zum Ausdruck gebracht, dass das Ausmaß der Privatfahrten mehr als 500 km betragen habe, so ist dem Beschwerdevorbringen zuzustimmen, dass sich eine derartige Aussage der ebenfalls in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Berufung betreffend die Jahre 1991 bis 1993 nicht entnehmen lässt.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am