VwGH vom 21.06.2004, 2003/17/0225
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde der V-GmbH in X, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 17/I, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA4A-3 La 2/18-2003, betreffend Nächtigungsabgabe nach dem Steiermärkischen Nächtigungs- und Ferienwohnungsabgabegesetz 1980 für den Zeitraum vom bis , zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende GmbH betreibt am Standort X ein Pflegeheim nach dem Steiermärkischen Pflegeheimgesetz.
Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der Gemeinde X gemäß § 6 des Steiermärkischen Nächtigungs- und Ferienwohnungsabgabengesetzes 1980 (NFWAG), LGBl. Nr. 54/1980 idF LGBl. Nr. 34/2002, der beschwerdeführenden Partei als Inhaberin des einhebungspflichtigen Gewerbebetriebes für den Zeitraum April bis Dezember 2002 Nächtigungsabgabe (samt Säumniszuschlag) von EUR 4.085,-- vor.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen vor, Personen die in einem Pflegeheim betreut würden, seien im Katalog des § 2 Abs. 3 lit. a bis c (richtig wohl § 2 lit. a bis c) NFWAG nicht genannt, so dass für diesen Personenkreis eine Abgabepflicht nicht bestehe. Die Abgabepflicht sei auch deshalb zu verneinen, weil die im Pflegeheim der beschwerdeführenden Partei betreuten Personen nach Maßgabe ihrer Pflegebedürftigkeit rund um die Uhr betreut und gepflegt würden. Auch für Personen, die in Krankenanstalten stationär behandelt würden, bestehe keine Abgabepflicht, da auch Krankenanstalten nicht als Unterkunftgeber im Katalog des § 2 NFWAG genannt seien. Die den Patienten von Krankenanstalten ebenso wie den Pfleglingen von Pflegeheimen "zuzubilligende Nachtruhe" falle nicht unter den Begriff "Unterkunft nehmen". Die beschwerdeführende Partei biete die Dienstleistung einer Beherbergung nicht an und sie betreibe weder einen gastgewerblichen noch einen sonstigen Beherbergungsbetrieb, noch einen Campingplatz, ein Schutzhaus, eine Schutzhütte oder eine Privatunterkunft. Eine Einhebungspflicht der beschwerdeführenden Partei sei zu verneinen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie führte hiezu im Wesentlichen aus, gemäß § 2 NFWAG sei derjenige abgabepflichtig, der in einer Gemeinde des Landes Steiermark in einem gastgewerblichen oder sonstigen Beherbergungsbetrieb, auf einem Campingplatz oder in einer Privatunterkunft Unterkunft gegen Entgelt nehme, ohne in dieser Gemeinde seinen Hauptwohnsitz zu begründen. Das NFWAG stelle nicht auf den Zweck einer Nächtigung bzw. einer Unterkunftnahme ab. Das Fehlen des Begriffes "Pflegeheim" in § 2 NFWAG führe nicht dazu, dass die "Pflegeheiminsassen" von der gegenständlichen Abgabe befreit seien. § 2 NFWAG beinhalte nämlich hinsichtlich der Abgabepflicht nur eine demonstrative Aufzählung, während § 3 NFWAG taxativ die Befreiungstatbestände anführe. Das Betreiben eines Pflegeheimes, das sich nicht auf eine Tagesbetreuung einschränke, sondern auch entsprechende Unterkünfte für die Nächtigungen gegen Entgelt zur Verfügung stelle, sei als "sonstiger Beherbergungsbetrieb" zu qualifizieren, weshalb die beschwerdeführende Partei im Sinne des § 2 NFWAG abgabepflichtig sei. Den von der Gemeinde vorgelegten Berechnungen sei im Übrigen zu entnehmen, dass Personen, die länger als zwei Monate im Pflegeheim der beschwerdeführenden Partei Aufenthalt genommen hätten, gemäß § 3 Z 6 NFWAG ab Beginn des dritten Monates ihres Aufenthaltes bei der Abgabenbemessung, die auf Grund der Meldekartei erfolgt sei, nicht mehr berücksichtigt worden seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich - erkennbar - in ihrem Recht, nicht zur Einhebung der Nächtigungsabgabe herangezogen zu werden, verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 2 des Steiermärkischen Nächtigungs- und Ferienwohnungsabgabegesetzes (NFWAG), LGBl. Nr. 54/1980 idF LGBl. Nr. 23/1990 und 39/1998, lautet:
"§ 2
Abgabepflichtig ist, wer in einer Gemeinde des Landes Steiermark
a) in einem gastgewerblichen oder sonstigen
Beherbergungsbetrieb,
b) auf einem Campingplatz oder
c) in einer Privatunterkunft gegen Entgelt Unterkunft
nimmt, ohne in dieser Gemeinde seinen Hauptwohnsitz (§ 1 Abs. 7 Meldegesetz 1991, BGBl. Nr. 9/1992, i.d.F. BGBl. Nr. 352/1995) zu begründen. Es ist gleichgültig, ob das Entgelt vom Unterkunftsnehmer oder durch Dritte für diesen geleistet wird."
§ 3 NFWAG idF LGBl. Nr. 55/1984, 23/1990 und 73/1994 lautet:
"§ 3
Von der Abgabepflicht ausgenommen sind:
1. Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des
15. Lebensjahres;
2. Schüler, die im Rahmen einer Lehrveranstaltung der
Schule Unterkunft nehmen (z.B. Schülerschikurse, Schülerausflüge,
Lehrkurse) sowie die begleitenden Lehr- und Aufsichtspersonen und
Studenten einer Österreichischen Hochschule mit einem
vorübergehenden Wohnsitz am Studienort;
3. Benützer von Jugendherbergen und gleichartigen
Einrichtungen (Jugenderholungsheime, Ferienlager,
Sportlerherbergen, usw.);
4. Heimgäste sowie das gesamte Heimpersonal in
Erholungsheimen des Kriegsopferverbandes Steiermark;
5. Personen, die zu Erholungszwecken in
Privatunterkünften oder Beherbergungsbetrieben Aufenthalt nehmen, wenn sie nachweisen, dass für die Aufenthaltskosten eine Gebietskörperschaft, die öffentliche Fürsorge oder Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege ganz oder zum überwiegenden Teil aufkommen;
6. Personen, die ununterbrochen länger als 2 Monate in einer Gemeinde Unterkunft nehmen, ab Beginn des 3. Monates ihres Aufenthaltes.
7. Personen, die für die Dauer der Durchführung von Bau- und Montagearbeiten Unterkunft nehmen."
Aus § 1 Abs. 1 Z 1 des im Abgabenzeitraum in Geltung gestandenen Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes 1994, LGBl. Nr. 108, ergibt sich, dass der Gesetzgeber unter Pflegeheimen stationäre Einrichtungen für mehr als vier Personen, die pflege- oder betreuungsbedürftig sind, versteht. Pflege- und betreuungsbedürftig sind nach dieser Bestimmung jedenfalls Personen, die ein Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz oder einem Landespflegegeldgesetz beziehen. Welche Leistungen ein Pflegeheim im Einzelnen anbietet, richtet sich nach dem jeweiligen Heimstatut (vgl. § 3 leg. cit.). Entsprechend der Bedürftigkeit der betreuten Person können Pflegeleistungen in der Hilfestellung bei der Nahrungsaufnahme und Körperpflege, Überwachung des Gesundheitszustandes oder Veranlassung ärztlicher Behandlungen bestehen.
Außer Streit steht, dass es sich bei dem von der beschwerdeführenden Partei betriebenen Pflegeheim um ein solches im Sinne des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes 1994 handelt. Unbestritten ist auch, dass Personen, die länger als zwei Monate im Pflegeheim der beschwerdeführenden Partei Aufenthalt genommen hatten, gemäß § 3 Z 6 NFWAG ab Beginn des dritten Monates ihres Aufenthaltes bei der auf Grundlage der Meldekartei erfolgten Abgabenbemessung nicht berücksichtigt worden sind.
Die beschwerdeführende Partei bringt vor, der Umstand, dass Patienten von Krankenanstalten sowie Bewohner von Pflegeheimen in der Ausnahmeregelung des § 3 NFWAG nicht genannt seien, bedeute noch keine Bejahung der Abgabepflicht. Die Nächtigungsmöglichkeit im Pflegeheim sei eine Nebenleistung zur Hauptleistung Pflege von pflegebedürftigen Personen, wobei vielfach die Pflegebedürftigkeit auch während der Nachtzeit bestehe, weswegen die Nächtigungen pflegebedürftiger Personen in Pflegeheimen nicht unter den Grundtatbestand des § 2 NFWAG fielen.
Wenn auch der Wortlaut des NFWAG nicht ausdrücklich auf den Zweck der Unterkunftnahme abstellt - insofern ist der belangten Behörde zuzustimmen -, so ergibt sich doch aus dem Grundtatbestand des § 2 iVm dem Ausnahmekatalog des § 3 NFWAG, dass die Intention des Gesetzgebers darin bestand, im Wesentlichen nur Personen, welche zu Erholungszwecken in einer Gemeinde des Landes Steiermark gegen Entgelt Unterkunft nehmen, mit der Nächtigungsabgabe zu belasten (§ 3 Z 3 NFWAG spricht etwa von Benützern von Jugenderholungsheimen, Z 4 leg. cit. von Heimgästen von Erholungsheimen des Kriegsopferverbandes Steiermark, Z 5 leg. cit. von Personen, die zu Erholungszwecken Aufenthalt nehmen). Dass der Gesetzgeber vereinzelt in die Ausnahmebestimmung des § 3 NFWAG auch Personen aufgenommen hat, welche gemäß § 2 NFWAG ohnehin nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen, spricht keineswegs denknotwendig gegen die obige Auslegung.
Diese findet vielmehr ihre Bestätigung in der Betrachtung des vorliegenden Regelungszusammenhanges nach teleologischen Gesichtspunkten. Gemäß § 10 Abs. 1 NFWAG idgF gebühren der Gemeinde 70 % der Einnahmen aus der Fremdenverkehrsabgabe von Nächtigungen (in der Stammfassung LGBl. Nr. 54/1980 bis zur Novelle LGBl. Nr. 23/1990 waren es 50 %). Die Gemeinde hatte bereits in der Stammfassung dieses Gesetzes ihren Anteil an der Abgabe tourismusfördernden Zwecken im Gemeindebereich zu widmen. Aus dieser Regelung ergibt sich der Zusammenhang der vorliegenden Abgabe mit dem typischen Fremdenverkehr, wodurch das zu den §§ 2 und 3 NFWAG gewonnene Auslegungsergebnis eine Stütze erfährt. Es lässt sich aus der Widmung des Abgabenertrages der Gemeinde für Zwecke des Tourismus im Gemeindebereich ein zusätzliches Argument dafür gewinnen, dass - im Zweifel - nicht Sachverhaltselemente erfasst werden sollen, die mit dem Fremdenverkehr keinen unmittelbaren Zusammenhang aufweisen (vgl. dazu das zum Kärntner Orts- und Nächtigungstaxengesetz 1970 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 17/0569/80, betreffend ein Bundessportheim, und das zum Wiener Fremdenverkehrsförderungsgesetz 1955 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/17/0184, betreffend ein Obdachlosenheim). Das wird dann der Fall sein, wenn Nächtigungen in der Steiermark ihrer primären Intention nach anderen Zwecken dienen als einem bloßen Kur- oder Erholungszweck, wie beispielsweise der Inanspruchnahme von Pflegeleistungen. Vor diesem Hintergrund ist der in § 2 lit. a NFWAG gebrauchte Begriff "sonstiger Beherbergungsbetrieb" auszulegen. Es erweist sich daher die der Abgabenvorschreibung und dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Rechtsauffassung der Abgabenbehörden bzw. der Aufsichtsbehörde als unzutreffend, dass das Unterkunftnehmen in dem in Rede stehenden Pflegeheim, in welchem entgeltlich Unterkunft für Nächtigungen zur Verfügung gestellt worden sei, als ein Unterkunftnehmen in einem sonstigen Beherbergungsbetrieb zu qualifizieren sei, ohne nach der Art und dem Zweck des Aufenthaltes zu differenzieren.
Sohin hätte im Einzelfall geprüft werden müssen, welchem Zweck die Aufenthalte der im Pflegeheim der beschwerdeführenden Partei untergebrachten Personen in erster Linie gedient haben.
Auf der einen Seite wäre der Abgabentatbestand in jenen Fällen, in denen der Aufenthalt in erster Linie der Inanspruchnahme von Pflegeleistungen diente, also der Pflegezweck- und die erbrachten Pflegeleistungen den jeweiligen Aufenthalt charakterisierten, nach den vorstehenden Ausführungen nicht erfüllt gewesen. Auf der anderen Seite wurden aber, wie sich aus der Aktenlage ergibt, von der beschwerdeführenden Partei in ihrem Pflegeheim auch Erholungsurlaube angeboten. Den in den Verwaltungsakten einliegenden Nächtigungslisten kann weiters entnommen werden, dass das Pflegeheim der beschwerdeführenden Partei im Streitzeitraum in vielen Fällen zu kurzfristigen Aufenthalten (d. h. von weniger als zwei Monaten) genutzt worden ist. In diesen Fällen kurzfristiger Erholungsaufenthalte wäre der in § 2 lit. a NFWAG umschriebene Abgabentatbestand des Unterkunftnehmens in einem sonstigen Beherbergungsbetrieb (unter der weiteren Voraussetzung der Entgeltlichkeit) erfüllt.
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde - ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsansicht, die Unterkunftnahme in einem Pflegeheim unterliege in jedem Fall dem NFWAG - Feststellungen dahingehend unterlassen, bei welcher Anzahl von Nächtigungen der Erholungszweck der untergebrachten Personen und nicht die Inanspruchnahme von Pflegeleistungen im Vordergrund gestanden ist. Damit hat sie aber ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 33/2003.
Wien, am