VwGH vom 24.10.2002, 99/15/0174
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der K GmbH in R, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , Zl. RV 131/1-10/99, betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 1995 bis 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Buch- und Betriebsprüfung bei der beschwerdeführenden Gesellschaft m.b.H., die ihren Gewinn nach § 5 EStG 1988 zum Bilanzstichtag 28. bzw. 29. Februar ermittelt, ist zu lesen, dass der gewinnmindernd geltend gemachte Investitionsfreibetrag der Jahre 1995 und 1996 nicht zulässig sei. Ein gewinnmindernd geltend gemachter Investitionsfreibetrag für die Wirtschaftsjahre 1994/1995 und 1995/1996 stünde nur dann zu, wenn im Jahr 1995 eine Sondervorauszahlung geleistet worden wäre, oder eine der Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 lit. a bis c EStG 1988 vorläge. Die Voraussetzungen für die Nichtentrichtung einer Sondervorauszahlung gemäß § 121 Abs. 2 lit. a bis c leg. cit. lägen nicht vor. Eine Sondervorauszahlung sei nicht entrichtet worden.
Das Finanzamt schloss sich dieser Auffassung an, nahm die Verfahren hinsichtlich der Körperschaftsteuer gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und erließ entsprechende Sachbescheide.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1995 und 1996 als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung stellte die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen ausführlich dar. Im Erwägungsteil führte sie aus, mit dem Strukturanpassungsgesetz BGBl. Nr. 297/1995, sei der Investitionsfreibetrag ab von 15 % auf 9 %, für Kraftfahrzeuge und unkörperliche Wirtschaftsgüter von 10 % auf 6 % herabgesetzt worden. Gleichzeitig sei die Geltendmachung künftiger Investitionsfreibeträge von einer Sondervorauszahlung abhängig gemacht worden. Die Sondervorauszahlung errechne sich von jenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten im betreffenden Betrieb, für die bisher ein Investitionsfreibetrag geltend gemacht worden sei. Maßgeblich sei dabei die gewinnmindernd oder durch Verwendung einer Investitionsrücklage erfolgte Geltendmachung eines Investitionsfreibetrages für jene Wirtschaftsjahre, die im letztveranlagten Kalenderjahr, dessen Einkommen- (Körperschaft-)steuerschuld Grundlage für die Voraussetzung gemäß § 45 EStG sei, endeten. Sinn und Zweck dieser Regelung sei, dass investierende Unternehmen der Herabsetzung des Investitionsfreibetrages und der damit verbundenen Erhöhung der steuerpflichtigen Einkommen ab dem mit der Sondervorauszahlung Rechnung trügen. Die Berechnungsbasis für die Vorauszahlungen 1995 und Folgejahre nach § 45 Abs. 1 EStG 1988, nämlich die Einkommen-(Körperschaft-)steuerschuld für das letztveranlagte Kalenderjahr, berücksichtige die Kürzung des Investitionsfreibetrages regelmäßig nicht. Aus diesem Blickwinkel könnten die Ausnahmen des § 121 Abs. 2 lit. a bis c EStG 1988 von der Abhängigkeit künftiger Investitionsfreibeträge von einer Sondervorauszahlung nur greifen, wenn die Investitionsfreibetragsabsenkung entweder bei der Festsetzung der Vorauszahlungen für 1995 und Folgejahre oder in der Berechnungsgrundlage, also der Einkommen-(Körperschaft-)steuerschuld für das letztveranlagte Kalenderjahr, bereits Berücksichtigung gefunden habe. Wenn nun die Regelung nach dem Strukturanpassungsgesetz 1995 die infolge der Absenkung des Investitionsfreibetrages zu erwartende Einkommenserhöhung bereits bei der Festsetzung der Vorauszahlungen für künftige Veranlagungsperioden berücksichtigt wissen wolle, so könne unter "Anpassung" im Sinne des § 121 Abs. 2 lit. b EStG wohl nur eine solche verstanden werden, mit der die Vorauszahlungen an jenes erhöhte Einkommen angepasst worden seien, das unter Berücksichtigung der ab geltenden Bestimmungen für die Berechnung des Investitionsfreibetrages zu erwarten sei. Sollte unter "Anpassung" jede Abweichung der Vorauszahlungen von der Steuerschuld des letztveranlagten Jahres gemeint sein, wäre dem im § 121 Abs. 2 lit. b EStG 1988 verwendeten Begriff "Anpassung" kein Sinn beizulegen, weil mit den vom Gesetzgeber selbst verbindlich angeordneten Erhöhungen der Vorauszahlungen gegenüber der jeweiligen Einkommen-(Körperschaft-)steuerschuld des letztveranlagten Jahres (z.B. § 45 Abs. 1 EStG 1988) ausnahmslos Vorauszahlungsanpassungen an voraussichtlich erhöhte Steuerlasten der Vorauszahlungsperioden gegeben seien. Der Beschwerdeführerin sei zuzustimmen, wenn sie unter Anpassung im Sinne des § 121 Abs. 2 lit. b EStG 1988 eine solche nach § 45 Abs. 4 leg. cit. verstehe. Danach könne das Finanzamt die Vorauszahlung der Steuer anpassen, die sich für das laufende Kalenderjahr voraussichtlich ergeben werde. Die voraussichtliche Steuer des laufenden Kalenderjahres werde von mehreren Faktoren, so auch von der Investitionsplanung und den davon abhängigen Begünstigungen, bestimmt. Dass in der von der Beschwerdeführerin errechneten Differenz zwischen bescheidmäßiger und ihrer Meinung nach zutreffender Vorauszahlungsverpflichtung für 1995 keine Anpassung an die für dieses Jahr zu erwartende Steuerlast gelegen sein könne, bestätige ein Blick auf den im Jahr 1993 (die Körperschaftsteuer für dieses Jahr liege der Berechnung der Vorauszahlungen 1995 zu Grunde) geltend gemachten Investitionsfreibetrag von rund S 987.000,--. Eine an die voraussichtliche Steuerschuld 1995 angepasste Vorauszahlung hätte allein wegen der Absenkung des Investitionsfreibetrages die Erhöhung der Vorauszahlung um mehrere S 100.000,-- bedingt. Außerdem wäre für eine Vorauszahlungsanpassung die Kenntnis des voraussichtlichen Betriebsergebnisses des Wirtschaftsjahres 1994/1995 erforderlich gewesen. Die festgesetzten Vorauszahlungen für 1995 und Folgejahre seien daher nicht an die voraussichtliche Körperschaftsteuerschuld für 1995 angepasst gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin führt unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom , 95/14/117 ("Der Zweck der Bestimmung gebietet daher die Interpretation, dass § 45 Abs. 4 EStG 1988 auch bei der Festsetzung von Vorauszahlungen anlässlich der Veranlagung Anwendung findet, wenn dem Finanzamt Umstände bekannt geworden sind, die mit entsprechender Wahrscheinlichkeit eine relevant höhere oder niedrigere Einkommensteuer-Abschlusszahlung erwarten lassen") und auf Quantschnigg/Schuch (Einkommensteuer-Handbuch EStG 1988, Seite 1370: "Eine Änderung der Vorauszahlungen, mit der diese der Steuer angeglichen wird, die sich für das laufende Kalenderjahr voraussichtlich ergeben wird, stellt eine Anpassung im Sinne des Abs. 4 dar. Sie kann ohne Bindung an die Vorschriften des Abs. 1, zweiter bis vierter Satz, auf Antrag oder von Amts wegen erfolgen.") aus, § 45 Abs. 4 EStG 1988 finde auch bei der Festsetzung von Vorauszahlungen anlässlich der Veranlagung Anwendung, wenn dem Finanzamt Umstände bekannt seien - das Strukturanpassungsgesetz 1995 sei der belangten Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheides am bereits bekannt gewesen -, die eine höhere oder niedrigere Körperschaftsteuerabschlusszahlung erwarten ließen. Die belangte Behörde müsse von einer Anpassung auch im Sinne des § 121 Abs. 2 lit. b EStG 1988 ausgehen. Dies umso mehr, als die Festsetzung der Körperschaftsteuervorauszahlung 1995 laut Bescheid mit S 534.300,--
erfolgt sei, und die sich laut Begründung des Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheides ergebende, dem Gesetz entsprechende rechnerische Ermittlung der Vorauszahlungen lediglich eine Festsetzung von S 518.538,-- zulasse. Wenn aber der Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheid 1995 mit seiner Abgabenfestsetzung keinen Platz in den im Bescheid angeführten Vorschriften des § 45 Abs. 1 EStG 1988 und des Steuerreformgesetzes 1993 habe, so müsse die Abgabenfestsetzung gemäß § 45 Abs. 4 Einkommensteuergesetz 1988 erfolgt sein, weil ansonsten der Bescheid rechtswidrig wäre. Ein Abgabepflichtiger müsse aber auf die Sach- und Rechtslage vertrauen können.
Die beschwerdeführende Gesellschaft spricht damit den Bescheid des Finanzamtes vom an, mit welchem die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 1995 und Folgejahre mit S 534.300,-- festgesetzt wurden. Die Begründung dieses Bescheides lautet wörtlich:
"Auf Grund des Steuerreformgesetzes 1993 (BGBl. Nr. 818/1993; Artikel III Ziffer 18) waren die Körperschaftsteuervorauszahlungen um 10 % zu erhöhen. Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und beschränkt Steuerpflichtigen i.S. § 21 Abs. 1 Z. 2 KStG 1988 waren zusätzlich ein Drittel der Gewerbesteuervorauszahlungen (anteiligen Gewerbesteuervorauszahlungen bei Beteiligung an Personengesellschaft/Gemeinschaft), ein Drittel der Vermögensteuer, ein Drittel der Abgabe nach dem Erbschaftsteueräquivalentgesetz und bei Kreditinstituten ein Drittel der Sonderabgabe von Banken des Jahres 1993 hinzuzurechnen.
Für die Berechnung der Vorauszahlungen war die im Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1993 ausgewiesene Abgabenschuld gemäß § 24 Abs. 3 KStG 1988 i.V. mit § 45 Abs. 1 EStG 1988 um 9 % zu erhöhen."
Nach § 45 Abs. 1 EStG 1988 hat der Steuerpflichtige die Einkommensteuervorauszahlungen zu entrichten. Die Vorauszahlung für ein Kalenderjahr wird nach der Einkommensteuerschuld für das letztveranlagte Kalenderjahr abzüglich der einbehaltenen Beträge im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 berechnet. Der so ermittelte Betrag wird, wenn die Vorauszahlung erstmals für das dem Veranlagungszeitraum folgende Kalenderjahr wirkt, um 4 %, wenn sie erstmals für ein späteres Kalenderjahr wirkt, um weitere 5 % für jedes weitere Jahr erhöht. Mit diesem Betrag werden die Vorauszahlungen im "Normalfall" festgesetzt (vgl. Hofstätter/Reichel, III C, Tz 2 zu § 45 EStG 1988).
Art. III Z. 18 des Steuerreformgesetzes 1993 lautet:
"Die nach § 45 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 errechnete Körperschaftsteuervorauszahlung für das Kalenderjahr 1994 ist um 10 % zu erhöhen. Die Vorauszahlung erhöht sich weiters
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- | bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und beschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 21 Abs. 1 Z. 2 jeweils um ein Drittel der für 1993 zu entrichtenden Gewerbesteuervorauszahlungen, der Vermögensteuer und der Abgabe nach dem Erbschaftsteueräquivalent und | |||||||||
- | bei Kreditinstituten überdies um ein Drittel der für 1993 zu entrichtenden Sonderabgabe von Banken. | |||||||||
Dies gilt solange, als eine Vorauszahlung auf der Grundlage der Körperschaftsteuerschuld für das Kalenderjahr 1994 festzusetzen ist. Die Erhöhung der Körperschaftsteuervorauszahlung für das Kalenderjahr 1994 und die Folgejahre entfällt bei Kapitalgesellschaften, deren Vorauszahlung für das Kalenderjahr 1994 nicht mehr als S 15.000,-- beträgt." | ||||||||||
Der mit dem Strukturanpassungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 297, normierte § 121 Abs. 2 EStG 1988 lautet auszugsweise: | ||||||||||
"Werden die Vorauszahlungen für das Kalenderjahr 1995 und die folgenden Kalenderjahre nicht | ||||||||||
a) | erstmals oder | |||||||||
b) | auf Grund einer nach dem erfolgten Anpassung oder | |||||||||
c) | auf der Grundlage der Einkommensteuerschuld für das veranlagte Kalenderjahr 1995 | |||||||||
festgesetzt, so gilt Folgendes: | ||||||||||
1. Ein Investitionsfreibetrag gemäß § 10 kann von Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Teilbeträgen), die in einem Betrieb in Wirtschaftsjahren im Sinne der Z. 2 anfallen, nur dann gewinnmindernd oder durch Verwendung einer Investitionsrücklage (eines steuerfreien Betrages) geltend gemacht werden, wenn neben den Vorauszahlungen gemäß § 45 bis zum 15. Oktober des betreffenden Kalenderjahres eine Sondervorauszahlung entrichtet wird. ... | ||||||||||
2. Wirtschaftsjahre gemäß Z. 1 sind jene, die im Kalenderjahr, in dem die Sondervorauszahlung zu entrichten ist, sowie im folgenden Kalenderjahr enden ..." | ||||||||||
Im Verfahren ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin eine Sondervorauszahlung im Sinne der Z. 1 des zitierten Abs. 2 des § 121 EStG 1988 nicht geleistet hat. Streit herrscht darüber, ob der oben erwähnte Bescheid über die Körperschaftsteuervorauszahlung für 1995 und Folgejahre eine "Anpassung" im Sinne der lit. b des zitierten Abs. 2 darstellt oder nicht. Die Beschwerdeführerin, die davon ausgeht, dass eine solche Anpassung eine im Sinne des § 45 Abs. 4 EStG 1988 sei, stützt sich darauf, dass dem Finanzamt bei Erlassung dieses Bescheides das Strukturanpassungsgesetz 1995 bekannt gewesen sei und andererseits der errechnete Vorauszahlungsbetrag nicht dem § 45 Abs. 1 EStG 1988 und dem Steuerreformgesetz 1993 entspreche. | ||||||||||
Dieser Auffassung der Beschwerdeführerin ist nicht zu folgen. Der genannte Bescheid des Finanzamtes enthält im Spruch keine Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, wohl aber in der Begründung. Daraus ist aber eindeutig ersichtlich, dass das Finanzamt die Vorauszahlungen nach § 45 Abs. 1 EStG 1988 nur in Zusammenhang mit dem Steuerreformgesetz 1993 (Art. III Z. 18) auf Basis der Körperschaftsteuer laut Bescheid für das Jahr 1993 festsetzte. Der Bescheid des Finanzamtes vom setzte damit aber die Vorauszahlungen im "Normalfall" im oben dargestellten Sinne fest. Mit diesem Bescheid wurden daher die Vorauszahlungen für das Kalenderjahr 1995 nicht auf Grund einer nach dem erfolgten Anpassung im Sinne des § 121 Abs. 2 EStG 1988, nämlich einer solchen nach § 45 Abs. 4 EStG 1988, festgesetzt. Die belangte Behörde ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 1995 und Folgejahre nicht an die voraussichtliche Körperschaftsteuerschuld für 1995 unter Berücksichtigung der für dieses Jahr geltenden Sonderregelungen für Investitionsbegünstigungen angepasst wurden, sondern lediglich die im Gesetz angeordnete Erhöhung gegenüber der jeweiligen Einkommensteuerschuld des letztveranlagten Jahres beinhaltet. | ||||||||||
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. | ||||||||||
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. | ||||||||||
Wien, am |