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VwGH vom 22.10.1991, 91/14/0034

VwGH vom 22.10.1991, 91/14/0034

Beachte

Besprechung in:

SWK 28/1992, A I 302;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. NN, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , Zl. B 238-3/89, betreffend Einkommensteuer 1985 und 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Strittig ist, ob die vom Beschwerdeführer, einem Rechtsanwalt, für Gerichtskosten- und Stempelmarken sowie Vollzugskosten vereinnahmten und verausgabten Beträge durchlaufende Posten im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG 1972 darstellen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid bejahte die belangte Behörde diese Frage. Sie führte im wesentlichen aus: Der Gesetzgeber habe im § 4 Abs. 4 UStG als Beispiele für durchlaufende Posten Gerichtsgebühren und Stempelkosten ausdrücklich angeführt. Diese Bestimmung habe ein äußerlich erkennbares Handeln im fremden Namen und auf fremde Rechnung zum Inhalt. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom , Zl. 1813/55, ausgeführt, daß zu durchlaufenden Posten in diesem Sinne unter anderem auch Gerichts- und Stempelkosten gehörten, da hier der Anwalt nach außen für jedermann erkennbar im Namen seines Klienten tätig werde. Unter Bedachtnahme auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung könne dem Beschwerdeführer nicht dahin gefolgt werden, daß ein im Zeitpunkt der Erlassung des Abgabenänderungsgesetzes 1984, durch welches die ertragsteuerliche Unbeachtlichkeit durchlaufender Posten verankert worden sei, klar umschriebener und fest verankerter Rechtsbegriff im Einkommensteuerrecht keine Gültigkeit haben sollte, zumal der Gesetzestext dafür keinen Anhaltspunkt biete. Da der zahlende Rechtsanwalt auch hinsichtlich der Vollzugskosten nur als Mittelsperson für den eigentlichen Gebührenschuldner, im Regelfall die betreibende Partei, fungiere, seien auch diese Beträge beim Rechtsanwalt als durchlaufende Posten zu qualifizieren.

Durch diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer erkennbar in seinen Rechten insoweit verletzt, als die strittigen Beträge als durchlaufende Posten behandelt wurden. Er beantragt, die angefochtene Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG 1972 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 531, scheiden bei der Überschußrechnung Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aus, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (durchlaufende Posten). In seinem Erkenntnis vom , Zl. 90/13/0104, hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, daß durchlaufende Posten auch schon vor dem Abgabenänderungsgesetz 1984 keine Betriebseinnahmen waren, da sie wirtschaftlich nicht in das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen (der Mittelsperson) gelangten. Die ab 1985 geltende gesetzliche Regelung entspreche der "Durchlauferregelung" des § 4 Abs. 3 UStG 1972. Der Gerichtshof hat somit schon im zitierten Erkenntnis nicht die Meinung vertreten, der Begriff der durchlaufenden Posten könnte im Einkommensteuerrecht ein anderer als im Umsatzsteuerrecht (§ 4 Abs. 3 erster Satz UStG 1972) sein.

Der Gesetzgeber ist in § 4 Abs. 4 UStG 1972 davon ausgegangen, daß für Rechtsanwälte (und Notare) zu den durchlaufenden Posten insbesondere die Gerichtsgebühren und Stempelkosten zählen. Anders als bei den in § 4 Abs. 3 zweiter bis vierter Satz UStG 1972 genannten Fällen handelt es sich um keine gesetzliche Fiktion. Auch in Lehre und Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, daß der Anwalt hier nach außen für jedermann erkennbar im Namen seines Klienten tätig wird (vgl. Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 4 Tz 202, sowie das von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom , Slg. 1488/F; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Slg. 1732/F).

Der Beschwerdeführer ist offenbar selbst der Ansicht, daß die strittigen Beträge umsatzsteuerlich durchlaufende Posten darstellen, weil er sie in seiner Überschußrechnung gesondert von den als umsatzsteuerpflichtig bezeichneten Honorareinnahmen ausweist. Er hatte somit keine Bedenken, die jeweiligen Beträge insoweit als im Namen und auf Rechnung anderer vereinnahmt und verausgabt anzusehen.

Die Beschwerdeausführungen sind nicht geeignet davon zu überzeugen, daß einkommensteuerrechtlich eine andere Sicht angebracht wäre: Der Beschwerdeführer betont vor allem, er schaffe je nach Wochen- oder Monatsbedarf unregelmäßig Gerichtskostenmarken auf Vorrat an. Er habe niemals Gerichtskosten- oder Stempelmarken im Namen irgendeines Klienten gekauft.

Hiezu ist zunächst zu bemerken, daß ein durchlaufender Posten auch vorliegt, wenn die Verausgabung der Vereinnahmung vorangeht, etwa weil der Rechtsanwalt dem Klienten den entsprechenden Betrag aus "eigener Tasche" vorstreckt (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/13/0104). Was das Handeln im fremden Namen anlangt, so ist dem Beschwerdeführer zuzugeben, daß ein Rechtsanwalt beim Ankauf von Gerichtskostenmarken regelmäßig dem Verschleißer gegenüber nicht erklärt, er kaufe bestimmte Marken namens eines bestimmten Klienten. Allerdings sind in den Fällen der von beiden Parteien sofort erfüllten Barkäufe die vertragsschließenden Teile an der Identität des Partners regelmäßig nicht interessiert. Es ist ihnen gleichgültig, mit wem sie kontrahieren, ob das Geschäft für den Handelnden oder für eine andere Person gelten soll. Deshalb sieht man im Zivilrecht bei einem solchen Geschäft ("für den, den es angeht") vom Offenlegungsgrundsatz ab und läßt es auch dann für den "materiell Beteiligten" wirken, wenn der Handelnde nicht im fremden Namen abgeschlossen hat (vgl. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I, 8. Auflage, Seite 171). Auch im Hinblick darauf hat der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall keine Bedenken dagegen, einen Gerichtskosten- oder Stempelmarken einkaufenden Rechtsanwalt hinsichtlich der Verausgabung als bloße Mittelsperson anzusehen. Daß die vom Beschwerdeführer erwähnte Vereinnahmung beim unterlegenen Prozeßgegner im Namen und auf Rechnung des eigenen Mandanten erfolgt, hält der Gerichtshof für unzweifelhaft. Unerfindlich ist im gegebenen Zusammenhang, wie sich der Beschwerdeführer des Disziplinarvergehens der Doppelvertretung schuldig machen könnte.

Schließlich ist noch zu prüfen, ob die Vollzugskosten als durchlaufende Posten im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG 1972 anzusehen sind. Der Beschwerdeführer behauptet hiezu, es handle sich um von ihm selbst geschuldete Verbindlichkeiten.

Zahlungspflichtig ist gemäß § 4 Abs. 1 des Vollzugs- und Wegegebührengesetzes, BGBl. Nr. 413/1975, derjenige Beteiligte, der die Amtshandlung veranlaßt hat oder in dessen Interesse sie vorgenommen wurde; im Exekutionsverfahen trifft die Zahlungspflicht auch den Verpflichteten. Zwar ist das Wort "Beteiligte" erst durch die Novelle BGBl. Nr. 343/1989 eingefügt worden. Dem Bericht des Justizausschusses (991 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. GP, Seite 17) ist aber zu entnehmen, daß damit lediglich KLARGESTELLT werden sollte, daß der Vertreter einer Person für die Vollzugs- und Wegegebühren nicht haftet. Die Zahlungspflicht trifft nur den hier als Beteiligten bezeichneten Vertretenen (vgl. auch § 2 Abs. 1 GEG idF BGBl. Nr. 501/1984). Der Beschwerdeführer hat daher - ungeachtet dessen, daß entsprechende Vorschreibungen an ihn ergangen sind - auch hinsichtlich der Vollzugskosten im fremden Namen und auf fremde Rechnung gehandelt, weshalb die belangte Behörde auch diese Beträge zu Recht als durchlaufende Posten im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG 1972 behandelt hat.

Hinzuweisen ist noch auf die zutreffende Bemerkung der belangten Behörde, wonach erst im Zeitpunkt des endgültigen Ausfalles (Uneinbringlichkeit beim Klienten) eine abzugsfähige Betriebsausgabe anzunehmen wäre. In diesem Fall könnte nämlich vom "Durchlaufen" eines Postens nicht (mehr) gesprochen werden. Gleiches gilt etwa für den Fall des Diebstahles oder des Verlustes von Gerichtskosten- und Stempelmarken oder des Verbrauches für eigene betriebliche Zwecke.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Da die vorgesehenen Pauschbeträge nicht ausgeschöpft wurden, war nur die angesprochene Summe zuzusprechen (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 723).