VwGH vom 12.08.1994, 94/14/0025
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des G in V, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom , 13/39/1-BK/Mi-1993, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1987 bis 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erzielte in den Jahren 1987 bis 1992 neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (negative) Einkünfte aus Gewerbebetrieb als A-Vertreter.
Aus den Abgabenerklärungen und deren Beilagen sind folgende Einkünfte bzw Betriebseinnahmen und -ausgaben ersichtlich:
1987 1988 1989
Umsatz (netto) 14.931 S 72.361 S 11.794 S
Verlust 44.970 S 81.542 S 93.614 S
Vorführprodukte 9.576 S 30.683 S 10.072 S
Büromaterial 1.424 S 2.940 S 3.131 S
Provisionen 3.112 S 18.332 S 676 S
Schulung, Seminare 4.950 S 11.204 S 9.427 S
Kfz-Kosten 23.693 S 44.845 S 52.196 S
Taggeld, Diäten 5.645 S 14.361 S 13.154 S
Telefon 0 S 4.505 S 3.775 S
GWG 0 S 5.066 S 581 S
Aufbauhilfen 0 S 0 S 920 S
Werbung 0 S 1.368 S 0 S
nsA-Einkünfte 89.371 S 77.475 S 127.363 S
1990 1991 1992
Umsatz (netto) 19.574 S 28.740 S 35.906 S
Verlust 85.424 S 84.293 S 69.125 S
Vorführprodukte 21.800 S 34.935 S 14.469 S
Büromaterial 4.780 S 1.358 S 36 S
Provisionen 0 S 0 S 0 S
Schulung, Seminare 0 S 0 S 0 S
Kfz-Kosten 47.629 S 45.380 S 56.871 S
Taggeld, Diäten 11.898 S 6.870 S 3.570 S
Telefon 6.701 S 6.783 S 6.369 S
GWG 2.257 S 0 S 0 S
Aufbauhilfen 815 S 1.490 S 2.440 S
Werbung 101 S 350 S 200 S
nsA-Einkünfte 136.236 S 146.425 S 162.119 S
Hinsichtlich der Tätigkeit des Beschwerdeführers wird auf die eine idente Tätigkeit beschreibenden Ausführungen im hg Erkenntnis vom , 93/14/0217, verwiesen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid ging die belangte Behörde in allen Streitjahren (vorläufig) vom Vorliegen steuerrechtlich unbeachtlicher Liebhaberei aus. Die Einkommensteuer werde gemäß § 41 Abs 1 EStG 1972 nicht veranlagt, Umsatzsteuer sei jedoch gemäß § 11 Abs 14 UStG insoweit festzusetzen, als diese in den an den Beschwerdeführer erstatteten Provisionsgutschriften ausgewiesen worden sei. Infolge der Aufhebung des Art II (rückwirkender Anwendungsbereich) der Liebhabereiverordnung 1990 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , V 53/91-15 ua, sei die Liebhabereiverordnung für die Jahre 1987 bis 1989 nicht mehr anzuwenden. Nach der auf den Bestimmungen des § 2 Abs 2 EStG 1972 bzw 1988 beruhenden hg Rechtsprechung komme es bei einer Tätigkeit (einem Betrieb) vor allem objektiv gesehen auf die Möglichkeit an, Gewinne zu erzielen, während der entsprechenden Absicht des Steuerpflichtigen nur untergeordnete Bedeutung zukomme. Bei einem Unternehmen, bei dem es sich seinem äußeren Erscheinungsbild nach um einen Gewerbebetrieb handle, liege nur in besonderen Ausnahmefällen steuerlich unbeachtliche Liebhaberei vor, wobei dies erst nach einem mehrjährigen Beobachtungszeitraum von etwa acht Jahren (endgültig) beurteilt werden könne. Bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers handle es sich um eine Vermittlertätigkeit, die grundsätzlich nach einem sich totlaufenden Schneeballsystem aufgebaut sei. Über dem Beschwerdeführer befänden sich mehrere "Sponsoren", die an seinem Umsatz beteiligt seien; unter ihm seien jene A-Vertreter (Subvertreter) die von ihm selbst "gesponsert" (geworben) worden seien. Der Beschwerdeführer dürfe lediglich Produkte von A vertreten. Er habe keine Möglichkeit, seine Einnahmen durch Aufnahme eines anderen Sortiments zu erhöhen. Die Preise würden ebenfalls durch A festgelegt. Es gebe keinen Gebietsschutz. Der Beschwerdeführer übe die Tätigkeit nur nebenberuflich aus. Neue A-Vertreter würden in erster Linie im Bekannten- und Verwandtenkreis geworben, wobei es im System liege, daß die Kunden, die als neue A-Vertreter (Subvertreter) geworben worden seien, zu Konkurrenten würden. Stelle man den in den Jahren 1987 bis 1991 erklärten Umsätzen (abzüglich der vom Beschwerdeführer bezahlten Provisionen an Dritte) einzelne Ausgabenpositionen gegenüber, so ergebe sich, daß allein die Kraftfahrzeugkosten und Diäten, also die gesamten Reisekosten, die Umsätze in allen Jahren überstiegen. Auch die Vorführprodukte kosteten in manchen Jahren mehr als an Umsatz erzielt worden sei. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers sei somit in der Art und Weise wie er sie betreibe, nicht geeignet, auf Dauer gesehen Gewinne zu erzielen. Da ein sechsjähriger Beobachtungszeitraum für die endgültige Beurteilung der Einkunftsquelleneigenschaft noch zu kurz sei, seien die Bescheide für die Jahre 1987 und 1989 vorläufig zu erlassen.
Für die Jahre 1990 und 1991 sei die Liebhabereiverordnung in der Stammfassung BGBl Nr 322/1990 anzuwenden. Da die Tätigkeit des Beschwerdeführers unter § 1 Abs 1 Liebhabereiverordnung falle, lägen gemäß § 2 Abs 2 innerhalb der ersten drei Kalenderjahre ab Beginn der Tätigkeit jedenfalls Einkünfte im Sinn des § 1 Abs 1 vor. Dieser Anlaufzeitraum erstrecke sich im gegenständlichen Fall auf die Jahre 1987 bis 1989. Hinsichtlich der Jahre 1990 und 1991 sei das Vorliegen der Absicht, einen Gesamtgewinn zu erzielen, insbesondere an Hand der sechs in § 2 Abs 1 Liebhabereiverordnung genannten Kriterien zu beurteilen, wobei jedes Kriterium zunächst für sich zu untersuchen und dann an Hand des sich ergebenden Gesamtbildes zu beurteilen sei, ob eine Einkunftsquelle vorliege oder nicht. Die Höhe der Verluste - vor allem in Relation zu den Umsätzen -, die Möglichkeit nur einen geringen Personenkreis anzusprechen, die Tatsache, daß die Tätigkeit nebenberuflich ausgeübt werde und der Beschwerdeführer weder auf die angebotenen Produkte, noch auf deren Preis Einfluß nehmen könne, sprächen ua gegen die Einkommenserzielungsabsicht des Beschwerdeführers. Im Hinblick auf das Erfordernis eines achtjährigen Beobachtungszeitraumes sei jedoch die endgültige Beurteilung des Vorliegens von Liebhaberei auch für die Jahre 1990 und 1991 noch nicht möglich.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer vertritt einerseits die Ansicht, die belangte Behörde habe zu Unrecht die Liebhabereiverordnung vom angewendet, weil diese mit außer Kraft getreten sei. Anderseits meint er, es seien bei Beginn einer Betätigung im Sinn des § 1 Abs 1 der außer Kraft getretenen Liebhabereiverordnung die in den ersten drei Kalenderjahren anfallenden Verluste entsprechend einem Erlaß des Bundesministers für Finanzen sowie in Analogie zu § 18 Abs 7 EStG 1988 jedenfalls steuerlich anzuerkennen.
Mit der Frage der Anwendung der Liebhabereiverordnung vom , BGBl Nr 322/1990, sowie des § 18 Abs 7 EStG 1988 hat sich der Verwaltungsgerichsthof in dem bereits erwähnten Fall auseinandergesetzt und ausführlich dargelegt, daß diese Verordnung (nur) für die Veranlagungen der Jahre 1990, 1991 und 1992 anzuwenden ist. Aus § 18 Abs 7 EStG 1988 ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher gemäß § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG auf das bereits erwähnte hg Erkenntnis vom verwiesen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, daß es sich bei einem nicht im Bundesgesetzblatt kundgemachten Erlaß des Bundesministers für Finanzen um keine vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendende verbindliche Rechtsvorschrift handelt.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Jahre 1987 bis 1989 somit zutreffend auf § 2 Abs 2 EStG 1972 bzw 1988 sowie auf § 2 Abs 5 Z 2 UStG gestützt und unter Berücksichtigung von Lehre und Rechtsprechung untersucht, ob die Tätigkeit des Beschwerdeführers objektiv gesehen geeignet ist, Gewinne zu erzielen. Dabei hat sie ausgehend von der vorgegebenen, vom Beschwerdeführer nicht beeinflußbaren Vertriebsorganisation sowie dem System der Gewinnung von Subvertretern festgestellt, daß allein die Reisekosten (Kraftfahrzeugkosten, Tages- und Nächtigungsgebühren) in allen Streitjahren die Umsätze des Beschwerdeführers (abzüglich der von ihm bezahlten Provisionen an Dritte) überstiegen und in manchen Jahren überdies die Kosten für Vorführprodukte höher gewesen seien als der jeweilige Umsatz. Wenn die belangte Behörde daher zur Überzeugung gelangt ist, daß die Tätigkeit in der Art und Weise, wie sie der Beschwerdeführer betreibt, voraussichtlich nicht geeignet ist, Gewinne zu erzielen, so kann ihr nicht entgegengetreten werden. Den Einwand des Beschwerdeführers, "durch das Finden mehrerer Mitarbeiter kann ständig eine Umsatzerweiterung und damit verbunden eine Gewinnerzielung realisiert werden", hat die belangte Behörde durch das Argument entkräftet, jeder neue A-Vertreter sei gleichzeitig ein Konkurrent des Beschwerdeführers. Die Behauptung des Beschwerdeführers, seine Umsätze ließen sich auf diese Weise beliebig vervielfachen, überzeugt somit nicht.
Für die Jahre 1990 bis 1992 ist - wie bereits ausgeführt - die Liebhabereiverordnung in der Fassung vom , BGBl Nr 322/1990, anzuwenden. Für die Streitjahre 1990 und 1991 ist die belangte Behörde daher zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß für das Vorliegen einer Einkunftsquelle im Sinn des § 1 Abs 1 Liebhabereiverordnung - nach Verstreichen des dreijährigen Anlaufzeitraumes - die Absicht des Beschwerdeführers, einen Gesamtgewinn oder einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, entscheidend ist.
Im Gegensatz zu der vor Inkrafttreten der Liebhabereiverordnung geltenden Rechtslage, wonach zur Beurteilung der Einkunftsquelleneigenschaft einer Tätigkeit in erster Linie objektive Kriterien (Gewinnerzielungsmöglichkeit) heranzuziehen waren, kommt es seit Geltung der Liebhabereiverordnung in erster Linie auf die Absicht des Steuerpflichtigen an, einen Gesamtgewinn oder einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Liegt - wie im vorliegenden Fall von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt - eine Tätigkeit im Sinn des § 1 Abs 1 Liebhabereiverordnung vor, ist das Vorliegen von Einkünften zu vermuten. Die Vermutung kann jedoch widerlegt werden, wenn die Absicht nicht an Hand objektiver Umstände (§ 2 Abs 1 und 3 Liebhabereiverordnung) nachvollziehbar ist. Fallen bei Betätigungen im Sinn des § 1 Abs 1 Liebhabereiverordnung Verluste an, so ist das Vorliegen der Absicht, einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, insbesondere an Hand der im § 2 Abs 1 Z 1 bis 6 Liebhabereiverordnung genannten Kriterien zu beurteilen. Gemäß § 2 Abs 2 Liebhabereiverordnung ist nach Ablauf des Anlaufzeitraumes unter Berücksichtigung der Verhältnisse auch innerhalb dieses Zeitraumes nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen, ob weiterhin vom Vorliegen von Einkünften auszugehen ist. Besteht hinsichtlich der im § 2 Abs 1 Z 1 und 2 Liebhabereiverordnung genannten Umstände - insbesondere, ob eine Prognose erfüllt werden kann - noch Ungewißheit, dürfen die betreffenden Bescheide vorläufig ergehen. Ob hiebei vorläufig von Liebhaberei oder vom Vorliegen einer Einkunftsquelle auszugehen ist, richtet sich danach, welche dieser Alternativen als die wahrscheinlichere anzusehen ist.
Eine Absicht ist ein innerer Vorgang (Willensentschluß), der erst dann zu einer steuerlich erheblichen Tatsache wird, wenn er durch seine Manifestation in die Außenwelt tritt. Es genügt daher nicht, daß der Steuerpflichtige die Absicht hat, Gewinne zu erzielen, vielmehr muß die Absicht anhand der im § 2 Abs 1 Liebhabereiverordnung beispielsweise aufgezählten objektiven Kriterien beurteilt werden. Auf Wunschvorstellungen desjenigen, der die Bestätigung entfaltet, kommt es hiebei nicht an.
Im vorliegenden Fall waren - wie bereits ausgeführt - allein die Reisekosten (Kraftfahrzeugkosten, Tages- und Nächtigungsgebühren) in allen Streitjahren höher als die Umsätze des Beschwerdeführers (abzüglich der von ihm bezahlten Provisionen an Dritte). Hiezu kommt, daß in manchen Jahren die Kosten der Vorführprodukte höher waren als der jeweilige Umsatz, wobei im gesamten Streitzeitraum die Kosten der Vorführprodukte mehr als zwei Drittel der Umsätze des Beschwerdeführers ausmachten. Bei dieser Wirtschaftsführung ist daher auch nach Ablauf des Anlaufzeitraumes von drei Jahren weiterhin mit Verlusten zu rechnen. Allerdings kann - wie die belangte Behörde zu Recht festgestellt hat - das Gesamtbild der Verhältnisse wegen des relativ kurzen Zeitraumes noch nicht endgültig beurteilt werden. Es besteht somit im Sinn des § 200 Abs 1 BAO noch Ungewißheit, ob eine Einkunftsquelle oder Liebhaberei vorliegt. Da die äußeren Umstände eher für Liebhaberei als für eine Einkunftsquelle sprechen, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie vorläufig zu dem Schluß gelangt ist, daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers als A-Vertreter als Liebhaberei anzusehen ist. Daran kann auch der Einwand des Beschwerdeführers, sein Umsatz hätte sich zwischen 1989 und 1990 um rund 66 % und zwischen 1990 und 1991 um rund 47 % gesteigert, nichts ändern. Die in den Jahren 1989 bis 1991 erzielten Verluste sind nämlich jeweils nur geringfügig und nicht der Umsatzsteigerung entsprechend gesunken. Aus der bloßen Umsatzsteigerung ergibt sich daher keineswegs, daß eine Einkunftsquelle vorliegt. Wann erstmals mit einem Gewinn zu rechnen sei, hat der Beschwerdeführer überhaupt nicht dargetan.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 59 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.