VwGH vom 27.04.1994, 91/13/0226
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der I in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat V, vom , Zl. 6/3-3179/88-09, betreffend Einkommensteuer 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird nach teilweiser Klaglosstellung im Wege einer Berichtigung des angefochtenen Bescheides gemäß § 293 BAO durch die belangte Behörde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Witwe nach dem am verstorbenen Ing. Eduard M. Dieser hatte in seinem Testament vom seine beiden Kinder aus erster Ehe je zur Hälfte als Erben eingesetzt und der Beschwerdeführerin neben anderen Zuwendungen auf die Dauer ihres Witwenstandes 40 % der Nettomietzinse einschließlich Wertsicherung von einer in seinem Alleineigentum stehenden Liegenschaft in Wien 7 vermacht, wobei er verfügt hatte, daß alle Betriebskosten Durchlaufposten seien und ebenso wie Reparaturen, steuerliche zulässige Absetzungen für Abnutzung und dgl. den Ertrag für die Beschwerdeführerin nicht schmälern sollten.
Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens schlossen die eingesetzten Erben miteinander und mit der Beschwerdeführerin ein Erb- und Pflichtteilsübereinkommen, in welchem der Beschwerdeführerin u.a. zur weiteren Abgeltung ihrer Legats- und Pflichtteilsansprüche auf die Dauer ihres Witwenstandes eine Leibrente in der Höhe von monatlich S 22.000,-- eingeräumt wurde, die wertgesichert und auf der Liegenschaft des Erblassers in Wien 7 grundbücherlich sichergestellt wurde. Die Steuerpflicht der der Beschwerdeführerin im Streitjahr zugeflossenen Beträge aus dieser Rente bildet - nach Klaglosstellung der Beschwerdeführerin im zweiten von ihr geltend gemachten Beschwerdepunkt - den einzig verbliebenen Streitpunkt des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Im Zuge des Verfahrens über die gegen den Einkommensteuerbescheid über das Streitjahr wegen eines hier nicht mehr interessierenden Punktes von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung vertrat das Finanzamt die Auffassung, daß Renten, die zur Abgeltung von Legatsansprüchen ausbedungen werden, sofort ohne die Einschränkung des letzten Satzes der Bestimmung des § 29 Z. 1 EStG 1972 steuerpflichtig seien. Dem trat die Beschwerdeführerin mit dem Argument entgegen, daß die von ihr bezogene Rente als Gegenleistungsrente anzusehen sei, weil sie diese Rente für den Verzicht auf erbrechtliche Ansprüche erhalten habe. Die Beschwerdeführerin habe ihren Anspruch auf 40 % der Nettoeinnahmen der Liegenschaft in Wien 7. gegen Gewährung einer Leibrente übertragen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid über das Streitjahr zum Nachteil der Beschwerdeführerin durch Ansatz der ihr zugeflossenen Rentenbeträge unter den sonstigen Einkünften ab, wobei sie es bei Ermittlung des zu versteuernden Einkommens jedoch verabsäumte, den der Beschwerdeführerin gemäß § 41 Abs. 3 EStG 1972 zustehenden Freibetrag zum Abzug zu bringen. Begründend vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß im vorliegenden Fall durch das Erbübereinkommen in bezug auf die Beschwerdeführerin keine von der letztwilligen Verfügung abweichende Vermögensteilung erreicht worden sei, weshalb die Beschwerdeführerin auch keine nachlaßbedingte vermögensrechtliche Leistung erbracht habe, welche es rechtfertige, die ihr gewährte Rente als Gegenleistungsrente anzusehen. Der testamentarische Anspruch der Beschwerdeführerin auf den 40 %igen Fruchtgenuß an der Liegenschaft sei in einen solchen auf Rentenzahlung gewandelt worden, weshalb dem Rentenstammrecht nach wie vor die durch das Testament verfügte Versorgungsverpflichtung der Erben gegenüber der Beschwerdeführerin zugrundeliege. Es stellten die Rentenzahlungen auch kein gleichwertiges Entgelt für den Verzicht auf den Fruchtgenuß dar; sie orientierten sich - losgelöst vom Wert und Ertrag des hinter dem Erbrecht stehenden Vermögens - vielmehr an den Versorgungsbedürfnissen der Berechtigten. Es seien diese Rentenzahlungen somit gemäß § 29 Z. 1 EStG 1972 ohne die Einschränkungen dessen letzten Satzes bei der Beschwerdeführerin als sonstige Einkünfte zu versteuern gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben; die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem aus § 29 Z. 1 letzter Satz EStG 1972 erfließenden Recht auf Steuerfreiheit ihrer Leibrente im Streitjahr und in ihrem aus § 41 EStG 1972 erfließenden Recht auf Berücksichtigung eines Freibetrages von S 10.000,-- als verletzt und ficht den Bescheid der belangten Behörde demgemäß in diesem Umfang an.
Die belangte Behörde hat innerhalb der ihr vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 1 VwGG gesetzten Frist mit Bescheid vom den angefochtenen Bescheid gemäß § 293 BAO durch Abzug des der Beschwerdeführerin zustehenden Freibetrages gemäß § 41 Abs. 3 EStG 1972 berichtigt. Sie hat ferner die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie im übrigen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die Beschwerdeführerin hat in einem ergänzenden Schriftsatz vorgebracht, im Umfang ihres auf den Freibetrag nach § 41 Abs. 3 EStG 1972 abzielenden Beschwerdepunktes durch den Bescheid der belangten Behörde vom klaglos gestellt worden zu sein.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 29 Z. 1 EStG 1972 sind sonstige Einkünfte wiederkehrende Bezüge, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 6 leg. cit. gehören. Werden die Bezüge freiwillig oder an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person gewährt, so sind sie dem Empfänger nicht zuzurechnen. Werden die wiederkehrenden Bezüge als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern geleistet, so sind sie nur insoweit steuerpflichtig, als die Summe der vereinnahmten Beträge den auf den Zeitpunkt der Übertragung kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung (§ 16 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes 1955) übersteigt.
Daß es sich bei den der Beschwerdeführerin zufließenden Bezügen nicht um solche im Sinne des zweiten Satzes der genannten Bestimmung handelt, steht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht in Streit. Es vertritt die Beschwerdeführerin aber, gestützt auf die Ausführungen Stolls (Rentenbesteuerung3, 381f), die Auffassung, daß das von ihr mit den Erben geschlossene Übereinkommen einen Verzicht auf testamentarische Ansprüche enthalte, welcher rechtlich dazu führen müsse, die ihr von den Erben zugesagte Rente als Gegenleistung für die Übertragung des Wirtschaftsgutes der hingegebenen testamentarischen Fruchtgenußansprüche eingeräumt zu erkennen. Die Ausführungen Stolls stützen den Standpunkt der Beschwerdeführerin allerdings nur auf den ersten Blick.
Der genannte Autor vertritt wohl die Auffassung, daß im Ausmaß des Verzichtes auf die Geltendmachung erbrechtlicher Ansprüche zugunsten des Vertragspartners in dessen Vermögenssphäre eine Erhöhung eintrete, sodaß in der Verzichtleistung die Disposition über ein Wirtschaftsgut erkannt werden könne. Es sei im Verzicht etwa auf Pflichtteils- und Vermächtnisansprüche eine Leistung gelegen, welche im Wirtschaftsleben als Vermögenswert angesehen werde; eine Leistung dieser Art sei als Wirtschaftsgut zu beurteilen, sodaß Renten für solche Verzichtsleistungen als Gegenleistungsrenten betrachtet werden müßten (a.a.O., 381f). Es weist Stoll (a.a.O., 382) jedoch ebenso darauf hin, daß im Zusammenhang mit Erbauseinandersetzungen vereinbarte Renten dann als Versorgungsrenten zu beurteilen seien, wenn weniger die Erbringung eines Entgeltes durch gleichwertige Gegenleistungen für den Verzicht, als die Versorgung - losgelöst vom Wert des hinter dem Erbrecht stehenden Vermögens - im Blickpunkt der Vereinbarungen stehe. In der Gegenüberstellung dieser Betrachtungsweisen wurde in Schrifttum und Judikatur dazu der Gedanke artikuliert, daß dementsprechend Renten, die aus Anlaß eines Verzichtes auf erbrechtliche Ansprüche ausbedungen werden, nur in Ausnahmefällen der Charakter von Gegenleistungsrenten im Sinne des § 29 Z. 1 letzter Satz EStG 1972 zukomme (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch2, TZ 11 zu § 29 EStG 1972, ebenso Quantschnigg-Schuch, Einkommensteuerhandbuch3, TZ 15 zu § 29 EStG 1988, sowie das hg. Erkenntnis vom , 90/14/0204).
Die belangte Behörde hat den Gegenleistungscharakter der von der Beschwerdeführerin bezogenen Rente zum einen mit der Begründung verneint, daß die vereinbarte Rente nur den testamentarisch zugesagten Fruchtgenuß in eine andere Gestalt gewandelt habe, und zum anderen kein gleichwertiges Entgelt für den Verzicht auf den Fruchtgenuß darstelle, sondern sich an den Versorgungsbedürfnissen der Beschwerdeführerin orientiere.
Zutreffend hat die belangte Behörde den Gegenleistungscharakter der Leibrente der Beschwerdeführerin aus der Überlegung verneint, daß die vereinbarte Rente letztlich nur die Gestalt der der Beschwerdeführerin kraft letztwilliger Verfügung zufließenden wiederkehrenden Bezüge gewandelt habe. Das der Beschwerdeführerin testamentarisch zugewendete Recht zum Bezug von 40 % der Nettomietzinse hätte ihr einen Anspruch auf wiederkehrende Bezüge verschafft, die nach § 29 Z. 1 erster Satz EStG 1972 unstrittig sofort zu versteuern gewesen wären. Des testamentarisch eingeräumten Rechtes auf den Erhalt solcher wiederkehrender Bezüge hatte die Beschwerdeführerin sich in ihrer Vereinbarung mit den Erben aber nur der Höhe, und nicht dem Grunde nach begeben, indem sie nämlich statt der wiederkehrenden Fruchtgenußbezüge nunmehr die wiederkehrenden Leibrentenzahlungen akzeptiert hatte. Die in der Gestalt der Leibrentenzahlungen anstelle der Fruchgenußbeträge der Beschwerdeführerin zufließenden wiederkehrenden Bezüge aber einer anderen Besteuerung als jener zu unterwerfen, welche unter dem Titel der Fruchtgenußbeträge gesetzlich geboten war, würde gerade dem Gebot gleicher steuerlicher Behandlung wirtschaftlich gleicher Sachverhalte widersprechen, auf welches Stoll (a.a.O., 393f) mit Recht verweist. Auch im Beschwerdefall hatte der Erblasser die erbrechtlich berechtigte Beschwerdeführerin von der Nachfolge in erbliches Vermögen gegen Aussetzung eines wiederkehrenden Bezuges ausgeschlossen. Die der Beschwerdeführerin auf Grund ihres Übereinkommens mit den Erben zufließende Rente blieb wirtschaftlich die in lediglich anderer Gestalt abreifende Frucht des vom Erblasser in Form eines Fruchtgenußlegates vorgesehenen Rentenstammrechtes und konnte damit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht als Entgelt für Leistungen der rentenberechtigten Beschwerdeführerin betrachtet werden. Der Beschwerdefall weist insofern Ähnlichkeit mit jenen Konstellationen auf, welche den mit den hg. Erkenntnissen vom , 1247/70, und vom , 82/13/0256, 0259, entschiedenen Fällen zugrunde gelegen waren.
Wäre der Gegenleistungscharakter der Leibrente der Beschwerdeführerin nicht schon aus diesem Grunde zu verneinen gewesen, dann hätte sich die behördliche Beurteilung dieser Rente als Versorgungsrente aus jenen Überlegungen als zutreffend erwiesen, welche die belangte Behörde zur Einsicht führten, daß die Leibrente kein gleichwertiges Entgelt für den Verzicht auf den Fruchtgenuß darstelle.
Daß die der Beschwerdeführerin zugesagte Rente dem Fruchtgenußlegat nicht gleichwertig war, ergibt schon die Gegenüberstellung der für das Streitjahr unbestritten in Betracht kommenden Beträge von S 624.800,-- als dem 40 %igen Anteil an den Nettomietzinsen einerseits und von S 291.288,-- als der Summe der zu leistenden Leibrentenbeträge andererseits. Der von der Beschwerdeführerin demgegenüber angestellte Vergleich der unversteuerten Leibrentenbeträge mit den versteuerten Fruchtgenußbeträgen führt zwangsläufig in die Irre, indem er voraussetzt, was zu beweisen gewesen wäre. Vergleicht man aber das allein miteinander Vergleichbare, nämlich die von den Erben im einen wie im anderen Fall geschuldeten Beträge, dann wird die Inadäquanz der Rentenleistung der Erben zur Höhe der testamentarisch geschuldeten Nettomieterträgnisse evident und daraus deutlich, daß der vereinbarten Rente nicht Abgeltungs-, sondern Versorgungscharakter beizumessen ist. Dem widerspricht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht der von ihr ins Treffen geführte Umstand, daß sie angesichts der weiteren ihr zur Verfügung stehenden Einkunftsquellen einer Versorgung nicht bedurft habe. Der Versorgungscharakter einer Zuwendung hängt von der Versorgungsbedürftigkeit des Zuwendungsempfängers nicht ab. Versorgung besteht nicht bloß in der Verschaffung lebensnotwendiger Einkünfte, sondern geschieht ebenso auch durch Zubuße zu ausreichenden anderweitigen Einkünften zum Zwecke der Erweiterung der Möglichkeiten zur Lebensgestaltung. Entscheidend für den Versorgungscharakter einer Rentenzuwendung ist die objektiv zu beurteilende Inadäquanz einer dafür ins Spiel gebrachten Gegenleistung. Eine solche Inadäquanz des behaupteten Leistungsaustauschs hat die belangte Behörde im Beschwerdefall anhand der unstrittigen objektiven Wertrelationen zutreffend festgestellt. Der von der Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vermißten Erforschung der Motive der Vertragspartner des Erb- und Pflichtteilsübereinkommens bedurfte es abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren keine darauf abzielenden Beweisanträge gestellt hatte, angesichts des wirtschaftlichen Ergebnisses der geschlossenen Vereinbarung nicht.
Da die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des verbliebenen Beschwerdepunktes in ihren Rechten somit nicht verletzt wurde, war die Beschwerde im übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 56 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Da die Beschwerdeführerin hinsichtlich eines Beschwerdepunktes klaglos gestellt wurde, kam ein Aufwandersatz an die belangte Behörde gemäß § 56 VwGG nicht mehr in Betracht (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 717, 3. Absatz, wiedergegebene Judikatur). Dem Fall, daß ein Beschwerdeführer hinsichtlich aller Beschwerdepunkte klaglos gestellt wurde, muß allerdings der Fall gleichgehalten werden, daß die Klaglosstellung nur in einem Beschwerdepunkt erfolgte, im übrigen jedoch die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war, weshalb auch im Beschwerdefall der Schriftsatzaufwand nur im gekürzten Ausmaß gebührte (vgl. die bei Dolp, a.a.O., 718, 4. Absatz, angeführte Judikatur). Der danach für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes gebührende Betrag fand im geltend gemachten Ansatz Deckung. Das Mehrbegehren an Stempelkostenersatz für Beilagen war abzuweisen, weil die Vorlage des ohnehin in den Verwaltungsakten einliegenden Erb- und Pflichtteilsübereinkommens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war; der Vorlage des angefochtenen Bescheides bedurfte es in lediglich einer Ausfertigung.