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VwGH vom 25.11.2003, 2003/17/0254

VwGH vom 25.11.2003, 2003/17/0254

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des JK in Wien, vertreten durch Mag. Werner Hauser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 3, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , Zl. Jv 1140-33a/03 (BA 55/03), betreffend Gerichtskosten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einer am beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien eingelangten Eingabe beantragten der Beschwerdeführer sowie seine damalige Ehegattin ZK (im Folgenden: K) die einvernehmliche Scheidung ihrer am geschlossenen Ehe gemäß § 55a des Ehegesetzes.

Auf Seite 1 dieses Antrages finden sich unter der Überschrift "Ehemann" die persönlichen Daten des Beschwerdeführers und unter der Überschrift "Ehefrau" jene der K. Unmittelbar im Anschluss an die Daten der Zweitgenannten findet sich der Satz:

"Ich ersuche um Beistellung eines ger. beeid.

Gerichtsdolmetsch (polnisch)"

Der Eingabe war weiters ein Formularantrag der K auf Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Befreiung von den Dolmetschgebühren angeschlossen.

Im Zuge der am vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien abgehaltenen Verhandlung, zu der antragsgemäß ein Dolmetscher für die polnische Sprache beigezogen wurde, wurde der K die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs. 1 Z 1 lit. c der Zivilprozessordnung, RGBl. Nr. 113/1895 (im Folgenden: ZPO), in der geltenden Fassung bewilligt. Der Beschwerdeführer und K schlossen dort einen Scheidungsvergleich, welcher keine Vereinbarungen in Ansehung der Frage der Kostentragung enthielt. Mit dem unter einem verkündeten Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien wurde die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und K schließlich in Anwendung des § 55a EheG antragsgemäß geschieden. Auch dieser Beschluss enthielt keinen Kostenausspruch.

Die vom Gericht mit S 2.802,-- (EUR 203,63) bestimmten Dolmetscherkosten zuzüglich einer Einhebungsgebühr von EUR 7,-- schrieb der Kostenbeamte des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien mit Zahlungsauftrag vom dem Beschwerdeführer vor.

Gegen diese Vorschreibung richtete sich ein Berichtigungsantrag des Beschwerdeführers, in welchem er die Auffassung vertrat, er sei nicht kostenersatzpflichtig, weil er "keinen Dolmetscher bestellt und gebraucht" habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde diesem Berichtigungsantrag nicht Folge gegeben.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges sowie des § 1 Z 5 und des § 2 Abs. 1 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962, BGBl. Nr. 288 (im Folgenden: GEG), führte die belangte Behörde aus, die Parteien des Scheidungsverfahrens hätten einen einvernehmlichen Antrag gemäß § 55a EheG eingebracht. Die rasche und verzögerungsfreie Durchführung des Verfahrens sei im Interesse beider Antragsteller gelegen. Dies gelte daher auch für die Bestellung des Dolmetschers. Vorliegendenfalls sei daher § 2 Abs. 1 dritter Satz zweiter Fall GEG anzuwenden. Die Vorschreibung der Kosten an beide Antragsteller zur ungeteilten Hand nach dem letzten Satz dieser Gesetzesbestimmung wäre gerechtfertigt. Da der K jedoch Verfahrenshilfe bewilligt worden sei, sei die Vorschreibung ausschließlich an den Beschwerdeführer zu richten gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, die in Rede stehenden Dolmetschgebühren nicht ohne entsprechende gesetzliche Grundlage als Kostenersatz vorgeschrieben zu erhalten. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.

Die belangte Behörde legte Ablichtungen der Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 1 Z 5 lit. c sowie § 2 Abs. 1 und 3 GEG in der Fassung der wiedergegebenen Bestimmungen nach dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 501/1984 lauten:

"§ 1. Das Gericht hat nachstehende Beträge von Amts wegen einzubringen:

...

5. in bürgerlichen Rechtssachen alle Kosten, die aus

Amtsgeldern berichtigt wurden, sofern sie von einer Partei zu

ersetzen sind. Solche Kosten sind insbesondere:

...

c) die Gebühren der Zeugen, Sachverständigen,

Dolmetsche und Beisitzer,

...

§ 2. (1) Die im § 1 Z 5 genannten Kosten sind, sofern hiefür kein Kostenvorschuss (§ 3) erlegt wurde oder keine andere Regelung getroffen ist, aus Amtsgeldern zu berichtigen; diese und die im § 1 Z 7 genannten Kosten sind dem Bund von der Partei zu ersetzen, die nach den bestehenden Vorschriften hiezu verpflichtet ist. Hiebei ist, wenn über die Kostenersatzpflicht der Parteien schon rechtskräftig entschieden worden ist, von dieser Entscheidung auszugehen. Mangels einer Vorschrift oder Entscheidung sind diese Beträge von denjenigen Beteiligten zu ersetzen, die sie veranlasst haben oder in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wurde. Mehrere Personen, die zum Ersatz desselben Betrages verpflichtet sind, haften zur ungeteilten Hand.

...

(3) In den Fällen des § 70 ZPO ist der Gegner der zur Verfahrenshilfe zugelassenen Partei zum Ersatz der im § 1 Z 5 genannten Kosten, die die Verfahrenshilfe genießende Partei zu entrichten gehabt hätte, nur verpflichtet, soweit ihm die Kosten des Rechtsstreites auferlegt sind oder soweit er die Kosten durch Vergleich übernommen hat. Im Zweifel ist die Hälfte der Kosten einzuheben."

In den Materialien zur wiedergegebenen Fassung des § 2 GEG nach dem vorzitierten Bundesgesetz (RV 366 BlgNR 16. GP, 38) heißt es:

"Bei der Entscheidung nach § 2 GEG wird Folgendes zu beachten sein:

Der § 40 Abs. 1 ZPO ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die 'bestehende Vorschrift', nach der gemäß § 2 GEG die Parteien in Zivilprozessen die Kosten zu ersetzen haben. Im Regelfall wird daher der Beweisführer die Kosten zu tragen haben. In den Fällen, in denen keine der Parteien einen Antrag auf Vornahme der Amtshandlung gestellt hat, wird es darauf ankommen, in wessen Interesse sie vorgenommen worden ist.

Hingegen kommt im Verfahren außer Streitsachen eine analoge Anwendung des § 40 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht. Soweit nicht für eine bestimmte Verfahrensart eine 'bestehende Vorschrift' besteht, wie etwa im § 111 Abs. 1, § 252 AußStrG, § 20 Abs. 5 BStrG 1971, § 44 EisbEG, haften daher im außerstreitigen Verfahren die Parteien nach den Grundsätzen des § 2 GEG 1962.

Neu aufgenommen wurde die Bestimmung des § 2 Abs. 3. Ähnlich wie die nur für Gerichtsgebühren geltende Bestimmung des § 20 Abs. 1 GJGebG 1985 normiert auch § 2 Abs. 3 für Kosten , dass in den Fällen, in denen aus dem Kostenausspruch des Gerichtes nicht mit Sicherheit zu erkennen ist, in welchem Verhältnis der gebührenpflichtige Gegner der gebührenbefreiten Partei die Kosten zu ersetzen hat, die Hälfte der auf die gebührenbefreite Partei entfallenden Kosten (§ 1 Z 5) beim gebührenpflichtigen Gegner einzuheben ist. Damit wird eine Rechtslücke geschlossen."

§ 64 Abs. 1 Z 1 lit. c und § 70 ZPO lauten:

"§ 64. (1) Die Verfahrenshilfe kann für einen bestimmten Rechtsstreit und ein spätestens innerhalb eines Jahres nach Abschluss des Rechtsstreits eingeleitetes Vollstreckungsverfahren die folgenden Begünstigungen umfassen:

1. die einstweilige Befreiung von der Entrichtung

...

c) der Gebühren der Zeugen, Sachverständigen,

Dolmetscher, Übersetzer und Beisitzer;

...

§ 70. Die im § 64 Abs. 1 Z. 1 genannten Beträge, von deren Bestreitung die Partei einstweilen befreit ist, sind unmittelbar beim Gegner einzuheben, soweit diesem die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind oder er sie in einem Vergleich übernommen hat. Das Gericht hat auch dann, wenn die Partei zwar obsiegt, aber keinen Kostenersatz beansprucht, darüber zu entscheiden, ob und wieweit der Gegner zum Ersatz der im § 64 Abs. 1 Z. 1 genannten Beträge verpflichtet ist. ..."

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist strittig, ob § 2 GEG eine taugliche Rechtsgrundlage für eine Vorschreibung der in Rede stehenden Gerichtskosten an den Beschwerdeführer bildet oder nicht.

Nach dem zweiten Halbsatz des § 2 Abs. 1 erster Satz GEG sind u. a. aus Amtsgeldern berichtigte Dolmetschergebühren dem Bund von der Partei zu ersetzen, die "nach den bestehenden Vorschriften" hiezu verpflichtet ist. Nach § 2 Abs. 1 zweiter Satz GEG ist dabei, wenn über die Kostenersatzpflicht der Parteien schon rechtskräftig entschieden worden ist, von dieser Entscheidung auszugehen.

Vorliegendenfalls liegt eine rechtskräftige Entscheidung über die Kostenersatzpflicht zwischen den Parteien nicht vor. Die §§ 220 bis 228 des Außerstreitgesetzes, RGBl. Nr. 208/1854 (im Folgenden: AußStrG), welche das Verfahren zur Scheidung einer Ehe im Einvernehmen gemäß § 55a EheG regeln, enthalten keine Bestimmungen über den Kostenersatz. Damit gilt die allgemein für außerstreitige Verfahren herrschende Regel, wonach kein Kostenersatzanspruch besteht (vgl. EFSlg. 35.135). Wie in der zuletzt genannten Entscheidung ausgeführt wird, gilt § 234 AußStrG nur für das Verfahren zur Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen sowie für das Verfahren zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse.

Besteht - wie eben dargelegt - keine "Vorschrift oder Entscheidung" im Verständnis des § 2 Abs. 1 erster und zweiter Satz GEG, so sind aus dem Grunde des dritten Satzes leg. cit. diese Beträge von denjenigen Beteiligten zu ersetzen, die sie veranlasst haben oder in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Auffassung, dass der Antrag auf Beistellung eines Dolmetschers für die polnische Sprache in der gemeinsamen Eingabe des Beschwerdeführers und der K lediglich der letztgenannten zuzurechnen war. Aus der Formulierung "Ich ersuche" folgt, dass es sich nicht um einen gemeinsamen Antrag beider Ehescheidungswerber gehandelt hat. Die Zuordnung an K ergibt sich schließlich daraus, dass der Antrag auf Beistellung eines Dolmetschers im unmittelbaren Anschluss an die Anführung der persönlichen Daten der K gestellt wurde. Schließlich hat die belangte Behörde auch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht als unzutreffend erachtet, wonach nicht er, sondern K eines Dolmetschers bedurft habe.

Damit hat aber nicht der Beschwerdeführer, sondern K die Beiziehung des Dolmetschers veranlasst.

Es kann dahingestellt bleiben, ob schon allein deshalb eine Kostenersatzpflicht des Beschwerdeführers ausschied oder ob die belangte Behörde ungeachtet der Antragstellung nur durch K zu Recht die Frage geprüft hat, ob (auch) der Beschwerdeführer allenfalls nach dem zweiten Fall des § 2 Abs. 1 dritter Satz GEG (zur ungeteilten Hand mit K) kostenpflichtig war (vgl. zu dieser Frage auch die hg. Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 4975/F, und vom , Zl. 86/17/0024). Der Beschwerdeführer kann nämlich im vorliegenden Fall auch nicht als einer derjenigen Beteiligten angesehen werden, in deren Interesse nach dem Verständnis des § 2 Abs. 1 dritter Satz, zweiter Fall GEG "die Amtshandlung" vorgenommen wurde:

Die Meinung der belangten Behörde, schon die rasche und verzögerungsfreie Durchführung des auch durch seinen Antrag eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens, welcher die Beiziehung des Dolmetschers für K gedient habe, begründe ein "Interesse" des Beschwerdeführers im Verständnis des zweiten Falles des § 2 Abs. 1 dritter Satz GEG, unterlegt dem auszulegenden Begriff "diejenigen Beteiligten, in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wurde" ein zu weites Verständnis. Auf Basis dieser Auslegung der belangten Behörde läge nämlich jede zweckentsprechende, der Wahrheitsfindung dienende Prozesshandlung eines Gerichtes im Interesse aller Beteiligten. Hätte der Gesetzgeber im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 dritter Satz GEG aber ohnedies eine Kostenersatzpflicht aller Beteiligten anordnen wollen, so hätte er sich wohl nicht der dort umschriebenen Formulierungen bedient. Der zweite Fall des § 2 Abs. 1 dritter Satz GEG stellt demnach auf ein vorrangiges Interesse einer Partei an der die Kosten verursachenden Amtshandlung ab. Nur dort, wo ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten nicht erkennbar ist, kommt eine solidarische Kostenersatzpflicht mehrerer Beteiligter nach dem zweiten Fall des dritten Satzes in Verbindung mit dem vierten Satz des § 2 Abs. 1 GEG in Betracht. Das im Verständnis dieser Ausführungen vorrangige Interesse an der amtswegigen Beiziehung eines Dolmetschers lag vorliegendenfalls aber - ungeachtet des Umstandes, dass die Interessen der Beteiligten im Verfahren nach § 55a EheG insofern gleich gelagert waren, als beide eine Scheidung der Ehe nach dieser Bestimmung anstrebten - bei K, welche - jedenfalls in Ermangelung eines von ihr bevollmächtigten, der deutschen Sprache mächtigen Vertreters - sonst nicht postulationsfähig gewesen wäre.

Abschließend sei noch darauf verwiesen, dass die belangte Behörde die Kostenersatzvorschreibung gegenüber dem Beschwerdeführer auch nicht auf § 2 Abs. 3 GEG stützen konnte, weil ihm die Kosten des Rechtsstreites vom Gericht nicht auferlegt wurden und er sie auch nicht durch Vergleich übernommen hat. In Ermangelung einer grundsätzlichen Kostenersatzpflicht kommt auch die Zweifelsregel des § 2 Abs. 3 letzter Satz GEG nicht zum Tragen.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am