VwGH vom 29.03.2000, 97/08/0481
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der S in L, vertreten durch Dr. J und Dr. C, Rechtsanwälte in R, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , Zl. B1-12896C35-12, betreffend Widerruf und Rückforderung von Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin bezog unter anderem vom bis zum Karenzurlaubsgeld. Am gab sie in einer mit ihr aufgenommenen Niederschrift an, sie sei zu 24,5 % an einer GmbH beteiligt und auch handelsrechtliche Geschäftsführerin dieser Gesellschaft, wofür sie eine monatliche Entlohnung von S 3.000,-- erhalte. Bis zum sei sie als Inhaberin einer Einzelfirma selbständig erwerbstätig gewesen. Ihr sei bewusst, dass sie für den Zeitraum vom bis zum wegen dieser selbständigen Erwerbstätigkeit keine Leistung erhalten könne.
Am forderte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz die Beschwerdeführerin auf, den Umsatzsteuerbescheid der GmbH für das Jahr 1994 vorzulegen.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, die Zuerkennung des Karenzurlaubsgeldes werde für den Zeitraum vom bis zum widerrufen und der Beschwerdeführerin werde der "durch den Widerruf entstandene" Übergenuss von S 46.416,-- zum Rückersatz vorgeschrieben. Diese Entscheidung gründete die belangte Behörde darauf, dass als selbständig erwerbstätig im Sinne des § 26 Abs. 4 lit. d AlVG auch die geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH anzusehen seien, wobei der Umsatz der Gesellschaft anteilsgemäß den Gesellschaftern zuzurechnen sei. 11,1 v.H. des danach auf die Beschwerdeführerin entfallenden Anteils am Umsatz der GmbH im Jahr 1994 ergebe ein Vielfaches der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze des Jahres 1994. Da sich dies "aufgrund des nachträglich vorgelegten Umsatzsteuerbescheides" ergeben habe, sei auch der Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG erfüllt.
Dagegen richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung über den Widerruf der der Beschwerdeführerin zuerkannten Leistung ausschließlich darauf gestützt, dass der Beschwerdeführerin als geschäftsführender Gesellschafterin der Umsatz der Gesellschaft anteilig zuzurechnen sei. Sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in der Gegenschrift wird dies aus § 26 Abs. 4 lit. d AlVG abgeleitet. § 26 Abs. 4 AlVG in der im vorliegenden Fall zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung vor dem Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995, enthielt aber keine derartige Vorschrift. Maßgeblich war nach dieser Fassung des § 26 Abs. 4 AlVG nur der von der Leistungsbezieherin selbst erzielte Umsatz (vgl. zu dieser Rechtslage allgemein das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/08/0019). In dem Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0237, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass eine Zurechnung von Umsätzen einer GmbH danach auch im - später im gegenteiligen Sinn geregelten - Fall einer geschäftsführenden Gesellschafterin nicht gesetzmäßig war.
Eine - nach der im Erkenntnis vom , Zlen. 98/08/0283, 0354, dargestellten nunmehrigen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes allerdings nur auf Personengesellschaften zu beziehende - Regelung über die Zuerkennung nicht vom Leistungsempfänger selbst erzielter Umsätze wurde erst mit dem Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995, eingeführt. Der neue
§ 12 Abs. 6 lit. e AlVG, der gemäß dem gleichzeitig neu gefassten
§ 26 Abs. 4 AlVG auch für die Beurteilung von Ansprüchen auf
Karenzurlaubsgeld anzuwenden war, trat gemäß § 79 Abs. 19 AlVG mit in Kraft und galt (zunächst nur) für Ansprüche, deren Anfallstag nach dem lag. Die im letzten Satz des § 79 Abs. 19 AlVG getroffene Anordnung, ab dem sei (unter anderem) die beschriebene Neuregelung "auf alle Fälle anzuwenden", bedeutete deren Anwendbarkeit für Leistungszeiträume ab dem auch in Fällen, in denen der Anfallstag nicht nach dem lag (vgl. in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0286). Eine Rechtsgrundlage dafür, aus dem von der belangten Behörde herangezogenen Grund mit einem nach dem erlassenen Bescheid eine für einen Zeitraum im Jahr 1994 gewährte Leistung zu widerrufen, lässt sich auch aus dem letzten Satz des § 79 Abs. 19 AlVG nicht ableiten.
Der angefochtene Bescheid war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei sich angesichts der Rechtswidrigkeit des Widerrufes der Leistung eine Auseinandersetzung mit der Rückforderung "aufgrund des nachträglich vorgelegten Umsatzsteuerbescheides" erübrigte.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am
Fundstelle(n):
CAAAE-61609