VwGH vom 30.05.2007, 2003/17/0296
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des HR in K, vertreten durch Dr. Helmut Paul, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Wiener Straße 74, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3-BE-3131501/003-2003, betreffend Wasseranschlussabgabe (mitbeteiligte Partei:
Marktgemeinde Hadersdorf-Kammern, Landsknechtplatz 1, 3493 Hadersdorf), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen die im Instanzenzug erfolgte Vorschreibung einer Wasseranschlussabgabe gemäß § 6 Abs. 1 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978, LGBl. 6930, als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Inhalts der §§ 6 Abs. 1 und 15 Abs. 1 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 aus, der Beschwerdeführer berufe sich darauf, dass ein freiwilliger Anschluss der Liegenschaft an die Wasserleitung schon seinen Voreigentümern bewilligt worden sei. Damit wäre der Abgabenanspruch schon früher entstanden. In den Verwaltungsakten finde sich jedoch kein schriftlicher Antrag auf Herstellung des Wasseranschlusses. Zwar sei der Anschluss damals faktisch durchgeführt worden, eine bescheidmäßige Anschlussbewilligung sei jedoch nicht erteilt worden.
Der zweite Fall des § 15 Abs. 1 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 beziehe sich auf jene Liegenschaften, für welche ein Anschlusszwang an die Gemeindewasserleitung bestehe. Ob und ab welchem Zeitpunkt ein Anschlusszwang bestehe, sei nach den Bestimmungen des NÖ Wasserleitungsanschlussgesetzes 1978, LGBl. 6951-2, zu beurteilen. Nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen dieses Gesetzes und dem Hinweis auf die hg. Rechtsprechung, der zu Folge das Bestehen des Anschlusszwanges keinen bescheidmäßigen Ausspruch erfordere, sondern der Anschlusszwang ex lege eintrete, wird auf die Wasserleitungsordnung der mitbeteiligten Gemeinde vom verwiesen, welche mit in Kraft getreten sei. Mit diesem Zeitpunkt sei daher der Anschlusszwang auch für die gegenständliche Liegenschaft entstanden. Der Abgabentatbestand sei daher (erst) mit verwirklicht worden. Die Vorschreibung der Abgabe habe den Beschwerdeführer daher nicht in seinen Rechten verletzt.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978, LGBl. 6930-4, lauten:
"§ 2
Anschluss an die Gemeindewasserleitung
(1) Für Liegenschaften, für die ein Anschlusszwang im Sinne des NÖ Wasserleitungsanschlussgesetzes nicht besteht, kann auf Grund eines schriftlichen Antrages des Eigentümers der Anschluss an die Gemeindewasserleitung im Rahmen der Leistungsfähigkeit bewilligt werden. Die Belieferung aus der Gemeindewasserleitung kann einvernehmlich auf die Entnahme von Trinkwasser beschränkt werden."
"§ 5
Wasserversorgungsabgaben, Wassergebühren
(1) Die Gemeinden werden gemäß § 8 Abs. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45, ermächtigt, Wasserversorgungsabgaben (Wasseranschlussabgabe, Ergänzungsabgabe, Sonderabgabe) zu erheben, die anlässlich des Anschlusses an die Gemeindewasserleitung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu entrichten sind.
(2) In jenen Gemeinden, in denen auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung Wassergebühren (Bereitstellungsgebühr, Wasserbezugsgebühr) erhoben werden, gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes.
(3) Die zur Durchführung dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen des Gemeinderates werden mit dem Monatsersten rechtswirksam, der dem Ablauf der Kundmachungsfrist zunächst folgt, sofern in der Verordnung nicht ein späterer Zeitpunkt festgesetzt ist.
(4) Die auf Grund der Abs. 1 und 2 ausgeschriebenen Wasserversorgungsabgaben und Wassergebühren sind in einer Wasserabgabenordnung (§ 12) näher auszuführen.
§ 6
Wasseranschlussabgabe
(1) Die Wasseranschlussabgabe ist für den Anschluss an die Gemeindewasserleitung zu entrichten.
(2) Die Höhe der Wasseranschlussabgabe ist derart zu berechnen, dass die Berechnungsfläche (Abs. 3 und 4) für das angeschlossene Grundstück mit dem Einheitssatz (Abs. 5) vervielfacht wird.
…"
"§ 12
Wasserabgabenordnung
Der Gemeinderat hat gleichzeitig mit der Verordnung über die Ausschreibung der Wasserversorgungsabgaben und der Wassergebühren eine Wasserabgabenordnung zu beschließen. Diese hat zu enthalten:
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a) | den Einheitssatz und dessen Berechnungsgrundlagen (§ 6); | |||||||||
b) | die Bereitstellungsgebühr und deren Berechnungsgrundlagen (§ 9); | |||||||||
c) | den Ablesungszeitraum (§ 10 Abs. 4); | |||||||||
d) | die Grundgebühr (§ 10 Abs. 5)." | |||||||||
"§ 15 | ||||||||||
Entstehung des Abgabenanspruches; Abgabenschuldner |
(1) Der Anspruch auf die Wasseranschlussabgabe und die Sonderabgabe entsteht mit Rechtskraft des Bescheides, mit dem der Anschluss bewilligt wurde, oder ab dem Zeitpunkt, mit dem der Anschlusszwang feststeht."
Das NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz 1978, LGBl. 6951-2,
lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 1
Anschlusszwang
(1) Der Wasserbedarf in Gebäuden, Betrieben und sonstigen Anlagen ist im Versorgungsbereich (§ 8 Abs. 2 Z. 1) eines gemeinnützigen öffentlichen Wasserversorgungsunternehmens nach Maßgabe folgender Bestimmungen ausschließlich aus dessen Wasserversorgungsanlage zu decken (Anschlusszwang)."
"§ 2
Nichtbestehen des Anschlusszwanges
(1) Der Anschlusszwang im Sinne des § 1 besteht nicht für
1. Liegenschaften, deren Wasserbedarf durch eine im Zeitpunkt der ...
…
(2) Die Behörde hat auf Antrag des Liegenschaftseigentümers mit Bescheid festzustellen, ob im Sinne des Abs. 1 der Anschlusszwang nicht besteht."
"§ 8
Wasserleitungsordnung
(1) Die Behörde hat im Einvernehmen mit der Landesregierung die näheren Vorschriften über die Durchführung des Anschlusses und den Wasserbezug zu erlassen (Wasserleitungsordnung).
(2) Insbesondere sind Vorschriften zu erlassen über
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1. | den Versorgungsbereich (Abs. 3); | |||||||||
2. | die Anmeldung des Wasserbezuges; | |||||||||
3. | die zur Herstellung oder Änderung der Hausleitungen erforderlichen Unterlagen (Abs. 4); | |||||||||
4. die Anzeigepflicht der Liegenschaftseigentümer, insbesondere bei Änderungen an den Leitungen, im Wasserbedarf, im Eigentumsrecht sowie bei Schäden und deren Behebung; | ||||||||||
5. Art und Ort des Einbaues allfälliger Wassermesser. |
(3) Bei der Festsetzung des Versorgungsbereiches ist unbeschadet anderer gesetzlicher, insbesondere bau- und feuerpolizeilicher Vorschriften auf die Leistungsfähigkeit und den Zweck der Wasserversorgungsanlage (§ 1 Abs. 2 und 3) Bedacht zu nehmen.
(4) Die Herstellung oder Änderung der Hausleitung hat unbeschadet anderer gesetzlicher, insbesondere bau- und wasserrechtlicher Vorschriften unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse der technischen und medizinischen Wissenschaft sowie auf den Wasserbedarf der Liegenschaft zu erfolgen.
(5) Die Kundmachung der Wasserleitungsordnung hat in der für Verlautbarungen des Wasserversorgungsunternehmens vorgeschriebenen oder vorgesehenen Weise zu erfolgen.
(6) Der Landeshauptmann hat Richtlinien für die Wasserleitungsordnung kundzumachen (Musterwasserleitungsordnung)."
§ 2 Abs. 1 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 erhielt seine oben wiedergegebene Fassung durch die Novelle LGBl. 6930-2. Durch diese Novelle wurde (lediglich) der zweite Satz angefügt. Die Möglichkeit zur Bewilligung des Anschlusses an die Wasserleitung war daher (wortgleich) bereits in der Stammfassung des Gesetzes enthalten.
2.2. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten, dass mangels eines Bescheides über die Bewilligung des Anschlusses gegenüber den Rechtsvorgängern des Beschwerdeführers der Abgabenanspruch im vorliegenden Fall nicht vor dem Entstehen des Anschlusszwanges verwirklicht wurde. Der (tatsächlich vorgenommene) frühere Anschluss der gegenständlichen Liegenschaft ändere nichts am Vorliegen des Anschlusszwanges. Da die Wasserleitungsordnung der mitbeteiligten Marktgemeinde, die als Versorgungsbereich das gesamte Gemeindegebiet festlege, erstmals am in Kraft getreten sei, sei mit diesem Datum ("ab diesem Tag") der Anschlusszwang (für alle Liegenschaften im Gemeindegebiet) entstanden. Da kein Antrag auf Ausnahme vom Anschlusszwang gestellt worden sei, stehe der Anschlusszwang fest. Mit sei daher auch der Abgabenanspruch der mitbeteiligten Marktgemeinde entstanden. Gegenüber dem Beschwerdeführer habe bis einschließlich mangels Vorliegens eines Anschlusszwanges kein Abgabenanspruch eintreten können.
2.3. Die Beschwerde hält dieser Argumentation im Wesentlichen entgegen, dass gemäß § 2 Abs. 1 NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz 1978 für Liegenschaften, für die kein Anschlusszwang bestehe, auf schriftlichen Antrag der Anschluss an die Gemeindewasserleitung bewilligt werden könne. Der auf Grund einer Vereinbarung mit der Gemeinde seinerzeit (zu Beginn der Neunziger-Jahre) vorgenommene faktische Anschluss könne diesem Tatbestand subsumiert werden.
2.4. Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerde, dass nicht nur der zitierte § 2 Abs. 1 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 (auch in seiner Stammfassung) von einem schriftlichen Antrag und einer "Bewilligung" ausgeht, sondern jedenfalls aus § 15 Abs. 1 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 eindeutig abzuleiten ist, dass nur eine (rechtskräftige) bescheidmäßige
Bewilligung des Anschlusses den Tatbestand des § 15 Abs. 1 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978, 1. Variante, verwirklicht. Damit ergibt sich aber, dass ein allfälliger faktischer Anschluss den Abgabentatbestand nicht auslösen konnte; demnach konnte auch der Lauf der Verjährungsfrist durch einen faktischen Anschluss allein nicht in Gang gesetzt werden. Wie die belangte Behörde festgestellt hat, liegt ein solcher Bescheid (der gegenüber den Rechtsvorgängern des Beschwerdeführers ergangen wäre) über die Anschlussbewilligung jedoch nicht vor. Der Beschwerdeführer hat sich auch im Abgabenverfahren oder im Vorstellungsverfahren nicht darauf berufen, dass ein solcher Bescheid vorliege. Mit dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen vermag die Beschwerde somit keine Rechtswidrigkeit der Beurteilung der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall der Abgabenanspruch nicht vor dem Zeitpunkt des Entstehens des Anschlusszwanges verwirklicht wurde, aufzuzeigen.
2.5. Gegen die Feststellungen der belangten Behörde betreffend die Erlassung der Wasserleitungsordnung der mitbeteiligten Marktgemeinde und die daraus gezogenen Schlüsse hinsichtlich des Entstehens des Anschlusszwanges mit (durch die Festlegung des Versorgungsbereiches in der Wasserleitungsordnung) wird in der Beschwerde nichts vorgebracht. Es ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich, inwieweit der belangten Behörde in diesem Zusammenhang ein Verfahrensfehler unterlaufen bzw. inwieweit die rechtliche Beurteilung unzutreffend sein sollte (vgl. zum Zeitpunkt der Entstehung des Anschlusszwanges die von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/17/0163, und vom , Zl. 96/07/0149).
2.6. Soweit in der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der "ordnungsgemäßen Kundmachung" der Wasserleitungsordnung der mitbeteiligten Marktgemeinde Bedenken wegen der Unterlassung eines Hinweises auf die Herstellung des Einvernehmens mit der Landesregierung anlässlich der Kundmachung geltend gemacht werden, genügt es darauf zu verweisen, dass § 8 Abs. 5 NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz 1978, der die Kundmachung der Wasserleitungsordnung regelt, keine Sonderregelung der Art, wie sie in der Beschwerde angenommen wird, enthält. Die in § 8 Abs. 1 Wasserleitungsanschlussgesetz 1978 vorgesehene "Herstellung des Einvernehmens" mit der Landesregierung ist im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorschriften über den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde und auf Art. 119a Abs. 8 B-VG betreffend die Möglichkeit, bestimmte Akte der Gemeinde an die Zustimmung der Landesregierung zu binden als verfassungsrechtlich gedeckt anzusehen, wenn dieses Einvernehmen als Einholung der Zustimmung der Landesregierung zu verstehen ist. Eine solche Zustimmung muss nicht vor der Beschlussfassung im Gemeinderat eingeholt werden. Auf die Ausführungen hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der Verordnungserlassung und die Mutmaßungen, dass Mitte August 2002 offenbar das Einvernehmen noch nicht hergestellt war, die Verordnung aber am 29. August beschlossen wurde (also zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Gemeinderat das Einvernehmen nicht hergestellt gewesen sein könne), ist daher nicht näher einzugehen. Eine Vorschrift über einen Hinweis auf die erteilte Zustimmung enthält das niederösterreichische Gemeinderecht nicht. Dass die Zustimmung nicht erteilt worden wäre, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet.
2.7. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
2.8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-61651