VwGH 31.05.2000, 97/08/0519
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Die Übersiedlung eines Leistungsempfängers aus dem Sprengel einer regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in den Sprengel einer anderen regionalen Geschäftsstelle berührt jedenfalls dann nicht die Voraussetzungen der Leistung, wenn die Übersiedlung angezeigt wird, und es erübrigt sich daher in Bezug auf die bereits zuerkannte Leistung eine neuerliche Antragstellung. Für weitere behördliche Schritte in der Leistungsangelegenheit des Leistungsempfängers mit dessen Übersiedlung auch insofern, als es um den Widerruf mangels Verfügbarkeit und die Rückforderung der Leistung für einen vor der Übersiedlung gelegenen Zeitraum ging, wurde gemäß § 44 Abs 1 AlVG die letztgenannte regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zuständig (vgl das Erkenntnis vom , 92/08/0211; zum Sonderfall, dass der Widerruf in einer nachträglichen Antragszurückweisung mangels Zuständigkeit auf Grund fehlenden Inlandsaufenthaltes bestehen soll, das Erkenntnis vom , 95/08/0132). |
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RS 2 | Eine festgestellte intensive Inanspruchnahme durch eine Betriebsgründung würde im Sinne des E , 97/08/0443, eine der Inanspruchnahme durch eine auf ein bestimmtes Ausbildungsziel ausgerichtete Ausbildung vergleichbare Bindung faktischer Art bedeuten, die erst beseitigt werden müsste, damit eine die Arbeitslosigkeit beendende Beschäftigung aufgenommen werden könnte. Solange dies nicht geschehen ist, ist die Verfügbarkeit in einem solchen Fall nicht gegeben (vgl allgemein zur mangelnden Verfügbarkeit auf Grund Inanspruchnahme durch andere Tätigkeiten neben der in dem erwähnten Erkenntnis zitierten Vorjudikatur noch E , 99/08/0009, E , 99/08/0005 und E 98/08/0283, E , 98/08/0210, und E , 97/08/0485). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des W in L, vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in Linz, Museumstraße 9, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , Zl. B1/12897/Nr.605/770/97-8, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1938 geborene Beschwerdeführer bezog vom bis zum Arbeitslosengeld und daran anschließend Notstandshilfe. Am beantragte er neuerlich Notstandshilfe, wobei er angab, dass er ab wieder selbständig tätig sei, worüber am Tag der Antragstellung und am gesonderte Niederschriften mit ihm aufgenommen wurden. In den Text der vorgedruckten Niederschriften wurde im Wesentlichen nur eingetragen, dass der Beschwerdeführer aus der seit ausgeübten Erwerbstätigkeit im September und Oktober 1996 kein Einkommen und keinen Umsatz erzielt habe. Mit Mitteilung über den Leistungsanspruch vom wurde dem Beschwerdeführer vom bis voraussichtlich die Notstandshilfe zuerkannt. Mit einer weiteren Mitteilung vom wurde dem Beschwerdeführer die Notstandshilfe für die Zeit vom bis voraussichtlich in einer etwas geringeren Höhe als bisher zuerkannt.
Am meldete sich der Beschwerdeführer, der bisher im Sprengel der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Braunau wohnhaft gewesen war, in Laakirchen an. Am beantragte er bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Gmunden die (weitere) Zuerkennung der Notstandshilfe. Hiezu wurden am drei Niederschriften mit ihm aufgenommen. Die erste Niederschrift betraf die verspätete Antragsrückgabe, wozu der Beschwerdeführer ausführte, er habe am aufgrund seiner "selbständigen Tätigkeit ... aus terminlichen Gründen (Beschickung einer Baustelle mit Arbeitsvorbereitung und Arbeitskräfteeinteilung)" nicht rechtzeitig vorsprechen können. Die zweite Niederschrift betraf die "selbständige Tätigkeit" des Beschwerdeführers, worüber im Wesentlichen festgehalten wurde, der Beschwerdeführer sei seit Dezember 1996 selbständig erwerbstätig. Er plane und errichte Fertigteilhäuser. Das Gewerbe habe mit seiner früheren Selbständigkeit nichts zu tun. Der Beschwerdeführer werde monatlich eine "Selbsteinschätzung" seiner Einkünfte durchführen. Hiezu übergab der Beschwerdeführer ein - gleichfalls als "Niederschrift" bezeichnetes, aber nur seine Unterschrift tragendes - Formblatt, worin für April 1997 angegeben wurde, dass der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum weder ein Einkommen noch einen Umsatz "erzielt habe". Die dritte Niederschrift betraf "Art und Umfang der selbständigen Tätigkeit". Hiezu gab der Beschwerdeführer an:
"Ab Dezember 1996 bin ich laut Gewerbeschein selbständig erwerbstätig. Den Antrag auf den Gewerbeschein stellte ich im September 1996. Ich plane und errichte Fertigteilhäuser. Die Bauelemente werden aus der Tschechei importiert. Der weitere Ausbau wird an Ort und Stelle auf der jeweiligen Baustelle durchgeführt. Diese Arbeiten überwacht mein Bauleiter. Die Planungen, die Kundenberatungen und die allgemeine Geschäftsführung führe ich selbst von meinem Büro aus durch. Dieses befindet sich in meinem Haus in dem vier Büroräume zur Verfügung stehen, jedoch derzeit nur zwei in Betrieb sind. Die Büros leite ich selbst mit einem Stundenaufwand von 10 bis 12 Stunden täglich. Sollte ich nicht im Büro tätig sein, bin ich täglich für meine Firma geschäftlich unterwegs (Behörden, Kunden, ... etc.)."
Mit Bescheid vom entschied die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Braunau, gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG werde der Bezug (gemeint: die Zuerkennung) der Notstandshilfe für den Zeitraum vom bis zum "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt", weil der Beschwerdeführer seit Dezember 1996 "mit" seiner "Selbständigkeit 10-12 Stunden täglich beschäftigt" sei und daher nicht zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe.
Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag entschied die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Braunau, gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG werde für den Zeitraum vom bis zum der Bezug (gemeint: die Zuerkennung) der Notstandshilfe "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und der Beschwerdeführer werde gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung unberechtigt empfangener Notstandshilfe im Gesamtbetrag von S 49.092,-- verpflichtet. Er habe dem Arbeitsmarktservice nicht gemeldet, dass er seit Dezember 1996 10 bis 12 Stunden täglich "mit" seiner Selbständigkeit beschäftigt sei und daher dem Arbeitsmarktservice nicht zur Vermittlung zur Verfügung stehe.
Mit Bescheid vom gab die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Gmunden dem bei ihm gestellten Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe gemäß § 7 iVm § 38 AlVG keine Folge, weil der Beschwerdeführer aufgrund des Umfanges seiner selbständigen Erwerbstätigkeit "dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung" stehe.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen die Bescheide der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Braunau vom nicht statt. Sie bestätigte die bekämpften Bescheide "aus ihren zutreffenden Gründen" und führte dazu im Wesentlichen aus, dass eine selbständige Tätigkeit von 10 bis 12 Stunden täglich die Verfügbarkeit zu den auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen Beschäftigungszeiten ausschließe und der Beschwerdeführer dem Arbeitsmarktservice Braunau nicht gemeldet habe, dass sich das Ausmaß seiner selbständigen Erwerbstätigkeit ab Dezember 1996 "so massiv erhöht" gehabt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Im vorliegenden Fall wurde zunächst verkannt, dass die Übersiedlung eines Leistungsempfängers aus dem Sprengel einer regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in den Sprengel einer anderen regionalen Geschäftsstelle die Voraussetzungen der Leistung jedenfalls dann, wenn die Übersiedlung angezeigt wird, nicht berührt und sich in Bezug auf die bereits zuerkannte Leistung eine neuerliche Antragstellung - zu der der Beschwerdeführer nach dem Inhalt der Ausdrucke im Berufungsakt ausdrücklich aufgefordert wurde - daher erübrigt. Verkannt wurde aber auch, dass für weitere behördliche Schritte in der Leistungsangelegenheit des Beschwerdeführers mit dessen Übersiedlung auch insofern, als es um den Widerruf mangels Verfügbarkeit und die Rückforderung der Leistung für einen vor der Übersiedlung gelegenen Zeitraum ging, gemäß § 44 Abs. 1 AlVG die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Gmunden zuständig geworden war (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/08/0211; zum Sonderfall, dass der Widerruf in einer nachträglichen Antragszurückweisung mangels Zuständigkeit aufgrund fehlenden Inlandsaufenthaltes bestehen soll, das Erkenntnis vom , Zl. 95/08/0132).
Aufgrund der Unzuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Braunau hätte die belangte Behörde deren Bescheide ersatzlos beheben müssen. Da die belangte Behörde dies nicht erkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Im fortgesetzten Verfahren wird (ungeachtet der Frage, ob der Beschwerdeführer durch diese Vorgangsweise der Behörde in einem subjektiven Recht verletzt wurde), darauf zu achten sein, dass von den dem Gesetzestext an sich schon nicht optimal entsprechenden Textbausteinen bei der Bescheiderlassung nicht wieder so Gebrauch gemacht wird, dass bei getrennten Bescheiden über den Widerruf und über die Rückforderung der Widerruf ("bzw." die rückwirkende Neubemessung) doppelt erfolgt.
Den vom Beschwerdeführer in der Sache selbst vorgebrachten Argumenten ist entgegenzuhalten, dass die von der belangten Behörde festgestellte Art und Intensität seiner Inanspruchnahme durch die selbständige Erwerbstätigkeit die Annahme, er habe sich während dieser Beschäftigung nicht im Sinne des Gesetzes "zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen ... versicherungspflichtigen Beschäftigung" bereitgehalten, rechtfertigen würde. Die festgestellte intensive Inanspruchnahme durch eine Betriebsgründung würde im Sinne des Erkenntnisses vom , Zl. 97/08/0443, eine der Inanspruchnahme durch eine auf ein bestimmtes Ausbildungsziel ausgerichtete Ausbildung vergleichbare Bindung faktischer Art bedeuten, die erst beseitigt werden müsste, damit eine die Arbeitslosigkeit beendende Beschäftigung aufgenommen werden könnte. Solange dies nicht geschehen ist, ist die Verfügbarkeit in einem solchen Fall nicht gegeben (vgl. allgemein zur mangelnden Verfügbarkeit aufgrund Inanspruchnahme durch andere Tätigkeiten neben der in dem erwähnten Erkenntnis zitierten Vorjudikatur noch die Erkenntnisse vom , Zl. 99/08/0009, vom , Zl. 99/08/0005 und Zl. 98/08/0283, vom , Zl. 98/08/0210, und vom , Zl. 97/08/0485).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2000:1997080519.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAE-61692