VwGH vom 27.08.1991, 91/14/0086
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Nöst, über die Beschwerde des Siegfried M-E in S, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 11/45/2-BK/Hd-1990, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hatte 1988 Einkünfte aus einer Land- und Forstwirtschaft (35,21 ha), die nach Durchschnittssätzen ermittelt wurden, und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eines Geschäftshauses mit drei Geschäftseinheiten. Der Beschwerdeführer bewohnte in einem Vierkanthof seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes Wohnräume mit einer Fläche von ca. 300 m2.
In der Berufung gegen den Umsatz- und Einkommensteuerbescheid 1988 machte er erstmalig 80 v.H. Vorsteuer und Abschreibung für Abnutzung aus der Anschaffung der Einrichtung eines Arbeitsraumes (Wandverbau, Schreibtisch, Bürosessel) mit einer Fläche von 11 m2 geltend, den er sich durch Abteilung von einem bisherigen Wohnraum geschaffen hatte. Dieser Arbeitsraum ist vom Vorhaus des Vierkanthofes aus begehbar. Der Beschwerdeführer behauptete, diesen Raum samt Einrichtung teils für seine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit, zu 80 Prozent jedoch für die Erzielung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu benötigen, um diverse Unterlagen und Aufzeichnungen aufbewahren zu können (Aufbewahrungspflicht gemäß § 132 BAO sieben Jahre) bzw. um Besprechungen in einem ungestörten Raum abhalten zu können. Der Raum sei mit typischer Büroeinrichtung (Schreibmaschine, Schreibtisch, Regale usw.) versehen und nur als Büroraum verwendbar. Eine Verwendung als Wohnraum sei geradezu ausgeschlossen. In den nächsten Jahren müsse eine große Belegsammlung anfallen. Der Umfang der Belege zu Beginn der Einkünfteerzielung sei nicht repräsentativ. Der Arbeitsraum sei zur Erledigung des Schriftverkehrs und zur Abwicklung von Telefonaten im Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung notwendig. Der Beschwerdeführer habe die Absicht, eventuell weitere geeignete Mietobjekte zu erwerben. Die im Raum aufbewahrten Bücher seien überwiegend beruflich notwendig. Lediglich zwei Bücher könnten dem Privatbereich zugeordnet werden, sie seien lediglich vorerst zu Dekorationszwecken aufgestellt worden. Im Rahmen der pauschalierten Land- und Forstwirtschaft müßten kaum Ausgangsrechnungen erstellt werden, es bestehe keine Pflicht zur Führung von Aufzeichnungen und zur Aufbewahrung von Eingangsrechnungen, sodaß in diesem Zusammenhang nur die wichtigsten Belege aufbewahrt würden. Der Raum werde daher sowohl zeitlich als auch räumlich hauptsächlich im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung verwendet.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid anerkannte die belangte Behörde weder den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der Büroeinrichtung des erwähnten Arbeitszimmers, noch die Absetzung für Abnutzung der Einrichtung des Arbeitszimmers, dies mit folgender Begründung:
"Unbestritten ist, daß sich der gegenständliche Raum im Wohnungsverband des Berufungswerbers befindet und es erscheint dem Berufungssenat aufgrund des Vorbringens des Berufungswerbers auch durchaus glaubhaft, daß dieser Raum - wie er in der Berufung ausführt - zu 'zumindest 80 %' betrieblichen (also Vermietungs-)Zwecken dient.
Entscheidend ist nunmehr die Klärung der Frage, ob die IM BERUFUNGSGEGENSTÄNDLICHEN JAHR ausgeübte Vermietungstätigkeit (hinsichtlich eines Geschäftshauses mit drei Geschäftseinheiten) die Haltung eines NUR BERUFLICH genutzten Arbeitszimmers in der Wohnung UNBEDINGT NÖTIG macht. Unbestritten ist, daß sich im berufungsgegenständlichen Jahr hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung lediglich 3 Ordner mit Geschäftsunterlagen im gegenständlichen Raum befanden und erscheint es dem Berufungssenat aufgrund dieses geringen Umfangs der in diesem Jahr aufzubewahrenden Unterlagen betreffend der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eindeutig, daß hiefür die Haltung eines NUR beruflich genutzten Arbeitszimmers in der Wohnung NICHT UNBEDINGT NÖTIG ist. Hinweise des Berufungswerbers auf den geplanten 'eventuellen' Ankauf weiterer Mietobjekte in den Folgejahren und dadurch vermehrten Anfall von Administrationstätigkeit sowie in der Folge auch vergrößerter Anzahl von Geschäftsunterlagen können nach Ansicht des Berufungssenates nicht zu einer anderen Beurteilung führen, da diesbezüglich IM BERUFUNGSGEGENSTÄNDLICHEN JAHR nur auf VORHABEN für Folgejahre verwiesen werden kann, die ja - unbestrittenermaßen - noch keinen erhöhten Administrationsaufwand und noch kein Anwachsen von Geschäftsunterlagen FÜR DAS BERUFUNGSGEGENSTÄNDLICHE JAHR zur Folge hatten.
Auch die Tatsache der EINRICHTUNG des gegenständlichen Zimmers als Arbeitsraum kann nach Ansicht des Berufungssenates nicht die Qualifikation der damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen als Werbungskosten begründen, da die vorgesehenen Schränke, Regale etc. mit dieser geringen Anzahl von Ordnern und Geschäftsunterlagen ja offenkundig und auch unbestritten nicht gefüllt sind, d.h. zum Teil leer stehen bzw. 'aus Dekorationszwecken' mit zwei Privatbüchern bestückt sind.
Da - wie ausgeführt - dem Berufungssenat das Vorhandensein lediglich dreier Ordner mit Geschäftsunterlagen hinsichtlich der Vermietungstätigkeit und die mit der Vermietung des Geschäftshauses mit drei Geschäftseinheiten in Zusammenhang stehenden Administrationsagenden (wie Führung von Telefonaten, Abfassen von Schriftstücken, Abhalten von Besprechungen etc.) als zu gering erscheint, um die unbedingte Notwendigkeit der Haltung eines NUR beruflich genutzten Arbeitszimmers in der Wohnung zu rechtfertigen, waren die beantragten Aufwendungen als Kosten der Lebensführung zu qualifizieren und in der Folge nicht als Werbungskosten anzuerkennen, weshalb auch der beantragte Vorsteuerabzug nicht erfolgen konnte."
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Anerkennung des Vorsteuerabzuges sowie der von ihm im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachten anteilsmäßigen AfA (Nutzungsdauer 10 Jahre) aus der Anschaffung der Einrichtung des Arbeitsraumes verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall blieb durch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unbestritten, daß der erwähnte Arbeitsraum ausschließlich im Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften einerseits der Land- und Forstwirtschaft, andererseits der Vermietung und Verpachtung - im Zusammenhang mit letzterer zu 80 Prozent - benützt wird.
Strittig ist lediglich, ob das zum Wohnungsverband gehörige, von diesem jedoch abgetrennte und vom Vorhaus des Vierkanthofes betretbare Arbeitszimmer, das nur im Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften benützt wird, auch zur Erzielung der Einkünfte aus Vermietung unbedingt benötigt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 88/14/0204, ÖStZB 1990, 102, dargelegt, daß auch hinsichtlich eines Arbeitszimmers, das nicht in den Verband der dem Abgabepflichtigen als Haushalt dienenden Wohnung eingegliedert ist, die betriebliche Verwendung ein Ausmaß erreichen muß, das das Vorhandensein eines Arbeitszimmers unbedingt notwendig erscheinen läßt, um es als Betriebsvermögen anerkennen zu können. Gleiches gilt für die Zuordnung der Aufwendungen für ein Arbeitszimmer zu den Werbungskosten hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Da es sich auch hiebei um die Frage der Abgrenzung des Bereiches der Einkünfteerzielung zum übrigen Lebensbereich handelt, bildet den Maßstab - wie im zitierten Erkenntnis ausgeführt - die Verkehrsauffassung.
Nach dieser ist Art und Ausmaß des durch die Einkünfteerzielung zu erwartenden administrativen Arbeitsanfalles, der üblicherweise in einem Büroraum bewältigt wird, für die Notwendigkeit eines angemessenen Arbeitsraumes entscheidend. Dispositionen hinsichtlich der Widmung und Einrichtung eines derartigen Raumes müssen vom Steuerpflichtigen unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse der Einkunftsquelle getroffen werden und nicht nach dem administrativen Arbeitsanfall im jeweiligen Steuerjahr. Bei den für ein Arbeitszimmer (Büroraum) erforderlichen Wirtschaftsgütern handelt es sich nämlich erfahrungsgemäß um solche, deren Verwendung oder Nutzung sich auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt (§ 7 Abs. 1, § 16 Abs. 1 Z. 8 EStG 1972). Es handelt sich daher um eine Investition, für die die Prognose der Entwicklung der Einkunftsquelle entscheidend ist. Der Umfang der - wie hier - im ersten Jahr der Einkünfteerzielung angefallenen Unterlagen ist daher für die Frage der Notwendigkeit eines Arbeitsraumes keineswegs allein bestimmend. Aus ihm lassen sich in der Regel keine Rückschlüsse auf den Umfang des administrativen Arbeitsanfalles während des in Aussicht genommenen Bestandes der Einkunftsquelle und der Nutzungsdauer des Arbeitsraumes ziehen, die Aufschluß über die Notwendigkeit des Arbeitsraumes geben könnten.
Der belangten Behörde kann daher nur darin gefolgt werden, daß für die Frage der Notwendigkeit des Arbeitsraumes die im Streitjahr lediglich in Aussicht genommene Erweiterung der Einkunftsquelle (Vermietung) in späteren Jahren durch allfällige Anschaffung weiterer Mietobjekte mangels entsprechender Konkretisierung außer Betracht zu bleiben hat. Die Prognose des Arbeitsanfalles muß nämlich von Art und Umfang der bestehenden Einkunftsquelle ausgehen und nicht von einer erst in Zukunft zu schaffenden.
Im übrigen vermag der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde jedoch nicht zu folgen. Sie beurteilte die Notwendigkeit des Arbeitsraumes allein unter dem Gesichtspunkt, daß im Streitjahr nur drei Ordner mit Unterlagen vorhanden waren und zog daraus sowie aus dem Umfang der Vermietungstätigkeit den Schluß, daß diese einen Arbeitsraum nicht erforderlich mache. Wie bereits dargelegt, bietet jedoch der im ersten Einkunftsjahr erzielte Anfall von Unterlagen keine Grundlage für die Beurteilung der Notwendigkeit des Arbeitsraumes, der im übrigen vom Beschwerdeführer als Steuerpflichtigen nach seinem Vorbringen nicht nur zur Aufbewahrung von Unterlagen, sondern auch zu anderen administrativen Maßnahmen wie Telefonaten, Besprechungen und Schreibarbeiten Verwendung findet und Verwendung finden soll.
Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht unterließ die belangte Behörde daher ein konkretes Eingehen auf den Umfang der nicht in schriftlichen Unterlagen Niederschlag findenden Verwaltungstätigkeit, die üblicherweise in einem Büroraum vorgenommen wird. Sie legte auch zu Unrecht für die Beurteilung des Umfanges der mit der genannten Verwaltungstätigkeit des Mietobjektes verbundenen Arbeiten, die üblicherweise in einem Büro durchgeführt werden, den Schwerpunkt auf den Umfang schriftlicher Unterlagen des ersten Jahres der Nutzung.
Die belangte Behörde übersah aber auch, daß sich der vorliegende Beschwerdefall insofern von jenen Fällen der Arbeitszimmer-Rechtsprechung unterscheidet, als hier nicht neben einem an der Betriebsstätte oder am Arbeitsplatz vorhandenen Büroraum noch ein weiterer Arbeitsraum geschaffen wurde, sondern, daß dem Steuerpflichtigen außer diesem Arbeitsraum, der sich in seiner land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte, dem Vierkanthof, befindet, und den er auch für die Erzielung der Einkünfte aus Vermietung verwendet, sonst kein Büroraum zur Verfügung steht, obwohl der Beschwerdeführer die Verwaltungstätigkeit für den Bereich beider Einkunftsarten selbst durchführt und nicht durch einen Verwalter durchführen läßt. Der Aktenlage ist nämlich nicht zu entnehmen, daß dem Beschwerdeführer außerhalb seines Vierkanthofes eine ständige Einrichtung zur Administration der Landwirtschaft einerseits sowie zur Administration der Vermietung des Geschäftsgebäudes zur Verfügung stünde.
Daß zur Erzielung der Einkünfte dieser Art aber ein Arbeitszimmer als Arbeitsraum überhaupt nicht notwendig sei, wenn die Administration vom Steuerpflichtigen selbst vorgenommen wird und nicht etwa einem Dritten als Verwalter übertragen ist, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Es ist nämlich davon auszugehen, daß sowohl ein Landwirtschaftsbetrieb der angeführten Größe, als auch die Vermietung eines Geschäftsgebäudes mit drei Geschäftseinheiten einen Anfall administrativer Tätigkeiten mit sich bringt, der üblicherweise in Büroräumen durchgeführt wird. Es sei nur an Besprechungen und Telefonate mit Kunden, Mietern, Handwerkern, Behörden erinnert, an die Korrespondenz mit diesen und an die Führung laufender Aufzeichnungen.
Daß der allein für Bürozwecke hergestellte und ausgestattete Raum im Flächenausmaß von nur 11 m2 auch nur Tätigkeiten im Zusammenhang mit beiden Einkunftsarten gewidmet ist und auch tatsächlich für sie benützt wird, hat die belangte Behörde ebensowenig in Zweifel gezogen wie den Aufteilungsschlüssel (80 Prozent für Zwecke der Vermietung), den sie sogar ausdrücklich als glaubhaft bezeichnete.
Da die belangte Behörde beim bisher feststehenden Sachverhalt die Notwendigkeit des Arbeitsraumes für Zwecke der Vermietung auf Grund irriger Rechtsansicht zu Unrecht verneinte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Fällt der Arbeitsraum nämlich nicht in die private Lebenssphäre, so zählt die Anschaffung seiner Einrichtung zur umsatzsteuerpflichtigen Unternehmertätigkeit durch Vermietung und zur Einkunftsquelle der Vermietung des Geschäftshauses. Die Vorsteuer hätte diesfalls zum Abzug zugelassen und die AfA bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anerkannt werden müssen.
Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG sowie auf die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Gemäß § 59 VwGG konnte kein höherer als der beantragte Schriftsatzaufwand zuerkannt werden, weil die genannte Verordnung bereits bei Erhebung der Beschwerde in Kraft stand.