VwGH vom 01.10.1991, 91/14/0077
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. NN in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 40.113-4/90, betreffend Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen für 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte die Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 1988 zur Berücksichtigung von S 100.000,-- als außergewöhnliche Belastung. Diesen Betrag hatte er seiner Tochter am zur Abdeckung von Schulden übergeben, die aus einem Kredit in der Höhe von S 360.500,-- stammten, den die Tochter im März 1981 für ihren Hausbau aufgenommen hatte. Nach den Angaben des Beschwerdeführers geriet sie allerdings infolge schlechter Betriebsergebnisse und eines längeren Auslandsaufenthaltes mit den Rückzahlungen in Schwierigkeiten, sodaß sich aus diesem Kredit bis zum Verbindlichkeiten in der Höhe von S 843.075,06 ansammelten. Die Gläubigerin machte ihre Forderung geltend. Im Zuge von Verhandlungen erklärte sich die Gläubigerin jedoch im Jahr 1988 bereit, sich mit der sofortigen Bezahlung einer Pauschalsumme in Höhe von S 100.000,-- zufriedenzugeben. Da es der Tochter des Beschwerdeführers auf Grund ihrer Einkommensverhältnisse nicht möglich war, diesen Betrag aufzubringen, überließ ihr der Beschwerdeführer schenkungsweise S 100.000,--. Die Tochter des Beschwerdeführers ist verwitwet und hat für zwei Kinder zu sorgen.
Das Finanzamt wies den Antrag ab, weil der Hingabe des geltend gemachten Betrages das Merkmal der Zwangsläufigkeit fehle, da sich der Beschwerdeführer freiwillig zu einer Schenkung entschlossen habe - ungeachtet der Möglichkeit der Gewährung eines Überbrückungsdarlehens.
Die hiegegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab. Der in Rede stehende Betrag sei nicht für den Unterhalt der Tochter bzw. den der Enkelkinder aufgewendet worden, sondern zur Abdeckung einer Bankverbindlichkeit der Tochter. Es handle sich daher nicht um Unterhaltszahlungen. Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer offensichtlich der Ansicht gewesen sei, daß seine Tochter - sollte er den Betrag nicht hingeben - von der Bank "zumindest auf 25 oder mehr Jahre auf das Existenzminimum gesetzt würde und sich für ihn daraus als Vater eine Verpflichtung zur finanziellen Untersützung ergebe", mache den hingegebenen Betrag nicht zu einer Unterhaltszahlung. Damit könne aber vom Vorliegen rechtlicher Gründe, aus denen sich der Beschwerdeführer der Hingabe des Betrages nicht hätte entziehen können, keine Rede sein. Der Beschwerdeführer sei zwar aus sittlichen Gründen genötigt gewesen, seiner Tochter, welche sich im Jahr 1988 offensichtlich in einem finanziellen Engpaß befunden habe, zu helfen. Nicht geteilt werden könne die Auffassung, daß diese Hilfe zwangsläufig nur in Form einer Schenkung von S 100.000,-- gewährt werde haben können. Aus der Aktenlage ergebe sich, daß die Tochter 1988 (wie in den Vorjahren) als Sekretärin bei einem Bezirkskrankenhaus beschäftigt gewesen sei. Sie habe bis inklusive Jänner 1989 ihre aus der Zeit vor 1981 und ihrer Tätigkeit als Unternehmerin stammenden Sozialversicherungsrückstände in monatlichen Teilbeträgen von S 1.500,-- getilgt. Daraus sei zu schließen, daß es ihr ab Februar 1989 (das sind ca. zwei Monate nach Überlassung des in Rede stehenden Betrages) möglich gewesen wäre, dem Beschwerdeführer Rückzahlungen in Höhe zumindest dieser Raten auf ein Überbrückungsdarlehen zu leisten. Der Beschwerdeführer habe sich aber ungeachtet der Möglichkeit der Gewährung eines Überbrückungsdarlehens dazu entschlossen, seiner Tochter nicht rückzahlbare Geldbeträge zuzuwenden. Daß er dazu gezwungen gewesen wäre, habe er nicht zu begründen und zu beweisen vermocht. Die Gewährung eines Überbrückungsdarlehens stelle keine außergewöhnliche Belastung dar, weil sie nicht zu einer Vermögensminderung, sondern nur zu einer Vermögensumschichtung führe. Die schenkungsweise Hingabe des Betrages von S 100.000,-- im Jahr 1988 an die Tochter des Beschwerdeführers könne daher nicht als zwangsläufiger Geldabfluß eingestuft werden.
Durch diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen Rechten im Hinblick auf § 34 EStG 1972 und auf ein ordnungsgemäßes Verfahren verletzt. Er beantragt, die angefochtene Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen ist gemäß § 34 EStG 1972 unter anderem, daß die Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen. Gemäß Abs. 3 des zitierten Paragraphen erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Tatsächliche Gründe sind solche, die den Steuerpflichtigen unmittelbar selbst treffen. Sie kommen im Beschwerdefall nicht in Betracht.
Als rechtlichen Grund mußte die belangte Behörde nur die gesetzliche Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern berücksichtigen. Aus ihr erfließt keine Verbindlichkeit der Eltern, für die von den Kindern eingegangenen Schulden aufzukommen. Sie müssen den Kindern lediglich den anständigen Unterhalt gewähren, wenn diese nicht oder nicht mehr in der Lage sind, ihn sich zu verschaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/14/0052).
Der Beschwerdeführer erkennt selbst, daß der Betrag von S 100.000,-- nicht als "direkte Unterhaltszahlung" geleistet wurde. Seine Ausführungen, es habe sich um eine "indirekte" Erfüllung einer Unterhaltsverpflichtung gehandelt, weil seine Tochter im Falle von Exekutionsmaßnahmen der Gläubigerbank auf das Existenzminimum gesetzt worden wäre, können der vorgenommenen Schuldtilgung nicht den Charakter einer Unterhaltsleistung verleihen. Für die Aufwendungen des Beschwerdeführers zur Entschuldung seiner Tochter durfte die belangte Behörde daher eine Zwangsläufigkeit aus rechtlicher Pflicht verneinen.
Der Beschwerdeführer bemerkt im Zusammenhang mit den Ausführungen der belangten Behörde zu einem "finanziellen Engpaß" seiner Tochter, es komme auf den Sachverhalt, wie er sich zur Zeit der Schenkung darstelle, an und nicht auf allfällige hypothetische Änderungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
Die belangte Behörde hat in ihre Überlegungen aber lediglich einbezogen, daß die Tochter des Beschwerdeführers im Jänner 1989 die letzte Rate an rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen zu leisten hatte, weshalb ab Februar 1989 der entsprechende Betrag von S 1.500,-- zur Tilgung eines Überbrückungsdarlehens zur Verfügung gestanden wäre. Diese Entwicklung war im Schenkungszeitpunkt Dezember 1988 aber bereits absehbar. Daß ein Überbrückungsdarlehen zur Beseitigung vorübergehender Engpässe ausreicht, um einer allfälligen sittlichen Pflicht zur Befreiung naher Angehöriger aus bedrängter Lage - der Bestand einer solchen Pflicht wurde von der belangten Behörde für den Beschwerdefall ohnehin bejaht - zu genügen, hat der Verwaltungsgerichtshof aber bereits mehrmals ausgesprochen (vgl. das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis vom , Zl. 85/13/0091, und das oben zitierte Erkenntnis vom , Zl. 91/14/0052).
Der Beschwerdeführer rügt weiters, die belangte Behörde hätte sich bei der Prüfung der Zumutbarkeit von Darlehensrückzahlungen durch seine Tochter nicht mit der Feststellung der (kurz nach der Schenkung weggefallenen) monatlichen Rückstandszahlungen an die Sozialversicherungsanstalt von S 1.500,-- begnügen dürfen, sondern auch die konkrete finanzielle Situation seiner Tochter ermitteln müssen. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung in den Hintergrund tritt, wenn es um abgabenrechtliche Begünstigungen geht; es liegt an der Partei, die Umstände darzulegen, die für die Begünstigung sprechen (vgl. Stoll, BAO Handbuch, Seite 270, sowie neuerlich das hg. Erkenntnis vom ). Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, bereits im Verwaltungsverfahren die finanziellen Verhältnisse seiner Tochter näher darzustellen, die eine Rückzahlung von Darlehensraten unmöglich erscheinen ließen, nachdem ihm schon im erstinstanzlichen Bescheid die Möglichkeit eines Überbrückungsdarlehens und in der Berufungsvorentscheidung das Jahresbruttoeinkommen seiner Tochter und die Zumutbarkeit von Darlehensrückzahlungen auf Grund der vorliegenden Einkommensverhältnisse vorgehalten worden war. Noch in der Beschwerde beschränkt sich der Beschwerdeführer aber auf allgemeine Ausführungen zum Existenzaufbau seiner Tochter, ohne konkrete Angaben zu machen. Schon aus diesem Grunde kann von der Darstellung eines wesentlichen Verfahrensmangels keine Rede sein.
Nur am Rande sei bemerkt, daß die Tochter des Beschwerdeführers zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen ohnehin niederschriftlich vernommen wurde. Hiebei haben sich monatliche Einnahmen von ca. S 17.600,-- (netto, incl. Familienbeihilfe) und Ausgaben (ohne Sparleistungen) von bis zu ca. S 12.500,-- ergeben. Auch dies spricht dafür, daß die Rückzahlung von Darlehensraten möglich gewesen wäre, weshalb es an der Zwangsläufigkeit einer Schenkung fehlt. Schließlich sei noch die niederschriftliche Erklärung des Beschwerdeführers vom erwähnt, wonach seine Tochter beabsichtige, ihm den Betrag von S 100.000,-- zurückzuzahlen.
Unerheblich ist, warum die Tochter des Beschwerdeführers einer Ratenzahlung an die Sozialversicherungsanstalt zugestimmt hat. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang nur, daß sie zu solchen Zahlungen in der Lage war, woraus die belangte Behörde zu Recht auf die Rückzahlbarkeit eines Überbrückungsdarlehens im Anschluß an die Tilgung des Rückstandes an Sozialversicherungsbeiträgen geschlossen hat.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.