VwGH vom 27.07.1999, 94/14/0010
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des H S in I, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , 50.512-5/93, betreffend Nachsicht einer Abgabenschuld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Erkenntnis vom , 89/14/0128, wies der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der belangten Behörde betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1975 bis 1983 sowie Umsatzsteuer für die Jahre 1976 bis 1981 mit der Begründung ab, das vom Beschwerdeführer in den Jahren 1975 bis 1983 geführte Hotel garni stelle bis zum Jahr 1983 keine Einkunftsquelle dar, weil es objektiv nie zur Erzielung von Gewinnen geeignet gewesen sei. Erst nach Umstrukturierung und Verpachtung des Hotel garni seien ab dem Jahr 1984 auf Grund der geänderten Wirtschaftsführung Gewinne erzielt worden.
Aus der im Einklang mit der belangten Behörde erfolgten steuerlichen Nichtanerkennung des vom Beschwerdeführer geführten Hotel garni resultierte eine Abgabennachforderung von rund 4,1 Mio S.
Am beantragte der Beschwerdeführer die Nachsicht der aus der steuerlichen Nichtanerkennung des Hotel garni noch aushaftenden Abgabenschuld von 2 Mio S, wobei er im Wesentlichen ausführte, er habe bereits mehr als die Hälfte der Abgabenschuld beglichen. Das Hotel garni sei in den Jahren 1970 bis 1975 errichtet und sodann in Betrieb genommen worden. Auf Grund der allgemein schwierigen Wirtschaftslage und der fehlenden Infrastruktur seien bis zum Jahr 1983 keine Gewinne erzielt worden. Im Jahr 1983 habe er 3 bis 4 Mio S in die Umstrukturierung des Hotel garni investiert, weswegen ab dem Jahr 1984 Gewinne erzielt worden seien. Die Abgabenbehörde unterstelle, dass ab dem Jahr 1984 die Wirtschaftsführung geändert worden sei. Es gehe aber nicht an, die in den Jahren 1975 bis 1983 erwirtschafteten Verluste steuerlich nicht anzuerkennen, die ab dem Jahr 1984 erzielten Gewinne jedoch zu besteuern. Bei Begleichung der noch aushaftenden Abgabenschuld wäre er gezwungen, Grundvermögen zu veräußern und überdies nicht in der Lage, notwendige Investitionen im Hotel garni vorzunehmen. Darüber hinaus werde er auf Grund seines Alters von 70 Jahren aus gesundheitlichen Gründen mit höheren persönlichen Kosten zu rechnen haben.
Nachdem das Finanzamt festgestellt hatte, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1991 ein steuerpflichtiges Einkommen von 1,738.900 S bezogen sowie zum ein steuerpflichtiges Vermögen von 11,574.000 S (davon 16 Grundstücke mit Einheitswerten von rund 7,4 Mio S) besessen habe, wies es mit Bescheid vom den Antrag auf Nachsicht der aus der steuerlichen Nichtanerkennung des Hotel garni noch aushaftenden Abgabenschuld von 2 Mio S im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Einhebung einer Abgabenschuld sei nicht schon deswegen unbillig, weil zu deren Entrichtung Vermögenswerte (Grundstücke) herangezogen werden müssten. Vielmehr müsste die Entrichtung der Abgabenschuld durch Verwertung von Grundstücken einer Vermögensverschleuderung gleichkommen. Bei dem Umfang des Grundbesitzes des Beschwerdeführers und der derzeitigen Situation am Grundstücksmarkt treffe dies jedoch nicht zu. Auch im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers wäre eine - wenn auch ratenweise - Entrichtung der Abgabenschuld zumutbar.
Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, eine aushaftende Abgabenschuld könne nachgesehen werden, wenn deren Einhebung nach Lage des Falles unbillig sei. Diese Unbilligkeit könne sowohl persönlich als auch sachlich bedingt sein. Bei Anwendung des § 2 Abs 1 Z 6 LVO idF ab wäre es zu einer steuerlichen Berücksichtigung der aus dem Hotel garni erwirtschafteten Verluste gekommen. Da nach heutiger Gesetzeslage das Hotel garni stets eine Einkunftsquelle dargestellt hätte, sei die Einhebung der noch aushaftenden Abgabenschuld von 2 Mio S sachlich unbillig.
In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, die Änderung der Gesetzeslage ab führe nicht dazu, die Einhebung der noch aushaftenden Abgabenschuld als sachlich unbillig anzusehen. Eine sachliche Unbilligkeit müsse in den Besonderheiten des Einzelfalles gelegen sein. Die sich aus einer Gesetzesänderung ergebenden Unterschiede in der steuerlichen Belastung könnten zwar zu subjektiven Härten führen, träten aber allgemein ein, weswegen sie nicht zu einer Unbilligkeit im Einzelfall führten.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz nahm der Beschwerdeführer zu den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung nicht Stellung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung unter Hinweis auf die zu § 236 BAO ergangene hg Rechtsprechung mit der Begründung ab, Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabenschuld setze voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einhebung für den Steuerpflichtigen ergeben würden. Die Einhebung einer Abgabenschuld wäre aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie den Geboten der Gleichheit, des Vertrauensschutzes, den Grundsätzen von Treu und Glauben, dem Erfordernis der Zumutbarkeit oder dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widersprechen würde. Eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabenschuld liege vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete, weswegen es zu einer anormalen Belastung und - verglichen mit ähnlichen Fällen - zu einem atypischen Vermögenseingriff komme. Die sich aus einer Änderung der Gesetzeslage ergebenden Unterschiede in der steuerlichen Belastung stellten aber - verglichen mit ähnlichen Fällen - keinen atypischen Vermögenseingriff dar, weswegen die Einhebung einer höheren Abgabenschuld nicht als sachlich unbillige Härte im Einzelfall angesehen werden könne. Der Beschwerdeführer stütze sein Nachsichtsansuchen auf eine ab geänderte Rechtslage. Die Beurteilung des Hotel garni als Liebhaberei sei jedoch auf Grund der in den Jahren 1975 bis 1983 geltenden Rechtslage erfolgt. Bereits anlässlich der im Jahr 1984 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung sei festgestellt worden, das Hotel garni stelle bis zum Jahr 1983 keine Einkunftsquelle dar. Erst auf Grund der geänderten Wirtschaftsführung seien ab dem Jahr 1984 positive Einkünfte aus der Verpachtung des Hotel garni erzielt worden. Dies habe aber keineswegs zur steuerlichen Berücksichtigung der in den Jahren 1975 bis 1983 erwirtschafteten Verluste geführt. Die Einhebung der noch aushaftenden Abgabenschuld stelle daher eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage in den Jahren 1975 bis 1983 dar. Die gegenüber der ab dem Jahr 1993 geltenden Rechtslage allenfalls höhere steuerliche Belastung sei daher sachlich nicht unbillig. Im Hinblick auf die aktenkundigen Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers sei die Einhebung der noch aushaftenden Abgabenschuld auch persönlich nicht unbillig.
Über die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Unter Wiederholung seiner Ausführungen im Administrativverfahren behauptet der Beschwerdeführer, die Einhebung der noch aushaftenden Abgabenschuld sei sachlich unbillig, weil die aus der steuerlichen Nichtanerkennung des von ihm geführten Hotel garni resultierende Abgabennachforderung im Geltungsbereich der ab anzuwendenden LVO nicht entstanden wäre.
Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom , 96/15/0154), ist die Einhebung einer aushaftenden Abgabenschuld sachlich nicht unbillig, wenn diese Abgabenschuld ganz allgemein auf Grund genereller Normen entstanden ist. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die sich aus einer Änderung der Gesetzeslage ergebenden Unterschiede in der Besteuerung von Fällen je nachdem, ob die entsprechenden Sachverhalte vor oder nach der Änderung verwirklicht worden sind, zwar subjektive Härten darstellen können, aber in allen gleichen Lagen und damit allgemein eintreten (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom , 91/13/0170). Da die Beurteilung, ob das Hotel Garni eine Einkunftsquelle darstellt, für die Jahre 1975 bis 1983, somit für einen Zeitraum lange vor Anwendung des § 2 Abs 1 Z 6 LVO idF ab vorzunehmen war, geht die Behauptung, die Einhebung der noch aushaftenden, in den Jahren 1975 bis 1983 entstandenen Abgabenschuld sei sachlich unbillig, ins Leere. Würde dem Begehren des Beschwerdeführers entsprochen, so würde dies bedeuten, dass bei Änderung der Gesetzeslage alle noch nach früherem Recht beurteilten oder zu beurteilenden Fälle mit für Abgabenpflichtige ungünstigerem Steuerergebnis als sachlich unbillige Einhebungsfälle anzusehen wären. Dem steht das Prinzip der Abschnittsbesteuerung entgegen.
Der Beschwerdeführer behauptet, die belangte Behörde habe nicht geprüft, ob die Einhebung der noch aushaftenden Abgabenschuld persönlich unbillig sei.
Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer nur im Antrag vom die Einhebung der noch aushaftenden Abgabenschuld als persönlich unbillig bezeichnet hat, hat er in der Berufung nur die sachliche Unbilligkeit der Einhebung eingewendet. Zu der sich mit der Frage der sachlichen Unbilligkeit der Einhebung auseinander setzenden Berufungsvorentscheidung hat der Beschwerdeführer nicht Stellung genommen. Die belangte Behörde war daher grundsätzlich nur verhalten, über die Frage der sachlichen Unbilligkeit der Einhebung der aushaftenden Abgabenschuld abzusprechen. Nichtsdestoweniger hat die belangte Behörde zu Recht darauf hingewiesen, dass nach den aktenkundigen Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers die Einhebung der noch aushaftenden Abgabenschuld persönlich nicht unbillig ist. Damit erübrigt sich aber auch ein Eingehen auf die vom Beschwerdeführer gerügte Unterlassung eines Ermittlungsverfahrens zur Frage, ob die Einhebung der noch aushaftenden Abgabenschuld persönlich unbillig ist. Bemerkt wird, dass das Finanzamt bereits im Bescheid vom ausgeführt hat, die Einhebung einer Abgabenschuld sei nicht schon deswegen unbillig, weil zu deren Entrichtung Vermögenswerte (Grundstücke) herangezogen werden müssten. Vielmehr müsste die Entrichtung der Abgabenschuld durch Verwertung von Grundstücken einer Vermögensverschleuderung gleichkommen. Bei dem Umfang des Grundbesitzes des Beschwerdeführers und der derzeitigen Situation am Grundstücksmarkt treffe dies jedoch nicht zu. Von einer Vermögensverschleuderung könne beim Umfang des Grundbesitzes des Beschwerdeführers und der derzeitigen Situation am Grundstücksmarkt keine Rede sein. Diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren nicht nur nicht entgegengetreten, sondern hat sein Vorbringen, die Einhebung der noch aushaftenden Abgabenschuld sei (auch) persönlich unbillig, im Berufungsverfahren nicht aufrecht erhalten.
Da die belangte Behörde zu Recht die Einhebung der aushaftenden Abgabenschuld sowohl aus sachlichen als auch aus persönlichen Gründen als nicht unbillig angesehen hat, blieb für die Ausübung des Ermessens kein Raum mehr.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am