VwGH vom 17.12.1996, 94/14/0148
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des P in F, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , 354/2-10/F-1994, betreffend Haftung für Abgabenschulden, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von 12.920 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Obmann eines ein Bordell betreibenden Vereines, welcher am seine Geschäftstätigkeit aufnahm und am durch Veröffentlichung seiner freiwilligen Auflösung gelöscht wurde.
Mit nach Auflösung des Vereines nach einem umfangreichen Ermittlungsverfahren erlassenen, an den Verein zu Handen des Beschwerdeführers gerichteten Bescheiden setzte das Finanzamt gegenüber dem Verein Umsatzsteuer und Abgabe von alkoholischen Getränken für die Jahre 1987 und 1988 fest. Die gegen diese Bescheide vom Beschwerdeführer namens des Vereines erhobenen Berufungen wurden von der Abgabenbehörde zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Abgabenbehörde aus, der Verein habe im Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide nicht mehr bestanden, weswegen diese ins Leere gegangen und somit nicht mit Erfolg anfechtbar seien.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid nahm die belangte Behörde den Beschwerdeführer für Abgaben des Vereines von 117.061 S als Haftenden für Umsatzsteuer und Abgabe von alkoholischen Getränken für die Jahre 1987 und 1988 in Anspruch.
Die belangte Behörde führte zunächst aus, auf Grund der freiwilligen Auflösung des Vereines sei die Uneinbringlichkeit der Abgaben des Vereines im Zeitpunkt deren Geltendmachung unbestritten. Ebenso unbestritten sei die Stellung des Beschwerdeführers als Obmann des Vereines im von der Inanspruchnahme als Haftender betroffenen Zeitraum.
Hinsichtlich des Verschuldens des Beschwerdeführers an der Uneinbringlichkeit der Abgaben des Vereines sei es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Vertreters darzutun, weshalb er nicht für die Entrichtung der Abgaben durch den Vertretenen habe Sorge tragen können. Es habe derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfülle, die Gründe darzulegen, aus denen ihm die Erfüllung seiner Pflicht nicht möglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden dürfe, er sei seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen.
Der Beschwerdeführer habe im wesentlichen lediglich behauptet, jene Abgaben, für die er als Haftender herangezogen werde, seien gar nicht entstanden bzw könne eine Haftung nicht geltend gemacht werden, weil diese Abgaben dem Verein gar nicht vorgeschrieben worden seien. Diesem Vorbringen sei entgegenzuhalten, daß die Inanspruchnahme als Haftender in Fällen offenbarer Uneinbringlichkeit nicht die tatsächliche Geltendmachung der Abgaben gegenüber dem Hauptschuldner voraussetze. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben könnten im Haftungsverfahren nicht mit Erfolg erhoben werden. Die grundsätzliche Verpflichtung des Vereines zur Entrichtung der Umsatzsteuer und der Abgabe von alkoholischen Getränken werde nicht bestritten. Der Beschwerdeführer stelle lediglich die Höhe dieser Abgaben in Frage. Derartige Einwendungen seien jedoch im Haftungsverfahren irrelevant. Der Beschwerdeführer habe sich trotz eines entsprechenden Hinweises in der Begründung des Erstbescheides nicht dazu geäußert, ob ihm im fraglichen Zeitraum entsprechende Mittel zur Entrichtung der Abgaben des Vereines zur Verfügung gestanden seien. Es habe nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel. Hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Abgabe von alkoholischen Getränken sei regelmäßig von der Bezahlung dieser Abgaben mit den Preisen für die erbrachten Lieferungen und sonstigen Leistungen auszugehen, weswegen diese Abgaben für die Abfuhr zur Verfügung stünden. Wenn der Vertreter diese Abgaben - aus welchen Gründen immer - nicht abgeführt, sondern für andere Zwecke verwendet habe, liege auch darin ein abgabenrechtlich relevantes Verschulden. Da diesbezüglich vom Beschwerdeführer nichts vorgebracht worden sei, könne ein haftungsrelevantes Verschulden angenommen werden.
Der Beschwerdeführer erachtet sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof in seinem Recht, nicht zur Haftung für Umsatzsteuer und Abgabe von alkoholischen Getränken herangezogen zu werden, verletzt, wobei er sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere für die Entrichtung der Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, Sorge zu tragen.
Im Beschwerdefall ist die Stellung des Beschwerdeführers als Obmann des Vereines und die Uneinbringlichkeit der Abgaben infolge der Auflösung des Vereines unbestritten.
Der Beschwerdeführer tritt dem angefochtenen Bescheid im wesentlichen unter teilweiser Wiederholung seiner Ausführungen im Verwaltungsverfahren betreffend die Festsetzung der Abgaben gegenüber dem Verein bzw seiner Inanspruchnahme als Haftender mit der Begründung entgegen, der Verein sei nicht Schuldner jener Abgaben gewesen, für die er als Haftender herangezogen werde. Im Vereinslokal seien von den dort tätigen Damen sogenannte "Damengetränke" auf eigene Rechnung verkauft worden. Für die Beschaffung, Lagerung und Kühlung der "Damengetränke" seien die Damen verantwortlich gewesen. Der Verein habe lediglich die zulässigen Höchstpreise dieser Getränke festgesetzt. Die belangte Behörde rechne diese Getränkeverkäufe daher zu Unrecht dem Verein zu. Die Ausführungen der belangten Behörde, es wäre bereits jetzt seine Sache gewesen darzutun, warum er an der Erfüllung seiner Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben des Vereines gehindert gewesen sei, gingen daher ins Leere. Ein derartiges Vorbringen wäre erst nach Lösung der Frage, wem der Verkauf der "Damengetränke" zuzurechnen sei, erforderlich. Die belangte Behörde habe es jedoch unterlassen, diese Frage zu lösen. Da somit die Höhe der dem Verein vorzuschreibenden Abgaben noch nicht feststehe, erübrigten sich im derzeitigen Stadium des Verfahrens die von der belangten Behörde vermißten Ausführungen.
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, der Beschwerdeführer habe nichts vorgebracht, weshalb ihn an der Nichtentrichtung der Abgaben des Vereines kein Verschulden treffe. Die Umsatzsteuer und die Abgabe von alkoholischen Getränken werde überdies regelmäßig mit den Preisen vereinnahmt. Der Verwaltungsgerichtshof hat seine diesbezügliche Auffassung, wonach die Umsatzsteuer mit den Preisen bezahlt und daher für die Abfuhr an das Finanzamt zur Verfügung stehe, mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 91/13/0037, 91/13/0038, nicht mehr aufrecht erhalten. Nach diesem Erkenntnis, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ist das Verschulden eines Vertreters im Zusammenhang mit der Haftung für Umsatzsteuer wie bei anderen Abgaben (mit Ausnahme von Lohn- und Kapitalertragsteuer) zu beurteilen. Es ist Sache des Vertreters, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf. Ein diesbezügliches Vorbringen hat der Beschwerdeführer jedoch, wie von der belangten Behörde unwidersprochen festgestellt, nicht erstattet. Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist daher insoweit geeignet, dessen Spruch zu tragen.
Die belangte Behörde hat jedoch in unrichtiger Beurteilung der Rechtslage geglaubt, sie müsse sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend den Abgabenanspruch nicht auseinandersetzen. Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt. Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so gibt es eine solche Bindung nicht. Ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist in diesem Fall als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden. Diese Beurteilung kann mit Berufung und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden, womit dem zur Haftung Herangezogenen der Rechtsschutz gewahrt bleibt. Die von Stoll (BAO Kommentar, 2555) geäußerte Ansicht, auch eine lediglich (ersatzweise) gegebene Mitteilung über den Abgabenanspruch wäre schon geeignet, eine taugliche Grundlage zur Bekämpfung des Abgabenanspruches durch den zur Haftung Herangezogenen abzugeben, teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Dies ist mit dem Grundgefüge des Verfahrensrechtes nicht in Einklang zu bringen, weil einer Mitteilung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Charakter eines Bescheides nicht zukommt. Diese Mitteilung stellt vielmehr einen Nachtrag der Begründung iSd § 245 Abs 2 BAO dar. Daß der Beschwerdeführer in Kenntnis des Abgabenanspruches keinen Antrag iSd § 248 zweiter Satz BAO gestellt hat, steht der Behandlung der Berufung sowohl hinsichtlich der Inanspruchnahme als Haftender als auch hinsichtlich des Abgabenanspruches nicht entgegen.
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.