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VwGH vom 26.01.2004, 2003/17/0293

VwGH vom 26.01.2004, 2003/17/0293

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des Dr. Klemens Dallinger, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der X AG, vertreten durch Putz & Partner, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Reisnerstraße 12, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom , Zl. 23 5521/2 - FMA - I/2/03, betreffend Einsichtnahme in bankenaufsichtsrechtliche Akten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Finanzen) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach dem Inhalt eines vom Beschwerdevertreter Dr. Wolfgang Putz am erstellten Aktenvermerkes begab er sich an diesem Tag zur belangten Behörde und begehrte dort namens des Beschwerdeführers die Akteneinsicht "betreffend die Verwaltungsakten der X" AG (im Folgenden: X-AG). Im Zuge eines darauf geführten Gespräches verweigerte eine Sachbearbeiterin der belangten Behörde die Vornahme der Akteneinsicht mit der Begründung, alle Verfahren seien abgeschlossen.

Der Beschwerdeführer, der diese Äußerung als mündlichen Bescheid qualifizierte, erhob mit Eingabe vom dagegen Berufung.

"Vorsorglich" wurde "mit diesem Rechtsmittel der neuerliche Antrag" an die belangte Behörde auf "Gewährung der vollständigen Akteneinsicht gemäß § 17 AVG in die bei der vormaligen Bankenaufsichtsbehörde (Sektion V des Bundesministeriums für Finanzen), nunmehr Finanzmarktaufsicht, geführten Verwaltungsakten der X AG" verbunden. Als Begründung wurde angeführt, gemäß § 17 AVG sei nach Abschluss von Verwaltungsverfahren der Partei uneingeschränkte Akteneinsicht zu gewähren. Dies gelte auch hinsichtlich allenfalls noch nicht beendeter Verfahren.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, über die X-AG sei mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom der Konkurs eröffnet worden. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 5 des Bankwesengesetzes, BGBl. Nr. 532/1993 (im Folgenden: BWG), erlösche mit der Konkurseröffnung die Konzession. Auf Grund dessen sei die X-AG ab diesem Zeitpunkt nicht mehr dem BWG und folglich auch nicht mehr der Überwachung durch die Bankenaufsicht unterlegen. Allfällige im Zeitpunkt der Konkurseröffnung anhängige Verfahren seien einzustellen gewesen. Das Recht auf Akteneinsicht sei zwingend mit "der Existenz eines Verfahrens" verbunden. Ein solches habe die belangte Behörde aber als Rechtsnachfolgerin des Bundesministers für Finanzen gar nicht eröffnen können; sie könne daher auch keine Akteneinsicht gewähren.

Die "Ablehnung" des Antrages auf Akteneinsicht werde darüber hinaus damit begründet, dass § 17 Abs. 1 erster Halbsatz AVG das Recht auf Akteneinsicht nur den Parteien einräume, die an einem bestimmten Verwaltungsverfahren beteiligt seien. Ohne Bezugnahme auf ein bestimmtes Verfahren könne Akteneinsicht nicht geltend gemacht werden. In seinem Antrag habe der Beschwerdeführer die vollständige Einsicht in die bankenaufsichtsrechtlichen Akten betreffend die X-AG begehrt. Damit habe er nicht dargelegt, dass er seinen Anspruch auf seine Stellung als Partei in einem bestimmten Verwaltungsverfahren stütze.

Ein mündlicher Bescheid liege nicht vor. Gegen einen Nichtbescheid sei keine Berufung möglich, die ansonsten zurückzuweisen wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Gewährung der Akteneinsicht gemäß § 17 AVG verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes nahm die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auch zur Frage der Zuständigkeit zur Gewährung der vorliegendenfalls begehrten Akteneinsicht Stellung. In diesem Zusammenhang vertrat sie die Auffassung, die Übergangsbestimmung des § 103c Z 5 BWG betreffe lediglich solche Verfahren, welche am beim Bundesminister für Finanzen anhängig gewesen seien. Somit bestehe keine Zuständigkeit der belangten Behörde für Verfahren, die vor dem mit Bescheid abgeschlossen worden seien. Daraus ergebe sich, dass die belangte Behörde auch nicht für die Erledigung von Anträgen auf Akteneinsicht zuständig sei, welche sich auf Verfahren bezögen, die vom Bundesminister für Finanzen vor dem bereits abgeschlossen gewesen seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Durch die am in Kraft getretene Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 1 des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes - FMABG, BGBl. I Nr. 97/2001 in der Fassung des Art. III des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 45/2002, wurde u.a. zur Durchführung der Bankenaufsicht unter der Bezeichnung "Finanzmarktaufsichtsbehörde" eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet.

§ 103c Z 5 BWG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 97/2001 lautet:

"§ 103c. Nach In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 97/2001 gelten folgende Übergangsbestimmungen:

...

5. Die am beim Bundesminister für Finanzen anhängigen Verwaltungsverfahren auf Grund der in § 69 genannten Bundesgesetze sind ab von der FMA fortzuführen."

Zu den in § 69 BWG angeführten Gesetzen zählt auch das BWG selbst.

Aus dem Grunde des Art. II Abs. 2 lit. A. Z 28a EGVG hatte

die belangte Behörde das AVG anzuwenden.

§ 17 Abs. 1 und 4 AVG lautet:

"§ 17. (1) Die Behörde hat, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten; die Parteien können sich davon an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auf ihre Kosten Kopien anfertigen lassen. ...

...

(4) Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ist kein Rechtsmittel zulässig."

Zutreffend ist die belangte Behörde zunächst davon ausgegangen, dass die mündliche Äußerung ihrer Sachbearbeiterin gegenüber dem Beschwerdevertreter am keinen mündlich verkündeten Bescheid gemäß § 62 Abs. 1 und 2 AVG darstellte. Nach § 62 Abs. 2 AVG ist nämlich der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides entweder am Schluss der Verhandlungsschrift oder in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden. Die Wirksamkeit eines mündlich verkündeten Bescheides setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die schriftliche Festhaltung in einer besonderen Niederschrift (oder im Verhandlungsprotokoll) voraus, bei deren Fehlen von einer Bescheiderlassung nicht gesprochen werden kann (vgl. die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 104 zu § 62 AVG angeführte Judikatur). Der lediglich vom Beschwerdevertreter erstellte Aktenvermerk vom stellt schon deshalb keine solche niederschriftliche Beurkundung dar, setzt eine solche doch aus dem Grunde des § 14 Abs. 2 Z 3 AVG - sofern kein Fall des § 14 Abs. 8 AVG, welcher jedoch ebenfalls eine amtliche Niederschrift voraussetzt - die eigenhändige Unterschrift des die Amtshandlung leitenden Organes voraus.

Aus dem vorerwähnten Grund, dass ein mündlicher Bescheid nicht erlassen worden ist, folgt weiters, dass einer Entscheidung über den in der Berufung vom "vorsorglich" gestellten neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers entschiedene Sache keinesfalls entgegen stand.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird die im angefochtenen Bescheid getroffene und in der Gegenschrift bekräftigte Tatsachenannahme der belangten Behörde, wonach jedenfalls seit keine die Gemeinschuldnerin betreffende bankenaufsichtsrechtliche Verfahren anhängig waren, vom beschwerdeführenden Masseverwalter nicht bestritten.

Vor diesem Hintergrund kann der verfahrensgegenständliche Antrag vom aber nur dahingehend gedeutet werden, dass er auf die Gewährung der Akteneinsicht in seinerzeit vom Bundesminister für Finanzen als Bankenaufsichtsbehörde geführte Verwaltungsakten abzielte.

Der Antrag des Beschwerdeführers war also auf die Einsichtnahme in vom Bundesminister für Finanzen als Bankenaufsichtsbehörde bereits vor dem abgeschlossene Verwaltungsakten gerichtet. Nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens stellt die Verweigerung der Akteneinsicht - bei Vorliegen der sonstigen Bescheidmerkmale - einen verfahrensrechtlichen Bescheid dar, der - gegebenenfalls - im verwaltungsrechtlichen Instanzenzug und letztlich mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof anfechtbar ist (vgl. die bei Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8, Rz 176, wiedergegebene Rechtsprechung).

Ist ein Verwaltungsverfahren bereits abgeschlossen, so ist unter "der Behörde" im Verständnis des § 17 Abs. 1 AVG jene zu verstehen, durch welche das Verfahren (für die jeweilige Instanz) abgeschlossen wurde. Dies ist - wie die belangte Behörde auch zutreffend erkannte - in Ansehung der vom Bundesminister für Finanzen als Bankenaufsichtsbehörde geführten, die X-AG betreffenden Verfahren die zuletzt genannte Behörde.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Übergangsbestimmung des § 103 Z 5 BWG (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/17/0180, in welchem ausgesprochen wurde, dass die in Rede stehende Bestimmung nicht den Eintritt der belangten Behörde in verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren gegen Bescheide des Bundesministers für Finanzen bewirkte, die vor dem erlassen worden sind).

Die belangte Behörde war nach dem Vorgesagten zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers unzuständig. Sie hätte diesen daher gemäß § 6 Abs. 1 AVG an den zuständigen Bundesminister für Finanzen weiterzuleiten gehabt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde (stattdessen) mit einer allein auf ihre Unzuständigkeit gestützten Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers hätte vorgehen dürfen, weil der angefochtene Bescheid, welcher im Spruch keinen Zurückweisungsgrund nennt, nach dem Inhalt seiner Begründung nicht bloß als Unzuständigkeitsentscheidung gedeutet werden kann. Zwar könnte das Begründungselement, bei der belangten Behörde seien keine Verfahren betreffend die X-AG anhängig gewesen, in diese Richtung gedeutet werden; die belangte Behörde hat ihre Entscheidung jedoch "darüber hinaus" damit begründet, dass der Antrag des Beschwerdeführers deshalb zurückzuweisen sei, weil es ihm an einer ausreichenden Substantiierung durch konkrete Anführung derjenigen Verwaltungsverfahren, auf welche er sich beziehe, mangle. Damit hat sie sich aber als unzuständige Behörde in der Begründung ihres Bescheides erkennbar als gleichwertigen Zurückweisungsgrund auf die Unzulässigkeit des Antrages mangels hinreichender Konkretisierung gestützt. Die Frage der ausreichenden Präzisierung wäre aber vom - nach dem Vorgesagten für die Behandlung des Antrages zuständigen - Bundesminister für Finanzen ebenso zu beurteilen gewesen wie jene, ob verneinendenfalls eine Zurückweisung auch ohne Durchführung eines Verbesserungsverfahrens zulässig ist.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am