VwGH vom 19.02.1991, 91/14/0031

VwGH vom 19.02.1991, 91/14/0031

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der N-KG gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom , Zl. 707-2/90, betreffend Feststellung von Einkünften für 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende KG betrieb bis 1986 eine Stickereifabrikation. Mit wurde der Betrieb aufgegeben. Zum Sonderbetriebsvermögen einer Gesellschafterin gehörte das in deren Alleineigentum stehende Wohnhaus, in dem sich auch die Ausrüsterei und das Büro befanden, sowie ein angrenzendes Haus, das das Stickereilokal beherbergte.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurden bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nur die stillen Reserven hinsichtlich des erstgenannten Gebäudes gemäß § 24 Abs. 6 EStG 1972 außer Ansatz gelassen, weil dieses Gebäude bis zur Betriebsaufgabe den Hauptwohnsitz der bereits genannten Gesellschafterin dargestellt habe, nicht jedoch die stillen Reserven des Hauses, in dem sich das Stickereilokal befindet, weil dieses nicht Wohnsitz der Steuerpflichtigen gewesen sei. Maßgeblich sei nicht der Betrieb als wirtschaftliche Einheit, sondern das Gebäude.

Die beschwerdeführende KG erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht darauf verletzt, daß auch auf das mit dem Wohnhaus eine wirtschaftliche Einheit bildende Stickereilokal hinsichtlich der stillen Reserven gemäß § 24 Abs. 6 EStG 1972 begünstigt behandelt werde. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird vorgebracht, das Stickereilokal sei in einigen Metern Abstand ("etwa fünf Meter ... abgesetzt") vom Wohn- und Geschäftshaus errichtet und nicht an das Wohnhaus angebaut oder in dieses integriert worden, wie dies bei älteren Stickereierzeugern üblich gewesen sei, weil Erschütterungen und Lärmbelästigungen vom Wohn- und Geschäftshaus ferngehalten werden sollten.

Gemäß § 24 Abs. 6 erster Satz EStG 1972 erstreckt sich dessen Begünstigung auf Gebäude, die bis zur Aufgabe des Betriebes vom Steuerpflichtigen in einer Weise genützt worden sind, daß sie als Wohnsitz der Mittelpunkt der Lebensinteressen waren.

Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß der Gesetzgeber damit auf den Begriff des Gebäudes und nicht auf eine wirtschaftliche Einheit abgestellt hat. Der Gesetzgeber des Einkommensteuergesetzes 1972 verwendet den Begriff des Gebäudes auch an anderen Stellen, so etwa in § 8 Abs. 2 Z. 1 lit. a oder in § 28 Abs. 1 Z. 1. Es darf davon ausgegangen werden, daß in ein und demselben Gesetz mit diesem Ausdruck jeweils derselbe Begriffsinhalt verbunden ist. Ebenso wie im Bewertungsrecht ist dabei unter Gebäude jedes Bauwerk zu verstehen, das durch räumliche Umfriedung Menschen und Sachen Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, den Eintritt von Menschen gestattet, mit dem Boden fest verbunden und von einiger Beständigkeit ist (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch,

2. Aufl, Tz 11 zu § 28).

Das Gebäude als Einheit wird daher nicht durch Gesichtspunkte wirtschaftlicher Zusammengehörigkeit bestimmt, sondern durch die aufgezählten bautechnischen Kriterien. Nach diesen ist zu beurteilen, ob ein oder zwei Gebäude vorliegen.

Die beschwerdeführende Partei behauptet nicht, daß derartige technische Gegebenheiten einen Zusammenhang zwischen dem Wohn- und Geschäftshaus einerseits und dem Stickereilokal andererseits herstellten, sodaß nur von einem Gebäude gesprochen werden könne.

Die beschwerdeführende Partei meint lediglich, das Gebäude, in dem sich die Stickerei befunden habe, könne man nicht gesondert verwerten, weil es gerade zur Ausübung des Stickereigewerbes diene wie die Ausrüstung und das Büro. Diese wirtschaftliche Zusammengehörigkeit unter dem Gesichtspunkt eines Stickereibetriebes ist aber kein Gesichtspunkt, der nach dem bereits Gesagten für die Bestimmung der Gebäudeeinheit ausschlaggebend wäre. Abgesehen davon würde es die weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Begünstigung des § 24 Abs. 6 EStG 1972, nämlich die Betriebsaufgabe verbieten, weiterhin den Gesichtspunkt einer fortbestehenden betrieblichen Einheit in die Beurteilung einzubringen.

Schließlich meint die beschwerdeführende Partei noch, die Wohnqualität des Wohn- und Geschäftshauses würde für die 79-jährige sehbehinderte Gesellschafterin durch die Veräußerung des Stickereilokales, in dem sodann eine Stickerei betrieben würde, in undenkbarer Weise verschlechtern. Selbst wenn dies der Fall wäre - was allerdings dem Beschwerdevorbringen widerspräche, wonach das Gebäude für die Stickerei gerade deshalb vom Wohngebäude um 5 m abgesetzt errichtet wurde, um Lärm und Erschütterungen von diesem abzuhalten -, würde dies an der nach dem Gesetz allein rechtserheblichen Tatsache zweier Gebäude nichts ändern, von dem nur das Wohn- und Geschäftshaus Wohnsitz der Steuerpflichtigen war. Daß die Gesellschafterin der beschwerdeführenden KG nämlich jemals das Stickereilokal als Wohnsitz verwendet habe, wird in der Beschwerde nicht behauptet.

Somit ließ bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, daß dem angefochtenen Bescheid die in der Beschwerde behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht anhaften, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.