Suchen Hilfe
VwGH vom 30.05.2001, 97/08/0435

VwGH vom 30.05.2001, 97/08/0435

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der N in H bei G, vertreten durch Mag. Dr. Sonja Krutzler-Hackenberger, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 27/IV, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 9-32-156/97-2, betreffend Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 7 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes (SHG Stmk), LGBl. Nr. 1/1977 und 53/1996, Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form von Geldleistungen in der Höhe von monatlich S 4.250,-- (S 3.750,-- Sozialhilfe und S 500,-- für Diät) für den Zeitraum vom bis sowie ein einmaliger Heizkostenzuschuss für das Jahr 1997 in der Höhe von S 1.000,-- gewährt.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung beantragte die Beschwerdeführerin, die monatlichen Geldleistungen bereits ab zuzuerkennen. Weiters brachte sie vor, dass sie vom Arbeitsmarktservice Notstandshilfe (Pensionsvorschuss) in einer monatlichen Höhe von S 2.040,-- beziehe. Dieses Einkommen werde ihr sowohl von der Sozialhilfe abgezogen als auch von den Sonderzahlungen, obwohl sie die Notstandshilfe nur zwölf mal jährlich beziehe. Aufgrund ihrer Krankheiten, die höhere Ausgaben verursachten (Diätkost etc.), führe diese finanzielle Beeinträchtigung dazu, dass die Sicherung des Lebensunterhaltes nicht gewährleistet sei. Die Beschwerdeführerin beantragte daher, die Sonderzahlungen in voller Höhe zu gewähren.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 in Verbindung mit § 46 Abs. 1 sowie §§ 4, 5, 7 und 8 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 1/1977 in der geltenden Fassung, teilweise Folge und änderte den Bescheid dahingehend, dass der Beschwerdeführerin ab - auf die Dauer unveränderter persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse - längstens jedoch bis eine fortlaufende monatliche Geldleistung in der Höhe von S 3.750,-- gebühre. Diese fortlaufende (ergänze: um das anzurechnende Notstandshilfeeinkommen verringerte) monatliche Geldleistung in der Höhe von S 3.750,-- gebühre in den Monaten Juni 1997 und November 1997 in zweifacher Höhe.

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehen und Wiedergabe der relevanten Gesetzesbestimmungen im Wesentlichen aus, dass laut Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom , LGBl. Nr. 5/1997, der Richtsatz für einen Alleinunterstützten ab monatlich S 5.790,-- betrage, weshalb sich nach Abzug des Einkommens der Beschwerdeführerin (S 2.040,--) gemäß § 8 Abs. 2 SHG Stmk eine fortlaufende monatliche Geldleistung ("richtsatzgemäße Sozialhilfeunterstützung") in der Höhe von S 3.750,-- errechne. Für die Zuerkennung einer Sonderzahlung in Höhe des vollen Richtsatzes für einen Alleinunterstützten fehle die gesetzliche Deckung, weil nach der Textierung des § 8 Abs. 5 SHG Stmk in Verbindung mit § 8 Abs. 2 leg. cit. nur die fortlaufende monatliche Geldleistung ("richtsatzgemäße Geldleistung") - also der Betrag von S 3.750,-- - in den Monaten Juni und November in zweifacher Höhe zu gewähren sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass eine Anrechnung der nur zwölfmal im Jahr gewährten Notstandshilfe (Pensionsvorschuss) auf die im Juni und November 997 zu gewährenden Sonderzahlungen nicht zu Recht erfolgt sei. Damit ist sie im Ergebnis im Recht:

Gemäß § 1 Abs. 1 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz (SHG Stmk), LGBl. Stmk 1/1977 in der hier anzuwendenden Fassung, soll durch die Sozialhilfe jenen Personen die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglicht werden, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen. Gemäß Abs. 2 leg. cit. umfasst die Sozialhilfe unter anderem auch die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs. Die weiteren, für diesen Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 4 Abs. 1 SHG Stmk :

"Voraussetzung der Hilfe

(1) Auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes einen Rechtsanspruch, wer den Lebensbedarf (§ 7) für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält."

§ 5 leg. cit.:

"Einsatz der eigenen Mittel

(1) Hilfe ist nur soweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 7) zu sichern.

(2) Das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers dürfen soweit nicht berücksichtigt werden, als dies mit der Aufgabe der Sozialhilfe unvereinbar ist. Besondere soziale Härten für den Hilfeempfänger und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden Angehörigen sind auszuschließen.

(3) Zum verwertbaren Vermögen gehören nicht jene Sachen, die zur persönlichen Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit oder zur Befriedigung allgemein anerkannter kultureller Bedürfnisse dienen.

(4) Hat der Hilfeempfänger Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder zumutbar ist, so können Hilfeleistungen von der Sicherstellung des Ersatzanspruches (§ 39) abhängig gemacht werden, wenn die Rückzahlung voraussichtlich ohne Härten möglich sein wird."

§ 7 leg. cit.:

"Lebensbedarf

(1) Zum Lebensbedarf gehören:

a) der Lebensunterhalt (§ 8);

(...)

(2) Der ausreichende Lebensbedarf ist durch geeignete Maßnahmen (Geldleistungen, Sachleistungen oder persönliche Hilfe) zu sichern.

(3) Die Landesregierung hat durch Verordnung, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes, näher zu regeln, welche Leistungen, in welchem Ausmaß und in welcher Form im Rahmen der Sozialhilfe zur Sicherung eines ausreichenden Lebensbedarfes im Einzelfall gewährt werden können."

§ 8 leg. cit.:

"Lebensunterhalt, Richtsätze

(1) Der Lebensunterhalt umfasst den Aufwand für die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Unterkunft, Hausrat, Beheizung, Bekleidung und andere persönliche Bedürfnisse, zu denen auch eine angemessene Pflege der Beziehungen zur Umwelt und Teilnahme am kulturellen Leben gehören.

(2) Als Maßnahme zur Sicherung eines ausreichenden Lebensunterhaltes, ausgenommen den Aufwand für Unterkunft, können fortlaufende monatliche Geldleistungen gewährt werden. Solche Geldleistungen sind nach den Richtsätzen zu bemessen (richtsatzgemäße Geldleistung).

(3) Die richtsatzgemäße Geldleistung ist im Einzelfall so weit zu erhöhen, als dies im Hinblick auf besondere persönliche oder familiäre Verhältnisse des Hilfeempfängers (insbesondere Alter, Krankheit oder Gebrechlichkeit) zur Sicherung eines ausreichenden Lebensunterhaltes erforderlich wird.

(4) Die richtsatzgemäße Geldleistung kann im Einzelfall auf das zum Lebensunterhalt unerlässliche Maß beschränkt werden, wenn der Hilfeempfänger trotz wiederholter Belehrung und Ermahnung mit den ihm zur Verfügung gestellten Mitteln nicht sparsam umgeht oder trotz Erwerbsfähigkeit und Erwerbsmöglichkeit nicht gewillt ist, seine Arbeitskraft zur Sicherung seines Lebensbedarfes einzusetzen. Der Lebensunterhalt unterhaltsberechtigter Familienangehöriger darf dadurch jedoch nicht beeinträchtigt werden.

(5) Richtsatzgemäße Geldleistungen (Abs. 2 und 4) sind in den Monaten Juni und November in zweifacher Höhe zu gewähren.

(6) Werden richtsatzgemäße Geldleistungen gewährt, so ist zusätzlich der tatsächlich vertretbare Aufwand des Hilfeempfängers für Unterkunft zu tragen.

(7) Die Zuerkennung richtsatzgemäßer Geldleistungen schließt erforderliche weitere Maßnahmen zur Sicherung des ausreichenden Lebensunterhaltes im Einzelfall nicht aus.

(8) Zur Bemessung von monatlichen Geldleistungen ist durch Verordnung der Landesregierung je ein Richtsatz für

a) den Alleinunterstützten

(...)

festzusetzen.

(9) Bei der Festsetzung der Richtsätze ist davon auszugehen, dass die im Rahmen der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz gewährten, vergleichbaren Mindestleistungen in der Regel den ausreichenden Lebensbedarf sicherstellen, und zwar jeweils ausgenommen den Aufwand für Unterkunft."

Gem. § 5 Abs. 1 SHG Stmk ist Hilfe nur so weit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf zu sichern.

Dabei sind unter Einkommen die zur Befriedigung des Lebensbedarfs des Hilfeempfängers tatsächlich zur Verfügung stehenden Einkünfte zu verstehen. Der sozialhilferechtliche Einkommensbegriff umfasst daher alle Einkünfte des Hilfeempfängers, gleichgültig aus welchem Titel sie ihm zufließen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 98/03/0216 zum Wiener SHG sowie Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht (Wien 1989), 408 mwN). Schon unter diesen Gesichtspunkten kann es sachlich keinen Unterschied machen, ob eine Geldleistung einem Hilfeempfänger in einem Jahreszeitraum in zwölf oder in vierzehn Zahlungen zufließt, da nur im Ausmaß des tatsächlichen Zufließens jeweils eine Anrechnung auf die richtsatzgemäße Geldleistung in Betracht kommt und insoweit das Stmk. Sozialhilfegesetz zwischen laufenden monatlichen Zahlungen und sog. Sonderzahlungen bei der Einkommensanrechnung keinen Unterschied macht. Maßstab, ob und in welchem Ausmaß eine Person der Hilfe bedarf, ist aber in jedem Fall der Sozialhilferichtsatz, welcher den anzurechnenden Einkünften gegenüberzustellen ist.

Gemäß § 8 Abs. 2 und 5 Stmk. SHG gebührt jene Geldleistung, welche den in § 8 Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Bedarf decken soll (richtsatzgemäße Geldleistung) vierzehn Mal im Jahr. Das Gesetz enthält insbesondere keine Beschränkung dahin, dass die zusätzlichen Geldleistungen für die Monate Juni und November nur in jener Höhe gebühren würden, die der monatlich laufenden Leistung entspricht. (Eine entsprechende gesetzliche Regelung findet sich lediglich in § 12 Abs. 3 des Oberösterreichischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. OÖ 66/1973 idF 2/1984, die jedoch gerade für den hier vorliegenden Fall eine Sonderregelung enthält : "In den Monaten Februar, Mai, August und November ist eine Sonderzahlung in der halben Höhe der zuerkannten richtsatzgemäßen Geldleistung zu gewähren. Ist jedoch die richtsatzgemäße Geldleistung infolge Anrechnung von Einkommen, die nur zwölfmal jährlich bezogen werden, niedriger als der im Einzelfall zur Anwendung gelangende Richtsatz, so erhöht sich die Sonderzahlung auf die halbe Höhe dieses Richtsatzes."). Die gegenteilige Auslegung des § 8 Abs. 1 des Stmk. SHG durch die belangte Behörde erweist sich daher als unzutreffend. Der Gesetzgeber geht vielmehr nach dem Wortlaut dieser Bestimmung erkennbar davon aus, dass erst ein Mindesteinkommen in der Höhe der vierzehnmaligen richtsatzgemäßen Geldleistung die Deckung der lebensnotwendigen Bedürfnisse gewährleistet.

Bei richtiger Auslegung des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes ergibt sich daher für den vorliegenden Fall, dass in den Monaten Juni und November die tatsächlich zufließenden Einkünfte (Notstandshilfe) dem zweifachen Richtsatz gegenüberzustellen und die sich ergebende Differenz als Sozialhilfeleistung zu gewähren ist (in diesem Sinne vgl. auch das Erkenntnis vom , Zl. 99/11/0324 zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem Tiroler Sozialhilfegesetz).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am

Fundstelle(n):
CAAAE-61447