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VwGH vom 17.03.1994, 91/14/0071

VwGH vom 17.03.1994, 91/14/0071

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde der W-GmbH in L, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom , Zl. 422-4/86, betreffend Erbschaftssteuer- äquivalent zum , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet, die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am . Mit Gesellschafterbeschluß vom wurde das Stammkapital der Beschwerdeführerin um S 59,900.000,-- auf S 60,000.000,-- erhöht. Die Erhöhungseinlage wurde zur Gänze von der Alleingesellschafterin W. GmbH gegen Einbringung ihres Betriebes gemäß Art. I (§ 1 Abs. 2) Strukturverbesserungsgesetz übernommen, wobei die Einbringung zum (Einbringungsstichtag) erfolgte. Der Beschluß auf Erhöhung des Stammkapitals wurde vor dem zur Eintragung im Handelsregister angemeldet, die Eintragung erfolgte am .

Einkommen und Bemessungsgrundlage für Gewerbesteuer für die Beschwerdeführerin wurden durch die Beschwerdeführerin unter der Annahme, daß der Vermögensübergang bereits mit Ablauf des Einbringungsstichtages erfolgte wäre, ermittelt. In der Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens der Beschwerdeführerin zum ist der eingebrachte Betrieb bereits ausgewiesen. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung stellte das Finanzamt den Einheitswert des Betriebsvermögens zum bescheidmäßig fest und schrieb Vermögenssteuer sowie Erbschaftssteueräquivalent ab dem vor. Gegen den Bescheid betreffend Erbschaftssteueräquivalent wurde Berufung erhoben und beantragt, diese Abgabe mit S 0,-- festzusetzen. Zur Begründung wird im wesentlichen vorgebracht, die Vorschreibung des Erbschaftssteueräquivalentes ab dem würde voraussetzen, daß die in § 1 Abs. 4 Strukturverbesserungsgesetz enthaltene Rückwirkungsbestimmung zur Anwendung komme. Bei Einbringungen nach § 1 Abs. 2 Strukturverbesserungsgesetz sei dies jedoch nicht der Fall.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Gemäß § 1 Abs. 4 Strukturverbesserungsgesetz müßten Bilanzen, die einer Verschmelzung zugrundegelegt würden, für einen Zeitraum aufgestellt werden, der höchstens neun Monate vor der Anmeldung der Verschmelzung zur Eintragung im Handelsregister liege; Einkommen und Vermögen der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft seien so zu ermitteln, als ob der Vermögensübergang mit Ablauf des Tages erfolgt sei, zu dem diese Bilanz aufgestellt sei. Aus der Interpretation des § 1 Abs. 4 Strukturverbesserungsgesetz ergebe sich dessen Anwendbarkeit auf Einbringungen nicht. Es liege jedoch eine Regelungslücke vor, weshalb § 1 Abs. 4 analog anzuwenden sei. Diese Bestimmung normiere nämlich die Verpflichtung zur Erstellung einer Bilanz über das eingebrachte Vermögen, zur Sicherstellung der Buchwertfortführung müßte aber über einen eingebrachten Betrieb eine Bilanz erstellt werden. Mit der Verpflichtung zur Erstellung einer Bilanz sei auch die Rückwirkungsfiktion untrennbar verbunden, sodaß der gesamte Regelungsgehalt des § 1 Abs. 4 Strukturverbesserungsgesetz zur Anwendung komme. Im übrigen sei die Vorgangsweise der Beschwerdeführerin widersprüchlich, weil sie in ihren Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen selber zum Ausdruck bringe, daß ihr das Einkommen und der Gewerbeertrag hinsichtlich des eingebrachten Betriebes bereits ab dem Einbringungsstichtag zuzurechnen seien. Auch dies könne sich nur aus der Rückwirkung im Sinne des § 1 Abs. 4 Strukturverbesserungsgesetz ergeben.

Die Beschwerde wendet Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides ein. Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht auf Freiheit von Erbschaftssteueräquivalentvorschreibung zum Stichtag verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantrage in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 1 Abs. 2 und 4 des Strukturverbesserungsgesetzes BGBl. 1969/69, idF vor der Änderung durch das BGBl. 1980/563, (StruktVG) lauten:

(2) § 19 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1966 ist auch anzuwenden, wenn eine inländische Kapitalgesellschaft, Genossenschaft oder Sparkasse oder eine ausländische Gesellschaft, die einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar ist, einen inländischen Betrieb, Teilbetrieb oder eine Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft im Sinne des § 10 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1966 zur Gänze als Sacheinlage in eine inländische Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft einbringt und die übrigen Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1966 vorliegen; Abs. 1 gilt sinngemäß.

(4) Bilanzen, die einer Verschmelzung zugrundegelegt werden, müssen für einen Zeitraum aufgestellt werden, der höchstens neun Monate vor der Anmeldung der Verschmelzung zur Eintragung im Handelsregister liegt. Das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Gesellschaft und der übernehmenden Gesellschaft sind so zu ermitteln, als ob der Vermögensübergang mit Ablauf des Tages bereits erfolgt und die übertragende Gesellschaft gleichzeitig aufgelöst worden wäre, zu dem diese Bilanz aufgestellt ist. Das gleiche gilt für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei der Gewerbesteuer.

Der Regelungsgehalt des § 1 Abs. 4 StruktVG bildet eine Einheit; es stellt sich daher nicht die Frage, ob ein einzelner Satz dieses Absatzes auf Einbringungen im Sinn des § 1 Abs. 2 StruktVG anwendbar ist, sondern es muß beurteilt werden, ob der Regelungsgehalt aller drei Sätze dieses Absatzes auf derartige Einbringungen zur Anwendung kommt. Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Zweifel daran, daß sich aus der Interpretation des § 1 Abs. 4 StruktVG dessen Anwendbarkeit auf Einbringungen im Sinn des § 1 Abs. 2 leg. cit. ergibt, wenn auch die Fiktion der Auflösung der übertragenden Gesellschaft bei derartigen Einbringungen nicht Platz greifen kann:

§ 1 Abs. 4 StruktVG Satz 1 verwendet den Begriff "Verschmelzung". Die Absätze 3 und 5 des § 1 StruktVG verwenden die Formulierung "Verschmelzung im Sinn des Abs. 1 und 2" bzw. "Verschmelzungen im Sinn des Abs. 1 und 2". Daraus und aus der Überschrift zu § 1 StruktVG ("Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften") ergibt sich bereits, daß der Gesetzgeber des Strukturverbesserungsgesetzes auch die Einbringung eines Betriebes durch eine Kapitalgesellschaft als Sacheinlage in eine andere Kapitalgesellschaft als Verschmelzung bezeichnet. Auch in der Literatur (vgl. Helbich, Umgründungen4, 235;

Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5, 326; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht, 733) wird ein derartiger Vorgang als (unechte) Verschmelzung bzw. Fusion bezeichnet. Als weiteres Indiz dafür, daß auch der historische Gesetzgeber dem Begriff "Verschmelzung" diesen weiten Inhalt beimaß, mag der Hinweis gelten, daß der zum Strukturverbesserungsgesetz ergangene , AÖF 1969/180, bei Punkt a) 1. derartige Einbringungen bereits unter den begünstigten Verschmelzungen anführt.

Da auch für die Einbringung eines Betriebes im Sinn des § 1 Abs. 2 StruktVG eine Bilanz erstellt werden muß (vgl. Helbich, Umgründungen, 231) - schon für die Ermittlung des Buchgewinnes bzw. Buchverlustes im Sinn des § 1 Abs. 3 StruktVG ist die Erstellung einer Bilanz erforderlich - entspricht es auch der in den erläuternden Bemerkungen zu § 1 Abs. 4 StruktVG, 1029 BlgNr. 11. GP, zum Ausdruck gebrachten Absicht des Gesetzgebers, daß nicht auf den Tag der tatsächlichen Einbringung eine Bilanz erstellt werden muß, sondern eine auf einen zurückliegenden Stichtag erstellte Schlußbilanz herangezogen werden kann.

Zu verweisen ist weiters darauf, daß mit Bundesgesetz vom , BGBl. 1970/417, im § 8 Abs. 3 StruktVG folgende Sätze angefügt worden sind: "Das Einkommen und das Vermögen des einzubringenden Betriebes (Teilbetriebes) und der aufnehmenden Kapitalgesellschaft sind so zu ermitteln, als ob der Vermögensübergang bereits mit Ablauf des Tages erfolgt und der eingebrachte Betrieb (Teilbetrieb) gleichzeitig aufgelöst worden wären, zu dem die der Einbringung zugrunde gelegte Bilanz aufgestellt ist. Das gleiche gilt für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage bei der Gewerbesteuer." In den erläuternden Bemerkungen hiezu, 146 BlgNr. 12. GP, wird ausgeführt, im bisherigen Wortlaut des Art. III fehle eine dem § 1 Abs. 4 zweiter und dritter Satz StruktVG entsprechende Bestimmung. Zwar werde im Schrifttum (Schimetschek, Kommentar zum Strukturverbesserungsgesetz, Österreichische

Zoll- und Steuernachrichten, Wien 1969, 30a) die Ansicht vertreten, daß die nach dem Bilanzstichtag getätigten Geschäfte des eingebrachten Betriebes (Teilbetriebes) schon nach geltendem Recht als Geschäfte der Kapitalgesellschaft gelten würden, doch bedürfe diese Auslegung noch der gesetzlichen Fundierung. Da somit die Einbringung nach Art. III spätestens ab dieser Novellierung zur rückwirkenden Zurechnung von Einkommen, Vermögen und Gewerbesteuerbemessungsgrundlagen führte, muß aus gesetzessystematischen Überlegungen auch auf Einbringungen im Sinn des § 1 Abs. 2 StruktVG die Bestimmung des § 1 Abs. 4 leg. cit., aus welcher sich für Maßnahmen im Sinne des Art. I StruktVG die Rückwirkung ergibt, anwendbar sein.

Auch in der Literatur wird einhellig vertreten, daß der Regelungsgehalt des § 1 Abs. 4 StruktVG auf Einbringungen im Sinn des § 1 Abs. 2 leg. cit. Anwendung findet (vgl. Helbich, Umgründungen3, Seite 231 und 237; Wiesner, Nochmals zum Umgründungsstichtag, SWK 1983 AI 91).

Die Beschwerdeführerin führt als Argument gegen die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 4 StruktVG auf Einbringungen, hinsichtlich derer der Beschluß vor dem zum Handelsregister angemeldet wurde, an, daß § 1 Abs. 4 StruktVG erst aufgrund der Fassung des Bundesgesetzes vom , BGBl. 1980/563, von "Verschmelzung oder Einbringung im Sinne des Abs. 1 und 2" spricht, während die Stammfassung dieser Bestimmung lediglich den Begriff "Verschmelzung" verwendet. Dem ist entgegenzuhalten, daß zu dieser Änderung die Erläuterungen, 457 BlgNr. 15. GP, keine Ausführungen machen. Aus diesen Erläuterungen ergibt sich vielmehr, daß die Änderung lediglich darauf abzielte, daß nur bestimmte Zeitpunkte als Einbringungsstichtage herangezogen werden können und daß die Umgründung stets am Schluß des der Umgründung zugrundegelegten Bilanzstichtages und nicht am nachfolgenden Tag wirksam werden solle (vgl. Helbich, Neuerungen im Strukturverbesserungsrecht, Wien 1982, Seite 32 f).

Da auf die gegenständliche Einbringung § 1 Abs. 4 StruktVG somit Anwendung findet, war das Vermögen der Beschwerdeführerin so zu ermitteln, als ob der Vermögensübergang mit Ablauf des Einbringungsstichtages () erfolgt wäre. Im Fall der Einbringung in eine Gesellschaft (bzw. der Verschmelzung auf eine Gesellschaft) auf einen Stichtag, der vor ihrer handelsrechtlichen Gründung liegt, bewirkt die Fiktion des § 1 Abs. 4 Satz 2 StruktVG, daß für die Besteuerung des Vermögens - gleiches gilt für die Besteuerung des Einkommens und für die Gewerbesteuer - die Besteuerungsfolgen bereits für Zeiträume vor der zivilrechtlichen Existenz der Gesellschaft eintreten. Auch wenn die Beschwerdeführerin erst im Laufe des Jahres 1980 gegründet worden ist, ist für Zwecke der Besteuerung des Vermögens - sowie für Zwecke der Körperschaft- und Gewerbesteuer - von der Fiktion auszugehen, daß die Gesellschaft bereits ab Ablauf des Einbringungsstichtages bestanden habe und ihr die Besteuerungsgrundlagen zuzurechnen seien.

Die Besteuerung des Vermögens einer juristischen Person erfolgt nicht ausschließlich durch die Vermögensteuer, welche auch nicht ausdrücklich im § 1 Abs. 4 StruktVG angeführt ist. Das Vermögen ist auch Gegenstand des Erbschaftssteueräquivalentes (vgl. § 3 Erbschaftssteueräquivalentgesetz). Die fiktive Zurechnung des Vermögens aufgrund des § 1 Abs. 4 Satz 2 StruktVG zeitigt somit Auswirkungen sowohl hinsichtlich Vermögensteuer als auch hinsichtlich Erbschaftssteueräquivalent.

Gemäß § 8 Erbschaftssteueräquivalentgesetz gelten für Veranlagung und Entrichtung dieser Abgabe die entsprechenden Bestimmungen des Vermögensteuergesetzes. Für die Beschwerdeführerin, der bereits für Zeiträume des Jahres 1979 Vermögen zuzurechnen war, war somit zum eine Hauptveranlagung zum Erbschaftssteueräquivalent vorzunehmen. Die Bemessungsgrundlage ergab sich aus dem rechtskräftigen Bescheid betreffend die Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zum .

Die Beschwerdeführerin verweist darauf, daß das Erbschaftssteueräquivalent wegen des Fehlens einer erbschaftsteuerlichen Belastung bei Körperschaften erhoben werde, daß aber für die Erbschaftsteuer die Rückwirkungsfiktion des § 1 Abs. 4 StruktVG nicht zur Anwendung komme. Im gegenständlichen Fall war aber nicht die Erbschaftssteuer zu beurteilen, sondern die Vorschreibung von Erbschaftssteueräquivalent, welches eine zusätzliche Vermögensteuer von juristischen Personen ist (vgl. Doralt - Ruppe, Grundriß des Österreichischen Steuerrechtes II2, 51).

Die Beschwerdeführerin verweist zu Recht darauf, daß die Vorschreibung der Abgabe nicht auf die abgabenrechtliche Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1 Abs. 5 StruktVG gestützt werden kann. Der angefochtene Bescheid brachte aber diese Bestimmung nicht zur Anwendung.

Sofern die Beschwerdeführerin auf das hg. Erkenntnis vom , 3372, 3373/79, verweist, übersieht sie, daß in diesem Erkenntnis zum Ausdruck gebracht wurde, daß bei Einbringung von Betrieben in neu gegründete Kapitalgesellschaften der Einheitswert des Betriebsvermögens nach Maßgabe des Vermögens im Feststellungszeitpunkt festzusetzen ist, wenn vor dem Feststellungszeitpunkt noch kein Bilanzstichtag liegt. Die Frage der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zum ist aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Da somit die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des Beschwerdepunktes nicht in ihren Rechten verletzt ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.