VwGH vom 30.11.1999, 94/14/0068
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des A E in W, vertreten durch Dr. Michael Schwingl, Rechtsanwalt in Klagenfurt,
8. Mai-Straße 35/2. Stock, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom , Zl 299-3/85, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1984, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betreibt als Einzelunternehmer eine Cafe-Konditorei und ermittelt seinen Gewinn gemäß § 4 Abs 1 EStG 1972. In den Jahren 1979 und 1981 hatte der Beschwerdeführer Rücklagen für nichtentnommene Gewinne gemäß § 11 EStG 1972 gebildet. Anlässlich einer ua das Jahr 1984 betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer folgenden Sachverhalt fest: Der Beschwerdeführer habe bei einer Sparkasse ein Darlehen in Höhe von S 550.000,-- aufgenommen, welches am auf das Betriebskonto überwiesen worden sei. Die Einbringung der Geldmittel sei laut Handelsbilanz über Kapital (Einlage als "privates Darlehen") erfolgt. Bei Beurteilung, ob die Entnahmen den Vorjahresgewinn gemäß § 11 Abs 6 EStG 1972 überstiegen hätten, sei die in Rede stehende Einlage mit den Entnahmen aufgerechnet worden.
Der Prüfer vertrat die Ansicht, dass dem Betrieb ein mit Fremdmitteln finanziertes Wirtschaftsgut zugeführt worden sei, weshalb keine Einlage, sondern eine fremdfinanzierte Anschaffung getätigt worden sei. Die zur Finanzierung eingegangene Verbindlichkeit stelle keine Privat-, sondern eine Betriebsschuld dar. Der Einlage von S 550.000,-- stehe eine Verbindlichkeit in gleicher Höhe gegenüber, welche eine Betriebsschuld darstelle, sodass das Betriebsvermögen per Saldo nicht erhöht worden sei. Es könne daher die "Einlage Privatdarlehen" nicht als entnahmemindernde Einlage berücksichtigt werden, weshalb die gemäß § 11 EStG 1972 gebildeten Rücklagen der Vorjahre um diesen Betrag aufzulösen seien.
Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers und erließ für das Jahr 1984 einen entsprechenden Einkommen- und Gewerbesteuerbescheid.
In einer dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es gebe keine Vorschriften, die den Steuerpflichtigen in irgendeiner Weise in seiner wirtschaftlichen Disposition oder Zielsetzung beeinträchtigten. Der Steuerpflichtige sei also in der Wahl der Mittel, mit denen er seinen Betrieb führen wolle, nicht beschränkt und dürfe bei der Auswahl seiner Finanzierungsmöglichkeiten nicht bevormundet werden. Gemäß § 4 Abs 1 EStG 1972 lägen Einlagen vor, wenn der Steuerpflichtige dem Betrieb von außen Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen oder sonstige Wirtschaftsgüter) zuführe. Der Begriff des Zuführens setze also voraus, dass die dem Betriebsvermögen zugeführten Mittel aus einer außerbetrieblichen Quelle stammten. Da es sich bei Geld um eine "besondere" Art von Wirtschaftsgut handle, welche sowohl der betrieblichen als auch der privaten Sphäre zugeordnet werden könne, müsse der Steuerpflichtige entsprechend tätig werden und seinen Willensentschluss betreffend die Einlagehandlung als unternehmerische Entscheidung über die Zuordnung eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen nach außen hin klar in Erscheinung treten lassen. Anhaltspunkt aber könne dem Wesen des Geldes entsprechend und eine getrennte Geldkontenführung vorausgesetzt nur die buchmäßige Behandlung sein. Dies aber gerade habe der Beschwerdeführer zum Ausdruck gebracht, indem er die durch beide Ehegatten in der Privatsphäre aufgenommenen Geldmittel als Einlage von außen deklariert habe. Der Grund für die hohen Privatentnahmen und die Geldzuführung im Wert von S 550.000,-- als Einlage hänge ausschließlich mit dem Ankauf einer Privatliegenschaft zusammen. Im Jahr 1983 hätten die Ehegatten ein Grundstück um den Kaufpreis von S 1,7 Mio je zur Hälfte erworben. Einvernehmlich sei festgelegt worden, dass der Kaufpreis in zwei Teilbeträgen zu entrichten sei. Die eine Hälfte sei mit Unterfertigung des Kaufvertrages (im Jahr 1983) bezahlt worden, die zweite Hälfte sei nach grundbücherlicher Durchführung des Vertrages (im Jahr 1984) zur Zahlung fällig gewesen. Über Anraten des Bankbeamten, bei welchem sich der Beschwerdeführer bezüglich eines Privatkredites erkundigt habe, sei die Finanzierung zunächst (am ) über das betriebliche Girokonto abgewickelt worden. In der Folge habe sich der Beschwerdeführer um einen Verkauf einer Wohnung in Graz bemüht, hinsichtlich dessen es aber zu keiner Einigkeit gekommen sei. Im Dezember 1984 habe der Beschwerdeführer dann mit seiner Ehefrau den Privatkredit über S 550.000,-- aufgenommen, um das aus dem Betrieb "entliehene" Geld zu refundieren. Der Grund dafür, warum es gerade zur Darlehensaufnahme im Wert von S 550.000,-- gekommen sei, liege in Kostenüberlegungen, weil die Sparkasse ohne jegliche Besicherung einen Kreditrahmen von S 500.000,-- bis S 600.000,-- bereit gestellt habe. Die Überlegung, mit dem Kredit die entnommenen Mittel wieder zu refundieren, hänge mit der Finanzierung eines vom Beschwerdeführer geplanten Zubaues zum bestehenden Betriebsgebäude, sowie damit zusammen, dass die im April 1984 erfolgte Zwischenfinanzierung in Höhe von S 850.000,-- über das betriebliche Girokonto auch jenen Teil umfasst habe, den seine Ehefrau zur Hälfte zu zahlen gehabt habe. Hätte die Ehefrau nämlich den Geldbetrag nicht refundiert, hätte eine Schenkung des Beschwerdeführers an diese unterstellt werden müssen. Nach Ansicht des Beschwerdeführers stehe die Einlage vom in ursächlichem Zusammenhang mit dem Erwerb der Privatliegenschaft. Gemäß § 21 BAO seien der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform eines Rechtsgeschäftes zugrunde zu legen. Hätte der Beschwerdeführer die Finanzierung der Privatliegenschaft ausschließlich im privaten Bereich abgewickelt, wäre es nie zu einer Versteuerung der steuerfrei gebildeten Rücklagen gekommen. Bei dieser Sachlage hätte es nämlich keiner Privatentnahmen, aber auch keiner Privateinlagen bedurft. Eine Darlehensaufnahme in der Privatsphäre hätte aber in jedem Fall erfolgen müssen. Nur weil der Beschwerdeführer von der Zwischenfinanzierung über das betriebliche Girokonto Gebrauch gemacht habe, habe er nun mit gewaltigen steuerlichen Nachteilen zu rechnen. Bei der Anschaffung der Liegenschaft handle es sich um notwendiges Privatvermögen, weshalb die im Zusammenhang damit stehenden Verbindlichkeiten ebenfalls nur notwendiges Privatvermögen darstellten. Es sei auch nicht einzusehen, warum eine durch beide Ehegatten in der Privatsphäre aufgenommene Verbindlichkeit dem Betrieb des Beschwerdeführers zugerechnet würde. Die Ehefrau des Beschwerdeführers schulde ihren Darlehensteil der Sparkasse und nicht dem Betrieb des Beschwerdeführers.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insofern teilweise Folge, als die Hälfte der im Dezember 1984 zugeführten Geldmittel als Einlage anerkannt wurden. Da die Schuld für den Hälfteanteil des Kredites von der Ehefrau des Beschwerdeführers zu begleichen gewesen sei, könne diese nicht dem Beschwerdeführer bzw seinem Betrieb zugerechnet werden, weil andernfalls - wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführe - eine Schenkung des Hälfteanteiles an der Liegenschaft vom Beschwerdeführer an seine Ehefrau hätte angenommen werden müssen.
Im Übrigen wies die belangte Behörde die Berufung aber ab. Es sei dem Beschwerdeführer zwar zuzustimmen, wenn er die Ansicht vertritt, es wäre zu einer Versteuerung der Rücklagen für nichtentnommenen Gewinn nie gekommen, wenn die Finanzierung der Privatliegenschaft im Privatbereich erfolgt wäre. Zu einer solchen Finanzierung sei es aber nicht gekommen. Es seien daher die tatsächlichen Vorgänge zu beurteilen, an welche sich die jeweiligen, auch voneinander abweichenden (rechtlichen) Konsequenzen knüpften. Durch die Tatsache, dass die Ehefrau Mitkreditnehmerin sei, sowie den im Kreditvertrag angeführten Kreditzweck, nämlich die Anschaffung von Realitäten, werde die Verbindlichkeit von S 550.000,-- noch nicht zur Gänze eine Privatschuld und reiche dieses Vorbringen für den vom Beschwerdeführer angenommenen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Ankauf der Liegenschaft und der Kreditaufnahme noch nicht aus. Ob ein Kredit eine betriebliche oder private Verbindlichkeit darstelle, hänge nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/14/0163, davon ab, wozu die damit verfügbar gewordenen finanziellen Mittel dienten. Dienten sie zur Finanzierung von Aufwendungen, die der privaten Lebensführung zuzuordnen seien, so lägen Privatverbindlichkeiten vor; dienten sie hingegen betrieblichen Zwecken, so sei die Verbindlichkeit als Betriebsschuld anzusehen. Ein Wahlrecht dergestalt, dass der Abgabepflichtige Fremdmittel als Eigenkapital erkläre und diese als Einlage dem Betrieb zuführe, um einen betrieblichen Finanzierungsbedarf abzudecken, bestehe nicht. Bilanztechnisch seien auch Schulden Wirtschaftsgüter, deren Zugehörigkeit zum Betriebs- oder Privatvermögen nach ihrer Zweckbestimmung und tatsächlichen Nutzung zu beurteilen sei. Eine Schuld, die aus betrieblichen Gründen aufgenommen worden sei bzw deren Aufnahme dazu bestimmt sei, dem Betrieb Geldmittel zur Verfügung zu stellen, gehöre zum notwendigen Betriebsvermögen. Im Beschwerdefall sei das Geld nicht für die Anschaffung von Realitäten, sondern für die Abdeckung des betrieblichen Girokontos verwendet worden. Der Beschwerdeführer habe auch wiederholt darauf hingewiesen, dass er für die Kreditanträge der Bauvorhaben eine entsprechende Bilanz benötigt habe. Die entsprechende Verbindlichkeit stelle daher eine Betriebsschuld dar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Zu Recht hat sich die belangte Behörde - soweit die Berufung abgewiesen wurde - auf das hg Erkenntnis vom , 89/14/0163, berufen. In diesem Erkenntnis, auf dessen Entscheidungsgründe gem § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird, brachte der Verwaltungsgerichtshof in einem Fall - von welchem der Beschwerdefall nur insoweit abweicht, als der im Dezember 1984 aufgenommene Privatkredit nicht nur vom Betriebsinhaber, sondern auch von seiner Ehefrau aufgenommen wurde - zum Ausdruck, dass fremdfinanzierte Geldmittel, die dem Betrieb zugeführt werden, nicht "entnahmenmindernde" Einlagen sind, und es sich bei den entsprechenden Verbindlichkeiten um Betriebsschulden handelt. Aus dem Umstand, dass im Beschwerdefall Kreditnehmer nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch seine Ehefrau ist, kann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers weder abgeleitet werden, dass es sich im Beschwerdefall um einen insofern wesentlich anders gelagerten Sachverhalt handeln würde und sohin die im zitierten Erkenntnis vom aufgezeigten Beurteilungskriterien zur Frage, ob eine bestimmte Verbindlichkeit als betrieblich oder privat zu beurteilen ist, ohne Bedeutung wären, noch, dass gegenständlich eine Beurteilung in der Art gerechtfertigt wäre, eine Verbindlichkeit als Privatverbindlichkeit zu betrachten, wiewohl die aus ihr stammenden Geldmittel für betriebliche Zwecke verwendet wurden.
Im zitierten Erkenntnis räumte der Verwaltungsgerichtshof dem damaligen Beschwerdeführer auch ein, dass eine Nachversteuerung von in Vorjahren gebildeten Rücklagen gemäß § 11 EStG 1972 vermieden worden wäre, wenn - wie der Beschwerdeführer auch im Beschwerdefall vorbringt - keine Entnahmen getätigt, sondern die für private Zwecke benötigten Mittel unmittelbar durch Aufnahme eines Privatkredites beschafft worden wären. Wurde aber - wie sowohl im damaligen als auch nunmehr vorliegenden Beschwerdefall - eine andere Vorgangsweise gewählt, so ist es durchaus gerechtfertigt, wenn die dieser anderen Vorgangsweise entsprechenden steuerlichen Folgen eintreten, auch wenn mit beiden Vorgangsweisen letztlich derselbe wirtschaftliche Zweck angestrebt wird.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass die belangte Behörde jede logisch nachvollziehbare Begründung dafür schuldig bleibe, warum der ursächliche Zusammenhang zwischen Ankauf der Liegenschaft im Jahr 1983 und der Aufnahme des Kredites im Dezember 1984 zwar für den Kreditteil seiner Ehefrau, nicht aber für den des Beschwerdeführers angenommen worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer durch den hinsichtlich des Teiles der Ehefrau des Beschwerdeführers angenommenen Zusammenhang schon deshalb nicht in seinen Rechten verletzt wurde, weil die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge gegeben hat.
Vor dem Hintergrund der somit nicht als rechtswidrig zu erkennenden Beurteilung, dass ein Kredit (ein Darlehen) eine Betriebsverbindlichkeit darstellt, wenn die damit verfügbar gewordenen finanziellen Mittel, wie dies im Beschwerdefall unbestritten ist, betrieblichen Zwecken dienen, - auch wenn allenfalls entsprechende Mittel einige Zeit davor zur Finanzierung privater Aufwendungen entnommen worden waren - rügt der Beschwerdeführer auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften zu Unrecht. Weder die Einvernahme von Zeugen zur Frage des wirtschaftlichen Zusammenhanges zwischen Ankauf der Liegenschaft für private Zwecke im Jahr 1983 und Kreditaufnahme im Dezember 1984, noch eine Untersuchung der Frage, welche Rechtsbeziehungen zwischen der nach dem erstmalig in der Beschwerde erstatteten Vorbringen bestehenden Hausgemeinschaft (bestehend aus dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau in Bezug auf die im Jahr 1983 erworbene Liegenschaft) und dem Betrieb des Beschwerdeführers bestanden hätten, sind für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides von entscheidender Bedeutung. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt von der belangten Behörde auf der Basis des Vorbringens des Beschwerdeführers als erwiesen angenommen wurde, bedurfte es entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch keiner weiteren Maßnahme der belangten Behörde zur Wahrung des Parteiengehörs, zumal sich aus § 115 Abs 2 BAO keine Verpflichtung ergibt, die Partei zu Rechtsansichten oder rechtlichen Schlussfolgerungen, die die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde zu legen gedenkt, zu hören.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am