VwGH vom 29.11.1994, 94/14/0128

VwGH vom 29.11.1994, 94/14/0128

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der B-GmbH in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 14/25/1-BK/Ba-1994, betreffend Gewerbesteuer für das Jahr 1990, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.050,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist an drei Vermögensverwaltungsgesellschaften (GmbH) beteiligt, und zwar zu 90 % an der KS und zu je 98 % an der HC und der AC. Die restlichen Anteile der KS hält seit eine Gesellschaft in Panama, die der HC und AC die Schweizer B-AG. Seit Beginn des Jahres 1990 besteht ein Organschaftsverhältnis mit der Beschwerdeführerin als Organträgerin und den erwähnten Vermögensverwaltungsgesellschaften als Organen. Die Vermögensverwaltungsgesellschaften haben jeweils ein Objekt in Wien an die BD-GmbH vermietet, an der die B-GmbH mit 98 % und HGB (eine physische Person) mit 2 % beteiligt sind. HGB hält unmittelbar 25 % und mittelbar über verschiedene Gesellschaften weitere Anteile an der Beschwerdeführerin, sodaß er an dieser insgesamt (unmittelbar und mittelbar) zu 44,645 % beteiligt ist. Durch unmittelbare und mittelbare Beteiligungen an der B-GmbH und an Gesellschaften, die wieder an dieser beteiligt sind, ist HGB neben seiner erwähnten unmittelbaren Beteiligung an der BD-GmbH an dieser noch mit weiteren 92,317 % mittelbar, insgesamt also mit 94,317 % beteiligt. Alle Gesellschaften gehören zu einer Firmengruppe.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde im Instanzenzug der Beschwerdeführerin bei Festsetzung der Gewerbesteuer für ihre erwähnten Organe (Vermögensverwaltungsgesellschaften) unter Berufung auf § 8 Z. 1 sechster Satz GewStG idF BGBl. 1985/557 die erweiterte Kürzung um den Teil des Gewerbeertrages, der auf den Grundbesitz entfällt (§ 8 Z. 1 zweiter Satz GewStG), mit Rücksicht auf das Naheverhältnis des HGB, weil dieser sowohl an den Vermögensverwaltungsgesellschaften (Organe) KS, AC, HC als auch an der BD-GmbH (Mietergesellschaft) jeweils mittelbar wesentlich beteiligt sei. Es sei daher der teleologisch so zu verstehende Ausschluß der erweiterten Kürzung verwirklicht, daß der Grundbesitz einem Unternehmen diene, an dem die Vermögensverwaltungsgesellschaft oder ein Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar (zB durch Treuhänder oder durch eine Kapitalgesellschaft) wesentlich beteiligt ist.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf die erweiterte Kürzung der Summe des Gewinnes und der Hinzurechnungen ihrer Organe gemäß § 8 Z. 1 zweiter Satz GewStG verletzt, behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 8 Z. 1 sechster Satz GewStG steht die Kürzung nach dem zweiten Satz um den Teil des Gewerbeertrages, der auf den Grundbesitz entfällt (erweiterte Kürzung) nicht zu, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder einem Unternehmen dient, an dem die Vermögensverwaltungsgesellschaft oder ein Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar (zB durch Treuhänder oder durch eine Kapitalgesellschaft) wesentlich beteiligt ist.

Daß der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters der Vermögensverwaltungsgesellschaften diene, hat die belangte Behörde selbst nicht angenommen.

Vorerst ist die Frage zu beantworten, ob im Falle einer Organschaft im Sinne des § 1 Abs 2 Z. 2 GewStG, bei der die Organgesellschaft eine Vermögensverwaltungsgesellschaft ist, nicht jedoch die Kapitalgesellschaft, die Organträger ist, die erweiterte Kürzung überhaupt Anwendung findet, bejahendenfalls auf welche Kapitalgesellschaft bei Prüfung des oben zitierten Ausschlußtatbestandes für die erweiterte Kürzung als Vermögensverwaltungsgesellschaft abzustellen ist, auf das Organ, auf den Organträger oder auf beide.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bereits mehrfach davon ausgegangen, daß die Organgesellschaft im Rahmen der Gewerbesteuer ihre Eigenschaft als Steuersubjekt nicht verliert (vgl. Erkenntnis vom , 89/14/0021, ÖStZB 1993, 217, Erkenntnis vom , 91/13/0228, ÖStZB 1994, 184). Die sogenannte Filialtheorie (vgl. hiezu Philipp, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz 1953, Tz 236 f zu § 1 Abs 2 Organschaft) wird vom Verwaltungsgerichtshof daher nicht vertreten. Lediglich die Vorschreibung der Gewerbesteuer erfolgt gegenüber dem Organträger, dieser ist also Steuerschuldner.

Die Ertragsermittlung hat für Organträger und Organ gesondert (getrennt) zu erfolgen, dies nur mit der Besonderheit, daß die Geschäftsbeziehungen zwischen diesen beiden als innerbetriebliche Vorgänge gelten und daher außer Betracht bleiben, eine doppelte Erfassung desselben Betrages sowohl bei der Unter- als bei der Obergesellschaft also auszuschließen ist.

Der Umstand, daß der Organträger und Steuerschuldner nicht Vermögensverwaltungsgesellschaft ist, schließt die erweiterte Kürzung für den Fall der Organstellung einer Vermögensverwaltungsgesellschaft nicht aus, weil es auf die Stellung als Steuersubjekt ankommt. Für dieses erfolgt die Ertragsberechnung, von deren Gewerbeertrag wird die erweiterte Kürzung vorgenommen.

Dies zeigt bereits, daß auch für den Ausschlußtatbestand des § 8 Z. 1 sechster Satz GewStG nicht auf den Organträger, der allenfalls selbst gar nicht Vermögensverwaltungsgesellschaft ist, abzustellen ist. Die Verwirklichung der Ausschlußregel ist daher nicht im Hinblick auf den Gewerbesteuerschuldner (Organträger), sondern - in völliger Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Gesetzes - nur im Hinblick auf die Vermögensverwaltungsgesellschaft (Organ), also das Gewerbesteuersubjekt zu prüfen. Der Organträger tritt daher - anders als hinsichtlich der Steuerschuldnerschaft - nicht an die Stelle des Organs.

Die Gesellschafterstellung des HGB bei der Beschwerdeführerin ist folglich nicht einer solchen bei den Vermögensverwaltungsgesellschaften (KS, HC und AC) gleichzuhalten.

Im vorliegenden Fall dient der Grundbesitz der Vermögensverwaltungsgesellschaften KS, HC und AC dem Unternehmen des Mieters BD-GmbH. An diesem sind die Vermögensverwaltungsgesellschaften unmittelbar nicht beteiligt. Deren Gesellschafter war 1990 jeweils die Beschwerdeführerin zu 90 % bzw. 98 %, hinsichtlich der restlichen Beteiligungen bei der KS eine Gesellschaft aus Panama (10 %) und bei HC und AC jeweils die Schweizer B-AG mit jeweils 2 %. Die Beschwerdeführerin ist an der Mieterin (BD-GmbH) nicht unmittelbar beteiligt. Eine wesentliche unmittelbare oder mittelbare Beteiligung der erwähnten Minderheitsgesellschafter der Vermögensverwaltungsgesellschaften an der Mieterin hat die belangte Behörde nicht festgestellt.

Es ist daher noch die Frage zu beantworten, ob die Vermögensverwaltungsgesellschaften oder die Beschwerdeführerin als deren Gesellschafterin als mittelbar wesentlich an der Mieterin (BD-GmbH) beteiligt anzusehen sind. Das Gesetz verlangt nämlich, daß entweder die Vermögensverwaltungsgesellschaften oder einer ihrer Gesellschafter - gleichgültig wie groß dessen Beteiligung an der Vermögensverwaltungsgesellschaft ist - an dem Unternehmen, dem der Grundbesitz dient, unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Dafür, daß jemand als Gesellschafter der Vermögensverwaltungsgesellschaft im Sinne des § 8 Z. 1 sechster Satz GewStG anzusehen sei, der nur mittelbar an der Vermögensverwaltungsgesellschaft beteiligt ist, bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt. Andernfalls hätte nämlich der Gesetzgeber nicht von einem Gesellschafter, sondern ebenso wie in bezug auf das Unternehmen, dem der Grundbesitz dient, von einer "unmittelbaren oder mittelbaren" Beteiligung an der Vermögensverwaltungsgesellschaft gesprochen. HGB war 1990 kein Gesellschafter der Vermögensverwaltungsgesellschaften KS, HC und AC. Seine Beteiligung an der BD-GmbH ist daher nicht Beteiligung eines Gesellschafters der Vermögensverwaltungsgesellschaft im Sinne des § 8 Z. 1 sechster Satz GewStG.

Zu klären ist daher noch, ob im Sinne dieser Vorschrift die Beschwerdeführerin als Gesellschafterin ihrer Organe, der Vermögensverwaltungsgesellschaften, oder ob diese Vermögensverwaltungsgesellschaften selbst mittelbar dadurch an der BD-GmbH (Mieterin) und damit an deren Unternehmen beteiligt sind, daß HGB, der unmittelbar und mittelbar im oben geschilderten Ausmaß an der Beschwerdeführerin beteiligt ist, seinerseits wieder unmittelbar und mittelbar wesentlich an der BD-GmbH beteiligt ist. Dies trifft jedoch entgegen der Meinung der belangten Behörde nicht zu:

Auch eine mittelbare Beteiligung, für die das Gesetz nur als Beispiel eine solche durch Treuhänder oder durch eine Kapitalgesellschaft anführt, erfordert - und zwar auch in wirtschaftlicher Betrachtungsweise - ein Teilhaben der Vermögensverwaltungsgesellschafter oder eines ihrer Gesellschafter an dem Unternehmen, dem der Grundbesitz der Vermögensverwaltungsgesellschaft dient, mag dieses Teilhaben dem Genannten auf welche Art immer vermittelt werden. Die von der belangten Behörde festgestellten Einflußnahmemöglichkeiten des HGB auf die Willensbildung der Gesellschaften der Firmengruppe vermitteln aber weder den Gesellschaftern der Vermögensverwaltungsgesellschaften KS, HC und AC, noch diesen Gesellschaften selbst ein Teilhaben, also eine Beteiligung an dem Unternehmen der BD-GmbH. Die Vermögensverwaltungsgesellschaften und deren Gesellschafter sind nämlich nicht an HGB beteiligt, sondern dieser mittelbar oder unmittelbar an ihnen.

Der äußerste Wortsinn des Gesetzes verbietet daher die Auslegung, bereits ein Naheverhältnis einer Person zur Vermögensverwaltungsgesellschaft oder einem Gesellschafter derselben einerseits und zum Unternehmen, dem der Grundbesitz der Vermögensverwaltungsgesellschaft dient, andererseits, das der betreffenden Person eine Einflußnahmemöglichkeit auf die Willensbildung der genannten Rechtsträger ermöglicht, sei für die erweiterte Kürzung schädlich. Hätte der Gesetzgeber dergleichen gewollt, hätte er es im Gesetz zum Ausdruck gebracht. Dies ist nicht geschehen.

In den Erläuternden Bemerkung zur Regierungsvorlage zum AbgÄG 1985 (715 BlgNR 16. GP, 32) ist davon die Rede, daß die erweiterte Kürzung zusteht, "sofern kein besonderes Naheverhältnis zwischen der betreffenden Kapitalgesellschaft und demjenigen besteht, dem das Grundstück dient". Daß damit etwas anderes gemeint sein sollte, als dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, ist diesen Materialien nicht zu entnehmen. Die Erläuterungen bringen nicht zum Ausdruck, was sonst, als die im Gesetz erwähnte unmittelbare oder mittelbare Beteiligung unter einem "besonderen Naheverhältnis" verstanden werden sollte.

Die belangte Behörde meint, es sei "offensichtliches Motiv" des Gesetzgebers gewesen, zu verhindern, "daß wirtschaftlich im wesentlichen gleichgelagerte Sachverhalte durch Bildung bestimmter Gesellschaftskonstruktionen rechtlich verschieden beurteilt" werden, und hält deshalb eine "teleologische Interpretation" in ihrem Sinn für geboten. Abgesehen davon, daß das behauptete Motiv nicht "offensichtlich" ist, ist die im Gesetz genannte Beteiligung des Grundbesitzers oder seines Gesellschafters am Unternehmen, dem der Grundbesitz dient, kein Sachverhalt, der jenem wirtschaftlich im wesentlichen gleichgelagert ist, bei welchem eine Person die Willensbildung auf seiten des Grundbesitzers oder eines seiner Gesellschafter einerseits und auf seiten desjenigen, dem der Grundbesitz dient, andererseits, beeinflussen kann.

Der der belangten Behörde vorschwebende Durchgriff durch Kapitalgesellschaften auf die hinter ihnen bestehende mittelbare personelle Verflechtung, die einzelnen physischen Personen Einflußnahmemöglichkeiten auf die Willensbildung in den Gesellschaften gewährt, ist vom äußersten Wortsinn der gesetzlichen Beschränkung erweiterter Kürzungen in § 8 Z. 1 sechster Satz GewStG nicht erfaßt.

Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt und dadurch die Beschwerdeführerin im Rahmen des Beschwerdepunktes in ihren Rechten verletzt, was zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs 2 Z. 1 VwGG führen mußte.

Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.