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VwGH vom 30.01.2002, 97/08/0444

VwGH vom 30.01.2002, 97/08/0444

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Gesellschaft für S Handelsgesellschaft m.b.H. in P, vertreten durch Dr. Gerald Jahn und Dr. Arnold Gangl, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Ernest-Thun-Straße 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. SV (SanR)-902/3-1997-Ru/Ma, betreffend Zurückweisung eines Einspruchs in einer Beitragsangelegenheit nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei:

Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund den Aufwand von EUR 332,--

binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin und die G. Gesellschaft m.b.H. gründeten am zusammen mit einer weiteren Gesellschaft die Arbeitsgemeinschaft "ARGE Gesellschaft für S. und G.", eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, mit dem Zweck der Abwicklung von Aufträgen im Bereich von ABC Schutzanzügen für das österreichische Bundesheer. Die Beschwerdeführerin sollte nach dem Gesellschaftsvertrag für die kaufmännischen Belange, die G. Ges m.b.H. für die produktionstechnischen Belange allein verantwortlich sein. Die Geschäftsführung der ARGE sollte nach jeweiliger gemeinsamer Absprache der <seite_2>Gesellschafter besorgt werden. Die Vertretung nach außen oblag der Beschwerdeführerin.

Am traf die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse gemäß § 62 Abs. 2 ASVG "mit dem Dienstgeber ARGE Gesellschaft für S. und G." eine - für den "Dienstgeber" vom Geschäftsführer der G. Ges m.b.H. unterschriebene - Vereinbarung über die Abrechnung der Beiträge. Im Dezember 1995 nahm die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse bei der ARGE Gesellschaft für S. und G. eine Beitragsprüfung über den Zeitraum Februar 1993 bis Mai 1995 vor. Mit dem Datum richtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse an die ARGE Gesellschaft für S. und G. einen an der Adresse der G. Gesellschaft m.b.H. in L ohne Zustellnachweis durch Organe der Post zugestellten Bescheid, wonach die ARGE Gesellschaft für S. und G. als Dienstgeber verpflichtet werde, allgemeine Beiträge in Höhe von S 32.621,20 und Sonderbeiträge in Höhe von S 23.021,80 nachzuzahlen. Außerdem wurden der ARGE Gesellschaft für S. und G. Verzugszinsen von S 9.700,-- als Mindestbeitragszuschlag vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin "aus anwaltlicher Vorsicht" Einspruch und brachte vor, ihr sei weder der vorhin zitierte Bescheid noch ein anderer, die Beschwerdeführerin selbst verpflichtender Bescheid zugestellt worden. Die belangte Behörde habe ihr den vorhin zitierten Bescheid lediglich mittels einer undatierten Kurzmitteilung "wie besprochen" in Kopie übermittelt. Nach dem Vertrag über die Errichtung der Arbeitsgemeinschaft sei ausschließlicher Dienstgeber die G. Ges.m.b.H. und nicht die Beschwerdeführerin gewesen. Die G. Ges.m.b.H. habe auch die Anmeldung ihrer Dienstnehmer zur Sozialversicherung vorgenommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Einspruch gemäß § 412 Abs. 1 ASVG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück. Sie führte aus, auch wenn der Tag der Zustellung - mangels Zustellnachweises - nicht mit Sicherheit feststellbar sei, so müsse er doch spätestens am bei der ARGE Gesellschaft für S. und G.eingelangt sein, weil die <seite_3>G. Gesellschaft m.b.H. gegen den Bescheid bereits am Einspruch erhoben habe. Der am zur Post gegebene Einspruch der Beschwerdeführerin sei daher verspätet. Nach der Vereinbarung vom über die Abrechung der Beiträge sei als gemeinsame Adresse der ARGE Gesellschaft für S. und G. L, Sch. Straße, (die Adresse der G. Ges.m.b.H.) angegeben worden. Die Beitragsabrechnung sei während des Bestandes der ARGE Gesellschaft für S. und G. ausschließlich unter dieser Adresse abgewickelt worden. Der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom sei somit rechtswirksam an die an der ARGE Gesellschaft für S. und G. beteiligten Unternehmen zugestellt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der erstinstanzliche Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom war nach der Aktenlage an die "ARGE Gesellschaft für S. und G." gerichtet und adressiert. Auf Grund einer der Beschwerdeführerin zugestellten Einmahnung eines Beitragsrückstandes hielt der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin in einem Schreiben an die Gebietskrankenkasse vom fest, dass der Beschwerdeführerin ein entsprechender "Rückstandsbescheid" bisher nicht zugestellt worden sei. Die Zustellung des "entsprechenden Bescheides" werde beantragt. Ausweislich einer Mitteilung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse an die belangte Behörde in einem Schriftsatz vom hat erstere "eine Kopie des Bescheides und der Beitragsnachrechnung (der Beschwerdeführerin) ... auf telefonische Anfrage am übermittelt". Die belangte Behörde hat den - in Bezug auf die <seite_4>Übermittlung einer Kopie des Bescheides am mit Rücksicht auf die Postaufgabe rechtzeitigen - Einspruch deshalb als verspätet zurückgewiesen, weil sie der "spätestens am " erfolgten Zustellung an die ARGE Rechtswirkungen auch für die Beschwerdeführerin beigemessen hat. Dies mit der Begründung, dass auf Grund einer Vereinbarung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse "mit der ARGE" vom über die Abrechnung der Beiträge die von der Gebietskrankenkasse gebrauchte Zustelladresse angegeben worden und daher an dieser Adresse auch mit Wirkung für die Beschwerdeführerin wirksam zugestellt worden sei.

Damit ist die belangte Behörde schon deshalb nicht im Recht, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Prozessrechtsfähigkeit im (zB. verwaltungsgerichtlichen) Verfahren nur zuerkannt werden kann, wenn das zu Grunde liegende Materiengesetz einer solchen Arbeitsgemeinschaft selbstständige, von ihren einzelnen Mitgliedern losgelöste materielle Rechte oder Verfahrensrechte einräumen würde (ständige Rechtsprechung, vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom , Sgl. Nr. 7409/A, aus jüngerer Zeit etwa die Beschlüsse vom , Zl. 94/05/0035, und vom , Zl. 2000/04/0029). Auch nach der Rechtsprechung des erkennenden Senates kommt einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - so wie dies nach dem Zivilrecht der Fall ist, welches insofern zufolge § 9 AVG, § 357 Abs. 1 ASVG mangels einer Sonderregelung im ASVG auch für diesen Rechtsbereich gilt - auch im Sozialversicherungsrecht keine Rechtspersönlichkeit zu; sie kann daher nicht als Zuordnungsobjekt der Rechte und Pflichten des sozialversicherungsrechtlichen Dienstgebers qualifiziert werden. Im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG als Dienstgeber zu qualifizieren sind vielmehr ausschließlich (alle) Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/08/0074, mit eingehender Begründung und Hinweisen auf die Vorjudikatur).

<seite_5>Es kann auf sich beruhen, ob eine Auslegung der von der belangten Behörde zitierten Abrechnungsvereinbarung allenfalls ergibt, dass diese in Wahrheit als mit den Gesellschaftern der GesnbR (und daher auch mit der Beschwerdeführerin) zu Stande gekommen zu beurteilen ist, weil für die wirksame Erlassung eines Bescheides nicht nur maßgebend ist, ob die (sich hier allenfalls aus dieser Vereinbarung ergebende) Zustellanschrift eine nach dem Zustellgesetz zulässige Abgabestelle ist. Die belangte Behörde hat vor allem übersehen, dass die Gesellschaft, an die der erstinstanzliche Bescheid ausschließlich adressiert ist, mangels Rechtspersönlichkeit nicht Zustellungsbevollmächtigte der Beschwerdeführerin sein könnte. Eine Zustellung an die ARGE mit Wirkung für die Beschwerdeführerin konnte daher auch dann nicht zu Stande kommen, wenn der Bescheid in Rechte der Beschwerdeführerin eingriffe und die Beschwerdeführerin die Zustelladresse gegen sich gelten lassen müsste.

Damit ist aber für die Beschwerdeführerin schon deshalb nichts gewonnen, weil der Bescheid nicht nur an die ARGE zugestellt, sondern ausschließlich an die ARGE gerichtet gewesen ist. Mangels Rechtspersönlichkeit kann die ARGE aber auch nicht Bescheidadressat sein. Soweit ein "Bescheid" an jemanden gerichtet ist, dem es an Rechtssubjektivität mangelt, kommt die mit der Erlassung eines Bescheides intendierte normative Wirkung mangels eines geeigneten Rechtssubjektes, auf das sich diese auswirken könnte, nicht zu Stande; der Bescheid geht insoweit ins Leere. Ist aber - wie hier - die ARGE einziger Adressat des behördlichen Abspruchs, so ermangelt es einer solchen Erledigung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insgesamt an der Bescheidqualität.

Durch eine derartige Erledigung, die keine Rechtswirkungen entfalten konnte, konnte aber auch in die Rechte der Gesellschafter dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht eingegriffen werden (vgl. neuerlich den oben zitierten Beschluss vom , Zl. 94/05/0035). Der Einspruch der Beschwerdeführerin gegen eine Erledigung, der es an der Bescheidqualität mangelt, ist daher schon deshalb <seite_6>unzulässig gewesen; er wurde daher von der belangten Behörde im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am