VwGH vom 11.06.1991, 91/14/0074
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom , Zl. 30.743-3/90, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1984 bis 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein selbständiger Zivilingenieur für Bauwesen, der auch ein technisches Büro für Feuerungs- und Installationsanlagen führt, machte für den Streitzeitraum Unternehmerreiseaufwand als Betriebsausgabe geltend. Anläßlich einer Betriebsprüfung wurde dieser Aufwand um Reisekosten in Höhe von netto S 4.540,-- für 1984, S 5.990,-- für 1985 und S 4.770,-- für 1986 für Fahrten von nicht mehr als 25 km vom Betriebsort gekürzt und den darauf entfallenden Vorsteuerbeträgen die Abzugsfähigkeit versagt. Das Finanzamt folgte in seinen Bescheiden diesem Prüfungsergebnis mit der Begründung, die Aufwendungen seien auf Fahrten entfallen, die nicht als Reisen im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG 1972 anzusehen seien, weil der örtliche Nahbereich des Betriebes von 25 km nicht verlassen worden sei.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung mit der Begründung, die Diskriminierungen, die der Selbständige infolge der zwei Steuersysteme Österreichs erfahre, seien mit einem Rechtsstaat und einer freien Wirtschaft nicht zu vereinbaren. Hinzu käme noch die Einführung der 25 km-Grenze durch die Finanzverwaltung. Aus dem für Ziviltechniker geltenden Ingenieurkammergesetz sei zu ersehen, daß dieser Berufsstand zur Entlastung des Staatsapparates geschaffen worden und seine Tätigkeit mit jener der Beamten gleichartig sei. Eine Einschränkung der Reisekosten sei daher nicht angebracht.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach § 4 Abs. 5 EStG 1972 seien Mehraufwendungen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich durch den Betrieb veranlaßten Reisen als Betriebsausgaben anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z. 7 EStG 1972 ergebenden Beträge nicht überstiegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei als Reise im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG 1972 nur die Fortbewegung über größere Entfernung über den örtlichen Nahbereich des Betriebes hinaus anzusehen. Der Nahbereich belaufe sich nach der Judikatur auf einen Umkreis von 20 bis 25 km gerechnet von der Betriebsstätte. Daß die in Frage stehenden Fahrten über diesen Bereich hinausgegangen seien, sei vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden. Die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit bestehender gesetzlicher Bestimmungen stünde der belangten Behörde nicht zu. Außerdem verwies die belangte Behörde darauf, daß die Frage der Übereinstimmung des § 4 Abs. 5 EStG 1972 mit dem Gleichheitsgrundsatz vom Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt geprüft worden sei. Dieser Gerichtshof habe in seinen Entscheidungen keine Bedenken dagegen geäußert, daß der Begriff der Dienstreise in § 26 Z. 7 EStG 1972 anders interpretiert werde als der Begriff der Reise in § 4 Abs. 5 EStG 1972. Der Hinweis auf den Berufsstand des Ziviltechnikers und dessen Aufgabe, den Staatsapparat zu entlasten, könne zu keiner anderen Beurteilung der strittigen Aufwendungen führen.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom , B 90/91-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz lasse das Vorbringen in der Beschwerde die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie - unter dem Blickwinkel der vom Verfassungsgerichtshof zu prüfenden Rechtsverletzungen - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
In der vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Anerkennung der erwähnten Reisekosten als Betriebsausgaben und auf Anerkennung der Abzugsfähigkeit der auf sie entfallenden Vorsteuerbeträge verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer behauptet, es sei unrichtig, den Begriff der Reise des § 4 Abs. 5 EStG 1972 anders zu interpretieren als den Begriff der Dienstreise in § 26 Z. 7 EStG 1972.
Diese Behauptung ist schon deshalb unrichtig, weil der Begriff der Dienstreise in § 26 Z. 7 zweiter und dritter Satz EStG 1972 ausdrücklich eine Definition durch den Gesetzgeber erfahren hat, was auf den Begriff der Reise in § 4 Abs. 5 EStG 1972 und ebenso auf den Begriff der Reise in § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 nicht zutrifft. Es entspricht daher ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß der Reisebegriff des § 4 Abs. 5 und ebenso der Reisebegriff des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 mit dem Begriff der Dienstreise in § 26 Z. 7 EStG 1972 nicht übereinstimmen
(Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, zweite Auflage, Tz 129 zu § 4; Hofstätter-Reichel, Kommentar zum Einkommensteuerrecht, Band III A, Tz 5 und 6 zu § 4 Abs. 5 EStG 1972). Wie die zu den erwähnten Literaturstellen zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zeigt, bestehen gegen den unterschiedlichen Reisebegriff in § 4 Abs. 5, § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 einerseits und § 26 Z. 7 EStG 1972 andererseits keine verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes. In den beiden erstgenannten Gesetzesstellen geht es darum, Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten zu definieren und die Möglichkeit erleichterter Nachweispflicht durch Hinweis auf die Reisekostenersätze nach § 26 Z. 7 EStG 1972 zu gewähren. Bei § 26 EStG 1972 handelt es sich jedoch um die Abgrenzung zwischen steuerbaren und nicht steuerbaren Einnahmen bzw. Einkünften bei der Einkunftsart gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4. Auch die Behauptung des Beschwerdeführers, ein Selbständiger würde hinsichtlich der Aufwendungen für Verpflegung und Unterkunft auf Reisen, die durch die Einkunftsquelle veranlaßt sind, anders behandelt als ein Unselbständiger (Geschäftsführer einer GmbH oder einer anderen Firma) ist unrichtig. Wie bereits dargelegt, gelten nach § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 auch für denjenigen, der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht, dieselben Grundsätze für die Auslegung des Begriffes Reise wie für den Steuerpflichtigen, dem Einkünfte der drei ersten Einkunftsarten zuzurechnen sind (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, zweite Auflage, Tz 133 zu § 16).
Dem Beschwerdeführer kann auch darin nicht beigepflichtet werden, daß die Rechtsprechung, wonach (in der Regel) eine Reise erst bei einer Entfernung von 20 bis 25 km Entfernung vom Betriebsort anzunehmen ist, überholt und nicht mehr zeitgemäß sei. Gerade im Hinblick auf die zeitgemäßen Beförderungsmittel ist nach wie vor davon auszugehen, daß einem Steuerpflichtigen, der im örtlichen Nahbereich des Betriebes (des Dienstortes) Verrichtungen durchführt, im allgemeinen kein Verpflegungsmehraufwand erwächst. Werden daher keine außergewöhnlichen Verkehrsverhältnisse behauptet, kann von der genannten - keineswegs starren - Entfernungsregel (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 90/14/0069) ausgegangen werden. Die Rücksichtnahme auf die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse ist daher durch die erwähnte Judikatur keinesfalls ausgeschlossen (vgl. Hofstätter-Reichel, a.a.O.).
Die allgemeinen Betrachtungen des Beschwerdeführers zu Verkehrsstau, Fahrten zu Gebirgsbaustellen und abgelegenen Ortschaften und Weilern beweisen daher nicht die Unrichtigkeit der in der Judikatur entwickelten Regelentfernungen.
Daß es sich mit Rücksicht auf die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse im Einzelfall auch bei Fortbewegungen unterhalb von 20 oder 25 km um eine Reise im Sinne des Gesetzes gehandelt hat, wäre vom Steuerpflichtigen durch Anführung der konkreten Umstände hinsichtlich der jeweiligen Fahrt im Verwaltungsverfahren konkret darzulegen und glaubhaft zu machen gewesen. Daß dies durch den Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren geschehen sei und die belangte Behörde auf solches Vorbringen nicht Rücksicht genommen habe, wird in der Beschwerde nicht als Rechtsverletzung geltend gemacht.
Es ließ daher bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, daß die in ihr behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt und der Beschwerdeführer daher im Rahmen des Beschwerdepunktes durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt wird. Deshalb war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.