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VwGH vom 28.02.1995, 94/14/0157

VwGH vom 28.02.1995, 94/14/0157

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde der E in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 6/198/1-BK/Ri-1993, betreffend gesonderte Feststellung von Einkünften, Umsatz-, Gewerbesteuer und Alkoholabgabe für 1987 bis 1989 sowie Verspätungszuschlag hinsichtlich Umsatzsteuer und Alkoholabgabe jeweils für 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt eine Nachtbar und ermittelt ihre Einkünfte gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972. Bereits eine Betriebsprüfung über vorangehende Steuerjahre (1984 bis 1986) förderte Aufzeichnungsmängel und Fehlbeträge laut Geldverkehrsrechnung zutage, was zu Bescheiden des Finanzamtes auf Grund einer Schätzung führte. Die Beschwerdeführerin zog ihre Berufung gegen diese Bescheide zurück.

Hinsichtlich des nun strittigen Zeitraumes gelangte das Finanzamt ebenfalls zur Überzeugung, daß die Aufzeichnungen nicht den Tatsachen entsprächen. Die Ermittlungen ergaben auf Grund der Geldverkehrsrechnung Unterdeckungen. Das Finanzamt ging entsprechend den Feststellungen des Prüfers auf Grund dessen Ermittlungen von einem Rohaufschlag von 1.000 % aus und nahm Gewinnzuschätzungen und Umsatzzuschätzungen vor. Es glaubte der Behauptung der Beschwerdeführerin nicht, der Gesamtabgang bestünde in Wahrheit nicht, weil die Beschwerdeführerin diesen aus Beträgen beglichen habe, die sie ihrem Bargeldbestand in Millionenhöhe entnommen habe, der Abhebungen von einem Bankkonto in den Jahren 1984/1985 entstamme und von ihr zu Hause aufbewahrt worden sei; ihr Ehemann habe anläßlich der Scheidung im Jahre 1991 für das erwähnte Konto "die alleinige Zahlungspflicht" übernommen. Weiters hätten Tänzerinnen jährlich Löhne von S 200.000,-- an die Beschwerdeführerin zurückerstattet.

Gegen die Feststellungen der Einkünfte gemäß § 187 BAO sowie die neuen Abgabenfestsetzungen erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Im Berufungsverfahren wurde sie von der Behörde durch Vorhalte zur Glaubhaftmachung ihrer erwähnten Behauptungen aufgefordert. Schriftliche Unterlagen, die ihre Behauptungen zu untermauern geeignet gewesen wären, legte die Beschwerdeführerin nicht vor. Zwar zeigten die Unterlagen über die Kontostände in den genannten Jahren beträchtliche Abhebungen aber auch Einzahlungen auf, ohne daß bescheinigt wurde, wer die Abhebungen und die Einzahlungen tätigte. Hinsichtlich der Lohnrückerstattung durch Tänzerinnen behauptete die Beschwerdeführerin, die Löhne seien erst gar nicht an die Tänzerinnen zur Auszahlung gelangt.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab und änderte die Gewinnfeststellungen und Abgabenfestsetzungen. Sie ging von ihrer Schätzungsbefugnis aus, glaubte die erwähnten Behauptungen der Beschwerdeführerin nicht und legte die Gründe für ihre Beweiswürdigung ausführlich dar.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht darauf verletzt, daß ihrem Vorbringen ("Löhne Tänzerinnen/Barabhebung") geglaubt werde und die Abgabenbescheide auf Grund dieses Sachverhaltes ergehen. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Befugnis zur Schätzung beruht allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit der Ermittlung oder Berechnung der Besteuerungsgrundlagen. Eine solche durfte die belangte Behörde annehmen, weil die festgestellten Unterdeckungen, die die Geldverkehrsrechnung ergab, durch das abgeführte Ermittlungsverfahren nicht aufgeklärt werden konnten (vgl. hiezu die weiter unten folgenden Ausführungen zur Beweiswürdigung der belangten Behörde). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin war die belangte Behörde daher verpflichtet, die Grundlagen für die Abgabenerhebung gemäß § 184 BAO zu schätzen.

Die belangte Behörde schenkte der Behauptung der Beschwerdeführerin über Bargeldbestände aus Abhebungen von einem Konto in den Jahren 1984/1985 - ungeachtet der Bemerkung im Schreiben des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin vom an den steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin, bei der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung im Zuge der Ehescheidung sei festgestellt worden, daß die Beschwerdeführerin vom Bankkonto bis rund S 2,000.000,-- entnommen habe - keinen Glauben, weil es an einem Nachweis (einer Glaubhaftmachung) für die Behebungen durch die Beschwerdeführerin fehle, es der Lebenserfahrung widerspreche, daß derart hohe Beträge jahrelang unverzinst zu Hause aufbewahrt würden, die Aufbewahrung zu Hause keine bessere Sicherheit gegenüber dem Zugriff des Ehemannes geboten hätte und der für den Zeitraum 1984 bis 1986 unbestritten festgestellte Gebarungsüberhang von der Beschwerdeführerin unaufgeklärt geblieben sei.

Die Beschwerde widerlegt diese schlüssige Begründung der Beweiswürdigung nicht:

Ob die Beschwerdeführerin Auskünfte verweigert habe oder nicht, ist nicht entscheidend. Jedenfalls waren ihre Auskünfte gegenüber der belangten Behörde nicht ausreichend, um ihre Darstellung glaubhaft erscheinen zu lassen. Die Beschwerdebehauptung, die Version der Beschwerdeführerin sei "sogar durch entsprechende Feststellungen und Vorlage der betreffenden Bankauszüge klar belegt", ist unrichtig. Die Beschwerde zeigt nicht auf, welche "Feststellungen" oder "Bankauszüge" die Darstellung belegten. Das den Verwaltungsakten entnehmbare schriftliche Material läßt, sieht man von dem erwähnten Anwaltsschreiben vom ab, nicht erkennen, daß die Abhebungen vom Bankkonto von der Beschwerdeführerin vorgenommen worden seien und/oder diese aus solchen Beträgen während des strittigen Zeitraumes Einlagen in ihr Unternehmen tätigte. Der Inhalt des Schreibens des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin an ihren Steuerberater mußte die belangte Behörde von der Richtigkeit der Parteienbehauptung nicht überzeugen, hatte doch das Schreiben des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin keinen weitergehenden Beweiswert als die Behauptungen der Beschwerdeführerin selbst.

Der Ansicht, es sei nicht "lebensfremd" anzunehmen, daß "im Hinblick auf eine möglicherweise schon angespannte Situation in der Ehe" - eine solche wird daher von der Beschwerdeführerin nicht einmal bedingungslos behauptet, obwohl es sich um ihre Ehe handelt und sie in diese Einblick haben mußte - Geld in Millionenhöhe jahrelang in bar "privat" - daher zinsenlos - verwahrt werde, ist nicht beizupflichten. Dieser Vorgang bot nämlich keinen besseren Schutz, das Geld vor dem Zugriff des Ehemannes zu schützen, als etwa die Einzahlung auf ein eigenes Sparkonto durch die Beschwerdeführerin.

Daß sich die Beschwerdeführerin bei ihrem geschiedenen Gatten vergeblich bemüht habe, ihr beim Nachweis der von ihr gegenüber der Finanzverwaltung aufgestellten Behauptungen behilflich zu sein, stützt die Glaubwürdigkeit ihrer Version nicht, solange die Beschwerdeführerin nicht Motive dieser Weigerung darlegt und glaubhaft macht, die für ihre Darstellung sprechen. Dergleichen ist nie geschehen.

Der Vorwurf "vorweggenommener Beweiswürdigung" ist vom Ansatz her verfehlt, weil die Beschwerdeführerin nicht darlegt, unter Vorwegnahme welcher Ermittlungen, die von ihr beantragt worden seien oder die von Amts wegen angezeigt gewesen wären, die Würdigung der Beweise stattgefunden habe.

Die unter Berufung auf § 167 Abs. 2 BAO vorgenommene Beweiswürdigung der belangten Behörde ist daher nicht zu beanstanden.

Gleiches gilt für die von der belangten Behörde als nicht glaubhaft bezeichnete Darstellung der Beschwerdeführerin zu den Löhnen der Tänzerinnen:

Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin nicht geglaubt, weil ihr Vorbringen in sich widersprechend war (einerseits Rückzahlung bereits ausbezahlter Löhne, andererseits Nichtauszahlung von als Betriebsausgaben verbuchten Löhnen), weil es sich trotz des jährlichen betragsmäßig verschiedenen Lohnaufwandes stets um einen jährlich gleich hohen Betrag von S 200.000,-- gehandelt haben soll, weil die Beschwerdeführerin die angebliche Rückzahlung in ihrer Gewinnermittlung nicht dargestellt habe, und weil sich - nach Ausscheidung der Löhne an die beiden Söhne der Beschwerdeführerin - als sonstige Fremdlöhne 1987 insgesamt nur ca. S 105.000,-- und 1988 "überhaupt eine Rückzahlung von ca. S 39.000,--" ergeben würde, für diesen Fall aber eine ganzjährige Betriebsführung undenkbar wäre.

Der Umstand, daß das rechnerische Ergebnis gleich bliebe, wenn die Löhne von vornherein nicht ausbezahlt wurden, oder, wenn sie noch im selben Jahr zurückbezahlt wurden, ändert nichts daran, daß die belangte Behörde den Widerspruch in der Darstellung der Beschwerdeführerin in ihrer Beweiswürdigung berücksichtigen mußte und sie diesen Widerspruch gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin in die Waagschale werfen durfte.

Auch wenn es sich bei Nennung des Betrages von S 200.000,-- jährlich durch die Beschwerdeführerin nur um eine "Cirka-Angabe" gehandelt haben sollte, weil Aufzeichnungen fehlten - was die Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht unterstützt -, ist auch dieser Betrag mit den großen Abweichungen der als Betriebsausgaben aufgezeichneten Löhne nicht annähernd in Einklang zu bringen.

Hat die Beschwerdeführerin auch auf Vorhalte geantwortet, so waren diese Antworten jedoch nicht geeignet, die gegen ihr Vorbringen obwaltenden begründeten Bedenken zu zerstreuen.

Die belangte Behörde durfte der Beschwerdeführerin also auch in diesen Punkten den Glauben versagen, folglich davon ausgehen, daß die sich aus der Geldverkehrsrechnung ergebenden Unterdeckungen auf die Verkürzung von Umsätzen und Gewinnen zurückzuführen sind, ohne dadurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit zu belasten.

Soweit die Beschwerdeführerin "den errechneten Rohaufschlag von 1.000 %" ohne jede Begründung beanstandet, ist ihr entgegenzuhalten, daß diesem Vorbringen eine Unrichtigkeit der Ermittlung des Rohaufschlages nicht entnommen werden kann. Selbst ein substantiiertes Vorbringen unterläge vor dem Verwaltungsgerichtshof aber dem Neuerungsverbot des § 41 VwGG, weil dieser Rohaufschlag und die Ermittlungsergebnisse, aus denen er abgeleitet wurde, bereits anläßlich der abgabenbehördlichen Prüfung der Beschwerdeführerin vorgehalten worden waren, ohne daß diese im gesamten Verwaltungsverfahren dagegen etwas ins Treffen führte. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren dient aber nicht dazu, Tatsachenvorbringen nachzuholen, dessen sich der Beschwerdeführer vor den Verwaltungsbehörden verschwiegen hat.

Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften trägt die Beschwerdeführerin nicht vor, welche Ermittlungsschritte die belangte Behörde zu Unrecht unterlassen habe, deren Ergebnis zu einem anderen Bescheid hätte führen können. Wenn die Beschwerdeführerin beanstandet, die Behörde hätte ihr vorhalten müssen, "warum sie trotz unterschiedlicher Lohnauszahlungen in den betreffenden Jahren zu einem einheitlichen Betrag von S 200.000,-- für jedes Jahr komme", ist ihr entgegenzuhalten, daß es der Gewährung von Parteiengehör hinsichtlich des eigenen Vorbringens der Partei nicht bedarf, weil der Partei dieses ihr eigenes Vorbringen bekannt ist. Die Höhe der von ihr selbst aufgezeichneten Lohnauszahlungen war der Beschwerdeführerin aber ebenfalls bekannt, sodaß sich ein Vorhalt erübrigte. Den von der Beschwerdeführerin vermißten Grund für die Abweichung - den sie selbst in der Beschwerde noch nicht bekannt gibt - hätte sie daher ohne weiteres im Verwaltungsverfahren der Behörde vortragen können.

Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf. Eine solche wäre nämlich gemäß § 41 Abs. 1 VwGG an Hand des im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhaltes darzustellen gewesen.

Die behaupteten Rechtswidrigkeiten haften dem angefochtenen Bescheid daher nicht an. Da die Beschwerdeführerin somit im Rahmen des Beschwerdepunktes durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt wird, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.