VwGH vom 26.09.2006, 2003/17/0234
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde 1. des WH und
2. der EH, beide in St. Johann am Wimberg, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. Gem- 524308/5-2003-Wa/Gdl, betreffend Kanalanschlussgebühr (mitbeteiligte Partei: Gemeinde St. Johann am Wimberg, St. Johann am Wimberg 9, 4172 St. Johann am Wimberg),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.
Begründung
Im Jahr 2000 wurde die Wassergenossenschaft S-P zur Ableitung und Beseitigung von anfallenden Abwässern sowie zur Errichtung, zum Betrieb und zur Erhaltung der genossenschaftlichen Anlagen für das Gebiet S-P gegründet.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom wurde die Satzung dieser Wassergenossenschaft genehmigt.
Im Jänner 2001 wurde zwischen der Wassergenossenschaft S-P und der mitbeteiligten Gemeinde die Vereinbarung getroffen, dass die Wassergenossenschaft berechtigt sei, Abwässer von Teilen der Ortschaft S in die öffentliche Kanalisation der mitbeteiligten Gemeinde einzubringen. Nach Punkt III. dieser Vereinbarung sei für den Anschluss der Wassergenossenschaft an die öffentliche Kanalanlage keine Kanalanschlussgebühr zu entrichten. An deren Stelle werde die Kanalisation in Eigenregie errichtet. Jeder Anschlusswerber habe bei einem Beitritt bis an die Wassergenossenschaft die zum Zeitpunkt der Förderungszusage geltende Mindestanschlussgebühr des Landes Oberösterreich (+ Mehrwertsteuer) zu entrichten. Weiters habe jedes Genossenschaftsmitglied die zum Bau der Kanalisationsanlage erforderliche Arbeitsleistung zu erbringen. Für Beitritte ab errechne sich die Kanalanschlussgebühr nach der jeweils aktuellen Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde, betrage jedoch mindestens die geltende Mindestanschlussgebühr des Landes Oberösterreich (+ Mehrwertsteuer) zuzüglich der tatsächlich je Objekt geleisteten Arbeitsleistung der Genossenschaftsmitglieder, wobei auch diese Anschlussgebühren in die Finanzierung der Anlage einzubringen seien. Nach Abschluss der Finanzierung (technischer Kollaudierung) eingehende Anschlussgebühren seien direkt an die mitbeteiligte Gemeinde zu überweisen.
Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft in der Ortschaft S im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Gemeinde.
Mit Schreiben vom teilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Beschwerdeführern mit, die Wassergenossenschaft S-P habe ein Kanalnetz errichtet, deren Abwässer in die öffentliche Kanalisation der mitbeteiligten Gemeinde eingeleitet würden. Da für das Wohnhaus der Beschwerdeführer Anschlusspflicht bestehe, würden diese aufgefordert, die erforderlichen Einrichtungen für den Anschluss innerhalb von drei Monaten herzustellen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurden den Beschwerdeführern Kanalanschlussgebühren in Höhe von EUR 5.942,20 (inkl. 10 % MWSt.) zur Zahlung vorgeschrieben. Der Berechnung wurde eine verbaute Fläche von 292 m2 zu Grunde gelegt, welche mit dem Satz von EUR 18,50 vervielfacht wurde.
Die Beschwerdeführer erhoben Berufung, in welcher sie vorbrachten, bei der ersten Information (über die Gründung einer Wassergenossenschaft) sei eine Unterschrift (betreffend die Beitrittserklärung zu der Wassergenossenschaft) mit Vorbehalt geleistet worden ("Grund: familieninterne finanzielle Klärung"). Bislang seien sie der Meinung gewesen, dass sie Genossenschaftsmitglied seien. Sie seien noch nicht ausgeschlossen. Es sei in einem Zuge bis zu ihrem Hause durchgebaggert worden. Auch erscheine die Bemessungsgrundlage zu hoch und es sei nicht ersichtlich, wie das Ausmaß berechnet worden sei.
Mit Schreiben vom übermittelte der Bürgermeister Unterlagen betreffend das Ermittlungsverfahren über die Berechnung der Kanalanschlussgebühr und räumte den Beschwerdeführern die Möglichkeit ein, innerhalb von zwei Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben.
Mit Schreiben vom antwortete die belangte Behörde auf ein diesbezügliches Schreiben der Beschwerdeführer, dass sie in ein laufendes Berufungsverfahren nicht eingreifen könne. Die mitbeteiligte Gemeinde habe mitgeteilt, dass mit den Beschwerdeführern am Gemeindeamt die Vor- und Nachteile einer Mitgliedschaft erörtert worden seien. Der Geschäftsführer der Wassergenossenschaft S-P habe überdies eine Sachverhaltsdarstellung übermittelt, derzufolge die Zweitbeschwerdeführerin die Beitrittserklärung mit Vorbehalt unterschrieben habe, von den Beschwerdeführern keine Zahlungen geleistet worden seien und die Zweitbeschwerdeführerin auf telefonische Anfrage bestätigt habe, nicht am "Kanalprojekt mitwirken" zu wollen.
Mit Bescheid vom wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung unter Hinweis auf die Schreiben des Bürgermeisters vom und vom ab.
Mit Schreiben vom teilten die Beschwerdeführer der mitbeteiligten Gemeinde mit, dass ihre Liegenschaft mit dem genannten Tage an den Kanal der Wassergenossenschaft angeschlossen worden sei.
Allein der Erstbeschwerdeführer erhob Vorstellung und erklärte unter Hinweis auf sein Berufungsvorbringen, mit der Höhe der Kanalanschlussgebühr nicht einverstanden zu sein. Für die Liegenschaft habe keine Kanalanschlusspflicht bestanden, weil diese mit drei Senkgruben ausgestattet sei und der Abstand zum Nachbarkanal ca. 85 m betrage. Bei Nichtinteresse an der Genossenschaft wäre nur bis zum Nachbarhaus gebaggert worden.
Mit dem - ausschließlich an den Erstbeschwerdeführer gerichteten - angefochtenen Bescheid wurde dessen Vorstellung als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der rechtlichen Bestimmungen ausgeführt, es stehe außer Zweifel, dass sich die mitbeteiligte Gemeinde der Kanalisationsanlage der Wassergenossenschaft bediene. Es sei davon auszugehen, dass eine Anschlusspflicht bestehe, weil im Hinblick auf das gesamte Fassungsvermögen der drei Senkgruben (54 m3) und der Größe des land- und forstwirtschaftlichen Besitzes (1,43 ha) der Beschwerdeführer auf Grund der Richtlinien der Landwirtschaftskammer für Oberösterreich im Beschwerdefall der "Grubeninhalt bzw. die erforderliche Ausbringungsfläche" nicht vorhanden sei.
Hinsichtlich der Mitgliedschaft bei der Wassergenossenschaft habe deren Geschäftsführer mitgeteilt, bei der Gründungsversammlung derselben habe die Zweitbeschwerdeführerin die Beitrittserklärung mit Vorbehalt unterschrieben. Sie habe in weiterer Folge bekundet, kein Interesse mehr am Kanalprojekt zu haben, weil sie über eine entsprechende Jauchengrube verfüge. Laut Genossenschaftsbeschluss vom seien an alle Anschlusswerber ein Schreiben und ein Zahlschein bezüglich einer Akontozahlung betreffend die Anschlussgebühren geschickt worden. Von den Beschwerdeführern seien keine Zahlungen geleistet worden. Vor Einhebung der Restzahlung zur Anschlussgebühr sei die Zweitbeschwerdeführerin telefonisch kontaktiert worden, wobei sie mitgeteilt habe, nicht am Kanalprojekt mitwirken zu wollen. Für die Wassergenossenschaft sei somit keine Mitgliedschaft der Beschwerdeführer gegeben, weil diese insbesondere ihren in der Satzung der Wassergenossenschaft festgelegten Pflichten nicht nachgekommen seien und "die finanzielle Forderung nicht geleistet" hätten. Der Erstbeschwerdeführer bringe zwar vor, mit der Höhe der Gebühr nicht einverstanden zu sein, es sei jedoch nicht ersichtlich, dass die Bemessungsgrundlage falsch berechnet worden wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mitbeteiligte Gemeinde erstattete keine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Durch § 1 Abs. 1 lit. a Oberösterreichisches Interessentenbeiträge-Gesetz 1958, LGBl. Nr. 28/1958 idF LGBl. Nr. 57/1973 (im Folgenden: Oö IBG), werden die oberösterreichischen Gemeinden ermächtigt, auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung von Grundstückseigentümern und Anrainern einen Beitrag zu den Kosten der Errichtung einer gemeindeeigenen Kanalisationsanlage (Kanal-Anschlussgebühr) zu erheben. Als gemeindeeigen im Sinne dieses Gesetzes gilt eine Anlage (Einrichtung), deren sich die Gemeinde zur Erfüllung der ihr obliegenden öffentlichen Aufgaben bedient, auch dann, wenn die Anlage (Einrichtung) nicht oder nicht zur Gänze im Eigentum der Gemeinde steht.
Gemäß § 1 Abs. 4 Oö IBG idF LGBl. Nr. 57/1973 wird die Kanalanschlussgebühr mit dem Anschluss an die gemeindeeigene Anlage fällig.
§ 2 Oö IBG idF LGBl. Nr. 55/1968, sieht vor, dass die Gemeindevertretung die näheren Bestimmungen in einer Beitragsordnung, die gleichzeitig mit dem Beschluss gemäß § 1 Abs. 1 Oö IBG zu erlassen ist, zu regeln hat.
Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde hat am eine Kanalgebührenordnung (im Folgenden: KanalgebO) erlassen.
§ 1 KanalgebO sieht die Einhebung einer "Kanalanschlussgebühr" für den Anschluss von Grundstücken an das gemeindeeigene Kanalnetz vor. Gebührenpflichtig ist u. a. der Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke.
Strittig ist im Beschwerdefall, ob den Beschwerdeführern durch die mitbeteiligte Gemeinde zu Recht eine Kanalanschlussgebühr vorgeschrieben wurde.
In der Beschwerde wird die Berechtigung zur Abgabenvorschreibung zunächst mit der Begründung bestritten, dass die Beschwerdeführer vor dem der Wassergenossenschaft beigetreten seien. Nach Punkt III. der Vereinbarung zwischen der mitbeteiligten Gemeinde und der Wassergenossenschaft hätten sie daher Beiträge an die Wassergenossenschaft, aber keine Kanal-Anschlussgebühr an die mitbeteiligte Gemeinde entrichten müssen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass Abmachungen über den Inhalt einer Abgabenschuld - soweit sie nicht im Gesetz ausdrücklich zugelassen sind - im Widerspruch zu dem aus Art. 18 B-VG abzuleitenden Erfordernis der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung der Abgabenvorschriften stehen und daher abgabenrechtlich ohne Bedeutung sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/17/0233, mwN).
Im Beschwerdefall enthalten weder das Oö IBG noch die KanalgebO der mitbeteiligten Gemeinde eine Ermächtigung zum Abschluss einer Vereinbarung, welche die Abstandnahme von der Vorschreibung von Kanal-Anschlussgebühren in Bezug auf Mitglieder einer Wassergenossenschaft zum Inhalt hätte.
Selbst wenn es also entsprechend dem Beschwerdevorbringen zuträfe, dass der Erstbeschwerdeführer Mitglied der genannten Genossenschaft sei, hinderte dies daher die Abgabenvorschreibung nicht.
Allerdings wird in der Beschwerde auch vorgebracht, zum Zeitpunkt der Erlassung der im Instanzenzug ergangenen Abgabenvorschreibung sei die verfahrensgegenständliche Liegenschaft noch nicht an das Kanalnetz angeschlossen gewesen, sodass sich die Vorschreibung des Kanal-Anschlussbeitrages als zu früh erweise.
Damit ist die Beschwerde im Recht.
Gemäß § 1 KanalgebO wird die Kanalanschlussgebühr für den Anschluss von Grundstücken an das gemeindeeigene, öffentliche Kanalnetz erhoben.
Gemäß § 4 KanalgebO ist die Kanalanschlussgebühr mit dem Zeitpunkt des Anschlusses eines Grundstückes an das öffentliche Kanalnetz fällig.
Nach § 3 Oö LAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabenpflicht knüpft.
Unbestritten ist, dass die Liegenschaft der Beschwerdeführer am , somit erst nach Ergehen der mit Vorstellung bekämpften Berufungsentscheidung, an den Abwasserkanal der Wassergenossenschaft und somit an das Kanalnetz der mitbeteiligten Gemeinde angeschlossen wurde.
Daraus ergibt sich aber, dass die Abgabenvorschreibung zu früh, nämlich vor Entstehung des Abgabenanspruches erfolgte.
Die belangte Behörde gesteht in ihrer Gegenschrift diesen Umstand zwar zu, verneint aber eine Verletzung der subjektiven Rechte der Beschwerdeführer mit der Begründung, dass zum Zeitpunkt der Vorstellungsentscheidung der Anschluss bereits hergestellt gewesen sei und eine Bescheidaufhebung nur bewirkt hätte, dass die mitbeteiligte Gemeinde einen gleich lautenden Bescheid hätte erlassen müssen.
Für die Sachentscheidung der Vorstellungsbehörde ist jedoch jene Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, die zum Zeitpunkt des letztinstanzlichen gemeindebehördlichen Bescheides bestanden hat (vgl. dazu die bei Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8, Rz 563, zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes).
Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde war aber die Liegenschaft, die im Hälfteeigentum des Erstbeschwerdeführers steht, noch nicht an den Kanal angeschlossen, sodass sich die Vorschreibung der Kanal-Anschlussgebühr jedenfalls als rechtswidrig erweist. Indem die belangte Behörde diesen Umstand nicht zum Anlass für die Aufhebung des vor ihr angefochtenen Bescheides nahm, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin war zurückzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nicht an sie ergangen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am