VwGH vom 25.10.2001, 99/15/0149
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zehetner, über die Beschwerde der H in B, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Dr. Wilfried Seist, Dr. Peter Csoklich und Dr. Gregor Schett, Rechtanwälte in 1090 Wien, Währinger Straße 2- 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom , Zl. RV/549-6/97, betreffend Einkommensteuer 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Im Streitjahr 1995 erzielte sie in Österreich Einkünfte in Höhe von ca. 6,1 Mio. S. Zudem erzielte sie im Wesentlichen folgende ausländische Einkünfte: Als Mitunternehmerin einer in Deutschland tätigen OHG ein Verlust von ca. 4,1 Mio. S und aus einem in der Schweiz angesiedelten Betrieb ein Gewinn von ca. 1,4 Mio. S.
Die Beschwerdeführerin begehrte, dass bei Berechnung der österreichischen Einkommensteuer der in Deutschland erzielten Verlust einkommensmindernd berücksichtigt werde. Gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 seien bei Ermittlung des Einkommens Verluste aus einzelnen Einkunftsarten in Abzug zu bringen; aus dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland, BGBl. 221/1995, im Folgenden Abkommen-BRD, ergebe sich nicht, dass diese Regelung für in Deutschland entstandene Verluste nicht gelte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im Instanzenzug die Einkommensteuer für 1995 festgesetzt. Dabei entsprach die belangte Behörde dem Begehren der Beschwerdeführerin nicht. Sie berücksichtige den in Deutschland entstandene Verlust - wie auch den in der Schweiz erzielten und dort zu versteuernden Gewinn - lediglich im Wege des Progressionsvorbehaltes. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, die im Abkommen-BRD vorgesehene Freistellung von Einkünften gelte sowohl für positive wie auch für negative Einkünfte. Bei einer anderen Vorgangsweise bestünde die Gefahr, dass der ausländische Verlust in doppelter Weise berücksichtigt würde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 99/14/0217, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zu Recht erkannt hat, steht bei der Besteuerung in Österreich als Ansässigkeitsstaat ein Doppelbesteuerungsabkommen nach der Befreiungsmethode dem Ausgleich mit ausländischen (nicht durch einen ausländischen Verlustrücktrag verwertbaren) Verlusten nach den Vorschriften des österreichischen Einkommensteuerrechts nicht entgegen, wobei allerdings zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und zur Gewährleistung der Einmalbesteuerung eine entsprechende Erhöhung der in Österreich zu besteuernden Einkünfte eintritt, soweit und sobald der ausländische Verlust im Ausland steuerliche Verwertung finden kann.
Für den gegenständlichen Fall ergibt sich daraus Folgendes:
Im Jahr 1995 ist der in Österreich ansässigen Beschwerdeführerin aus einer mit einer deutschen Betriebsstätte tätigen gewerblichen OHG ein Verlustanteil von 4,1 Mio. S erwachsen, der in Deutschland zu keinen Auswirkungen geführt hat. Aus § 2 Abs. 2 EStG 1988 ergibt sich, dass in die Steuerbemessungsgrundlage für die österreichische Einkommensteuer nicht nur die in Österreich erwirtschafteten Einkünfte von ca. 6,1 Mio. S, sondern auch der deutsche Verlust von ca. 4,1 Mio. S hätte Eingang finden müssen. Das Abkommen-BRD steht dem Verlustausgleich nicht entgegen.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid den Verlustausgleich mit dem Hinweis auf die Gefahr einer doppelten Verlustverwertung nicht anerkannt. Der belangten Behörde ist einzuräumen, dass eine Wettbewerbsverzerrung in Form einer doppelten Verlustverwertung nicht Inhalt eines Doppelbesteuerungsabkommens ist. Ziel und Zweck des Abkommens-BRD ist (ausschließlich) die Vermeidung einer Doppelbesteuerung, nicht hingegen die Schaffung wettbewerbsverzerrender Begünstigungen. Das Abkommen-BRD schließt allerdings eine doppelte Verlustverwertung auch dann aus, wenn der Verlustausgleich im Jahr der Verlustentstehung im Ansässigkeitsstaat vorgenommen wird (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 99/14/0217).
Mit der Verweigerung des Ausgleiches des in Deutschland erwirtschafteten Verlustes hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.
Wien, am