VwGH vom 20.10.1999, 97/08/0522
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der G in G, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/LA2/1218/1997-Mag.Ed/S, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde das der Beschwerdeführerin gewährte Arbeitslosengeld für die Zeit vom 14. Juni bis widerrufen und sie zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Betrages von S 60.517,-- verpflichtet. In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde nach auszugsweiser Wiedergabe der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen davon aus, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom bis Arbeitslosengeld in der Höhe von S 414,15 täglich bezogen habe. Das Finanzamt Graz-Stadt habe im Oktober 1996 mitgeteilt, dass bei einer Betriebsprüfung festgestellt worden sei, dass die Beschwerdeführerin in den Monaten Juni bis November 1993 insgesamt S 31.000,-- exklusive 20 % Mehrwertsteuer auf Werkvertragsbasis verdient habe. Die Beschwerdeführerin habe dazu angegeben, dass ihre Einnahmen in der Zeit vom 1. Mai bis S 36.000,-- betragen hätten und sie Betriebsausgaben in der Höhe von S 12.000,-- gehabt habe. Es habe sich ein Gewinn von S 24.000,-- in acht Monaten ergeben. Eine Abgabenerklärung sei deshalb nicht beim Finanzamt eingereicht worden, weil einerseits die Zweijahresfrist für den Antrag auf Veranlagung übersehen worden sei und außerdem, da die Veranlagung ein Guthaben ergeben hätte, diese abgewiesen worden wäre. Die Beschwerdeführerin habe auch ein Schreiben vom vorgelegt, wonach sie für Vorträge in der Zeit vom bis S 36.000,-- inklusive Mehrwertsteuer verrechnet habe.
Bei diesem Sachverhalt habe die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice den Bezug des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 14. Juni bis widerrufen und die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes von S 60.517,-- verpflichtet. Als Begründung habe die regionale Geschäftsstelle angegeben, die Beschwerdeführerin habe das Arbeitslosengeld zu Unrecht bezogen, weil sie selbständig erwerbstätig gewesen sei und ein Einkommen erzielt habe, das den Bezug von Arbeitslosengeld ausgeschlossen habe.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, sie habe im Jahr 1993 Bruttoeinnahmen aus Vortrags- und Beratungstätigkeit in der Höhe von S 36.000,-- gehabt. Davon seien jedoch ihre Ausgaben, die sie durch Schätzung ermittelt habe, von S 12.000,-- (Fachliteratur S 3.000,--, Schreibmaterialien S 500,--, Anbahnungsspesen S 2.500,--, Fahrt- und Reisekosten S 3.000,--, sonstige Materialien S 3.000,--) in Abzug zu bringen. Von diesem so zu ermittelnden Gewinn von S 24.000,-- seien 24,7 % Einkommensteuer in Abzug zu bringen, sodass sich eine Bemessungsgrundlage von S 18.072,-- ergebe; ein Zwölftel davon betrage S 1.506,--. Selbst unter der Voraussetzung, dass die Tätigkeit nur acht Monate gedauert habe, ergebe sich ein monatliches Einkommen von S 2.259,--. Das monatliche Einkommen liege daher in jedem Fall unter der gemäß § 5 Abs. 2 ASVG relevanten Geringfügigkeitsgrenze, welche im Jahr 1993 mit S 3.102,-- monatlich festgesetzt worden sei.
Die belangte Behörde führte aus, sie gehe von dem in der Honorarnote vom ausgewiesenen Bruttoeinkommen von S 36.000,-- für die Zeit vom 14. Juni bis aus, weil kein Einkommensteuerbescheid vorliege. Wenn man weiters die von der Beschwerdeführerin im Schätzungswege ermittelten - durch nichts belegten - Ausgaben abziehe, ergebe sich ein gemäß § 12 Abs. 9 AlVG i.V.m. § 2 EStG 1988 festgesetztes Einkommen von S 24.000,--. Die Beschwerdeführerin sei vom 14. Juni bis zum , somit an 146 Tagen selbständig erwerbstätig gewesen. Das festgestellte Einkommen sei daher durch 146 (Tage) zu teilen und mit 30 zu multiplizieren, um das tatsächlich erzielte monatliche Einkommen zu errechnen. Dies ergebe einen monatlichen Betrag von S 4.931,50. Es liege daher das monatliche Einkommen über der im Jahr 1993 mit S 3.102,-- festgesetzten Geringfügigkeitsgrenze. Der Widerruf der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes sei daher zu Recht vorgenommen worden.
Die Beschwerdeführerin habe ihre selbständige Erwerbstätigkeit im Jahr 1993 nicht gemeldet. Diese Tätigkeit sei der regionalen Geschäftsstelle des AMS erst im Jahre 1996 zufällig bekannt geworden. Die Beschwerdeführerin habe somit den Bezug des Arbeitslosengeldes im Jahr 1993 durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt und dadurch den Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 Satz 1 zweiter Fall AlVG erfüllt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht geltend, gemäß § 12 Abs. 9 AlVG gelte als monatliches Einkommen ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens. Das Gesetz sehe nicht vor, dass eine davon abweichende Aliquotierung vorzunehmen sei, wenn sich die dem Jahreseinkommen zugrunde liegende Tätigkeit nicht über das ganze Jahr erstrecke, sondern, wie im gegenständlichen Fall, auf einen bestimmten Zeitraum innerhalb dieses Jahres beschränke. Die Aliquotierung des Jahreseinkommens auf den Zeitraum der tatsächlichen Tätigkeit sei daher im Gesetz weder gedeckt noch begründet.
Mit diesen Ausführungen kann die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Bei der Entscheidung über den Widerruf und die Rückforderung der vom 14. Juni bis gewährten Leistungen hat die belangte Behörde zur Beurteilung der Frage, ob die Beschwerdeführerin während des Widerrufszeitraumes gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG als arbeitslos anzusehen war, diese Bestimmung und § 12 Abs. 9 AlVG zeitraumbezogen, d.h. erstere in der ab geltenden Fassung laut BGBl. Nr. 615/1987 und letztere in der ab geltenden Fassung gemäß BGBl. Nr. 615/1987 und Nr. 364/1988, anzuwenden. Danach galt ungeachtet des Ausschlussgrundes der selbständigen Erwerbstätigkeit (§ 12 Abs. 3 lit. b AlVG) gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG als arbeitslos, wer auf andere Art als durch die Bewirtschaftung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes selbständig erwerbstätig war und daraus ein nach Maßgabe des § 12 Abs. 9 AlVG festgestelltes Einkommen erzielte, dass die Geringfügigkeitsgrenzen nach § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG (in Bezug auf das Monatsentgelt für 1993 mit S 3.102,-- festgesetzt) nicht überstieg.
§ 12 Abs. 9 AlVG lautete:
"(9) Das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit wird aufgrund des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem Arbeitslosengeld bezogen wird, festgestellt, wobei dem Einkommen nach § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung, unter Außerachtlassung von Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit (§ 25 EStG 1988) die im Einkommensteuerbescheid angeführten Freibeträge und Sonderausgaben sowie die Beträge nach den §§ 9 und 10 EStG 1988 hinzuzurechnen sind. Der Leistungsbezieher ist verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr, in dem Arbeitslosengeld bezogen wurde, binnen zwei Wochen nach Erlassung dem zuständigen Arbeitsamt vorzulegen. Bis zur Erlassung und Vorlage des Bescheides ist die Frage der Arbeitslosigkeit insbesondere aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung des Arbeitslosen über die Höhe seines Bruttoeinkommens, einer allenfalls bereits erfolgten Einkommensteuererklärung bzw. eines Einkommensteuerbescheides aus einem früheren Jahr vorzunehmen. Des Weiteren hat der Arbeitslose schriftlich seine Zustimmung zur Einholung von Auskünften beim Finanzamt zu erteilen. Für die von den Finanzämtern erteilten Auskünfte gilt die abgabenrechtliche Geheimhaltepflicht des § 48a der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, sinngemäß. Lehnt der Arbeitslose die Abgabe der eidesstattlichen Erklärung bzw. der Zustimmungserklärung ab, ist ein geringfügiges Einkommen nicht anzunehmen. Als monatliches Einkommen gilt ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens."
Der letzte Satz dieser Bestimmung wurde durch Art. 1 Z. 4d der AlVG-Novelle 1989, BGBl. Nr. 364, als "Klarstellung" (986 BlgNR 17. GP, 12) angefügt. Die Anordnung einer Zwölftelung stellt nur das Bindeglied zwischen dem Jahreseinkommen im Sinn des § 12 Abs. 9 AlVG und der nach § 12 Abs. 6 lit. c AlVG maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. c ASVG, aber keine Regelung für Fälle dar, in denen die selbständige Erwerbstätigkeit nur während eines Teiles des Kalenderjahres ausgeübt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/08/0229). Diese Bestimmung hinderte daher die belangte Behörde nicht daran, dass unstrittige Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit durch die Anzahl der Monate zu teilen, während derer die selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde. Weder gegen die Richtigkeit der so durchgeführten Berechnung noch gegen die festgestellte Dauer der Erwerbstätigkeit vom 14. Juni bis zum enthält die Beschwerde Ausführungen. Da demnach die Beschwerdeführerin im streitgegenständlichen Zeitraum ein über der in § 12 Abs. 6 lit. c AlVG i.V.m. § 5 Abs. 2 lit. c ASVG genannten Grenze liegendes Monatseinkommen erzielte, galt sie nicht als arbeitslos und wurde sohin zu Recht der Bezug des Arbeitslosengeldes gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen.
Gegen den Ausspruch der Rückforderung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes bringt die Beschwerdeführerin vor, sie sei nicht verpflichtet gewesen, diese Tätigkeit zu melden. Unter Zugrundelegung ihrer Rechtsauffassung habe diese Tätigkeit ihren Anspruch auf Auszahlung des Arbeitslosengeldes in keiner Weise berührt.
Auch dieses Vorbringen geht fehl. Der Empfänger einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung hat die Aufnahme jeder Beschäftigung gemäß § 50 Abs. 1 erster Satz AlVG zu melden. Dies selbst dann, wenn nach Auffassung des Leistungsempfängers diese Tätigkeit den Leistungsanspruch nicht zu beeinflussen vermag. Die Beurteilung, ob diese Beschäftigung als geringfügig zu werten ist und daher durch die Aufnahme der Beschäftigung der Zustand der Arbeitslosigkeit nicht beseitigt wurde, kann nicht dem Empfänger des Bezuges anheim gestellt sein; diese Beurteilung unterliegt ausschließlich der behördlichen Beschlussfassung (vgl. Dirschmied, AlVG, 3. Auflage, Punkt 1. zu § 50 AlVG, mit Hinweis auf die hg. Judikatur).
Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin keine Meldung erstattet hat. Die belangte Behörde ist daher zutreffend vom Vorliegen der Voraussetzung des § 25 Abs. 1 erster Satz zweiter Fall AlVG ausgegangen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unberechtigt und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am